Anschlag in SüdfrankreichEr zündete die Synagoge an – nun brennt auch die Politik
Ein 33-jähriger Algerier wurde gefasst, nachdem er versucht hatte, die Synagoge von La Grande-Motte in Brand zu setzen. Die Folgen der antisemitischen Tat überschatten auch die Regierungsbildung.
Frankreich wird erneut von einer schweren antisemitischen Tat erschüttert, und diesmal geht man davon aus, dass sie ein klar terroristisches Motiv hatte. In La Grande-Motte, einem bekannten Ferienort bei Montpellier im Süden des Landes, hat am Samstagmorgen kurz nach 8 Uhr ein Mann versucht, die örtliche Synagoge in Brand zu stecken.
Er zündete dafür zwei Autos an, die davor parkiert waren, sowie zwei Türen der Synagoge Beth Yaacov. Eine Gasflasche, die zwischen den brennenden Wagen stand, explodierte im Moment, als ein Polizist am Tatort erschien: Der Beamte wurde leicht verletzt. Zur Tatzeit sollen sich fünf Personen im Gebäude aufgehalten haben, unter ihnen der Rabbiner, sie blieben alle unversehrt.
Der mutmassliche Täter, ein 33-jähriger Algerier mit gültigen Aufenthaltspapieren für Frankreich, konnte 15 Stunden nach der Tat verhaftet werden – in Pissevin, einer sogenannten schwierigen Banlieue von Nîmes, die in jüngerer Vergangenheit immer wieder wegen Drogenhandels in den nationalen Schlagzeilen aufschien.
Schnell gefasst – dank der Videoaufnahmen
Als das Kommando einer Sondereinheit der Polizei das Zuhause des Algeriers erreichte, etwa 50 Kilometer vom Tatort entfernt, eröffnete der Mann das Feuer. Er wurde dann selbst von Schüssen im Gesicht und an der Schulter getroffen, konnte aber lebend gefasst werden. Die Beamten nahmen drei weitere Personen aus der Entourage fest.
Die Operation gelang wohl nur deshalb so schnell, weil sich der mutmassliche Attentäter für seine Tat nicht vermummt hatte und dabei von einer Überwachungskamera gefilmt wurde. Auf den Aufnahmen ist sein Gesicht klar erkennbar, es war der Polizei bereits bekannt gewesen. Um seine Hüfte hatte der Mann eine Fahne Palästinas geknüpft. Auf dem Kopf trug er eine rote Kufiya, wie sie Palästinenser anhaben, in den Händen zwei Plastikflaschen mit einer gelblichen Flüssigkeit. Offenbar hatte er auch eine Pistole dabei. Die Justiz ermittelt wegen des Verdachts auf Terrorismus.
Im vergangenen Mai hatte ein Mann im nordfranzösischen Rouen versucht, eine Synagoge in Brand zu stecken. Er wurde getötet, als er die Polizei mit einem Messer bedroht hatte. Schon damals war das Entsetzen gross gewesen, die Tat wurde dann nachträglich aber nicht als terroristisch eingestuft. Im Fall von La Grande-Motte sind die Indizien deutlicher.
Starker Anstieg antisemitischer Taten
Wäre es Winter gewesen, wäre die Synagoge zu dieser Zeit am Samstag voll gewesen, schreiben die französischen Zeitungen. Im Sommer dagegen ist die Programmierung jeweils etwas anders. Dann pumpt sich die kleine Küstenstadt, die in den 1960er-Jahren für den Massentourismus aus dem Nichts erbaut wurde, zu einer mittleren Grossstadt mit etwa 120’000 Gästen auf, frühmorgens geht kaum jemand in die Synagoge.
Premierminister Gabriel Attal, der schnell vor Ort war, sagte vor den Medien, man sei nur knapp einem «absoluten Drama» entgangen. «Einmal mehr sind jüdische Franzosen wegen ihres Glaubens angegriffen worden, und das empört und schockiert uns zutiefst.» Alle müssten nun zusammenstehen, über alle ideologischen Gräben hinweg, damit solche antisemitische Taten aufhörten. Auch in Frankreich ist die Zahl antisemitischer Akte seit dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem militärischen Gegenschlag Israels auf Gaza dramatisch gestiegen.
Premier Attal liess es nicht beim Appell an alle bewenden, sondern er warf «gewissen Kreisen» vor, sie schürten den Antisemitismus. Namen nannte er nicht. Doch in der Deutung aller Analysten waren damit in erster Linie Teile der radikal linken Partei La France Insoumise gemeint, die sich seit dem 7. Oktober immer wieder ambivalent geäussert hatten zur Hamas und deren Terroranschlag.
Parteichef Jean-Luc Mélenchon wehrte sich jetzt gegen Attals Vorwurf, das sei eine haltlose Unterstellung. Was in La Grande-Motte passiert sei, sei ein «inakzeptables Verbrechen», sagte Mélenchon. Antisemitisch nannte er es nicht.
Erhöhter Druck auf Macron
Die Debatte über die France Insoumise hat auch einen unmittelbar politischen Hintergrund: In diesen Tagen läuft in Paris die Konsultationsphase für die Bildung einer neuen Regierung. Das Lager von Präsident Emmanuel Macron und die bürgerlichen Républicains stellten bereits in Aussicht, dass sie eine allfällig linke Regierung, in der auch Mélenchonisten Minister wären, bei der ersten Gelegenheit mit einem Misstrauensantrag stürzen würden.
Nun aber sagte Mélenchon am Wochenende, seine Partei sei bereit, ganz auf Ministerposten zu verzichten, wenn Macron dafür die gemeinsame Kandidatin der gesamten Linken, Lucie Castets, zur Premierministerin berufe. Ein taktischer Coup, mit dem er den Druck auf den Präsidenten weiter erhöht.
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