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Frankreichs Regierungssuche
Linke zwingt Macron ein Machtspiel auf – und beharrt auf ihrer Kandidatin

Nouveau Front Populaire (New Popular Front) NPF left-wing coalition candidate for Prime Minister and economist, Lucie Castets addresses media as she arrives at the presidential Elysee Palace in Paris on August 23, 2024, to meet France's President who convene party leaders for consultations, in a bid to break political deadlock and form a government following snap elections. Weeks after legislative elections which produced a lower-house National Assembly with no clear majority, France still does not have a new prime minister. (Photo by Dimitar DILKOFF / AFP)
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Die französische Sommerpause ist vorbei, zumindest die politische. «Die Ferien sind fertig», titelte die linke Zeitung «Libération» am Freitag auf ihrer ersten Seite mit einem polemischen Unterton, dazu ein Foto von Emmanuel Macron, dem Präsidenten. Macron wird vorgeworfen, er habe seine Ferien ungebührend lang gezogen, er spiele auf Zeit, er taktiere, obschon die Republik blockiert sei.

Fast zwei Monate nach den Wahlen, die dem Land ein Parlament ohne Mehrheiten gebracht haben, begannen nun im Élysée die Konsultationen für eine neue Regierung. Die alte Regierung führt noch immer die Geschäfte, obschon sie vor 38 Tagen zurückgetreten ist – ein Rekord: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war nie ein abtretendes Kabinett so lang in der Verantwortung geblieben wie dieses. Premier Gabriel Attal hat sogar ein «reversibles Budget» für 2025 erstellt, damit mal eins auf dem Tisch liegt. Auch das ist eine denkwürdige Premiere.

Macrons Doppelrolle als Schiedsrichter und Trainer

Wer soll Attal ablösen? Als erste Delegation empfing Macron die vier Parteien der vereinigten Linken des Nouveau Front populaire, die trotz ihrer Differenzen gemeinsam zum Termin erschienen sind: Sie halten so den Druck auf den Präsidenten hoch. Mit 193 Sitzen in der neuen Nationalversammlung stellt das Bündnis das grösste Lager, ist aber weit entfernt von der absoluten Mehrheit, die bei 289 liegt.

Die Linke findet dennoch, sie habe die Wahlen gewonnen. Es stehe ihr deshalb zu, eine Regierung zu bilden – selbst wenn die beim ersten Misstrauensantrag stürzen könnte. Mehrheiten wolle sie dann in aller Transparenz im Parlament finden, Gesetz für Gesetz. Ihre gemeinsame Kandidatin für das Amt der Premierministerin hat die Linke zum Treffen mit Macron mitgebracht: Die 37-jährige Lucie Castets ist Finanzdirektorin der Pariser Stadtverwaltung.

Nach dem Gespräch sagten die Vertreter der Linken, der Präsident habe zwar offenbar verstanden, dass er die Wahlen verloren habe. Trotzdem spiele er sich immer noch gleichzeitig als «Schiedsrichter und Trainer» auf, der die Mannschaft selber zusammenstellen wolle. Von Lucie Castets, so viel liess er schon früher durchscheinen, hält Macron nicht viel. Nur, wer soll es sonst werden?

French President Emmanuel Macron looks at two smartphones during a ceremony marking the 80th anniversary of the Allied landings in Provence during World War II, at the Boulouris National Cemetery in Boulouris-sur-Mer, south eastern France, Thursday, Aug. 15, 2024. (Christophe Simon, Pool via AP)
C'r'monie pour les 80 ans du D'barquement en Provence, en pr'sence d'Emmanuel Macron et de chefs d'Etat africains

In den Medien wird über ein Dutzend möglicher Namen spekuliert, die Macron im Kopf haben könnte, wobei immer auch nachgeschickt wird, dass früh Genannte meistens nur Versuchsnamen seien, bestenfalls Testballons. Zu diesem Kreis gehören unter anderem der Republikaner Xavier Bertrand und der frühere sozialistische Regierungschef Bernard Cazeneuve. Beide sind aber in ihren eigenen politischen Familien umstritten.

Eine interessante Personalie wäre Karim Bouamrane. Der Sozialist, 51 Jahre alt, war früher Manager im Silicon Valley, seit 2020 ist er Bürgermeister von Saint-Ouen, einer Banlieue von Paris. Die Linke könnte schlechterdings gegen ihn sein. Doch Bouamrane, Kind marokkanischer Einwanderer, ist kein Freund der radikal linken La France insoumise: Er wirft ihr vor, spalterisch zu agieren, gerade in den Vorstädten. Vielleicht wäre er jedoch fähig, eine breite Mehrheit vom linken Rand der Konservativen über die Zentristen bis zum liberalen Rand der Sozialdemokraten von sich zu überzeugen, ganz so, wie Macron das vorschwebt.

Mayor of Saint-Ouen Karim Bouamrane attends the official inauguration of the "Franchissement Urbain Pleyel" pedestrian footbridge connecting the Paris 2024 Olympic and Paralympic athletes' village to Olympic event venues, in Saint-Denis, north of Paris, on May 16, 2024. (Photo by Thomas SAMSON / AFP)

Lässt sich kein Politiker finden, der einen breiten Zuspruch im Parlament hätte, könnte Macron auch eine parteilose Persönlichkeit berufen: einen hohen Beamten etwa, eine angesehene Figur aus der Zivilgesellschaft oder einen Wirtschaftsboss. Eine Art «Mario Draghi à la française», wie sie in Frankreich sagen, wenn sie über eine ideale Besetzung für die Spitze eines Expertenkabinetts nachdenken. «Aber haben wir denn einen wie Draghi?», fragt «Le Figaro».

Aus dem Élysée erfuhr man, dass es jetzt «ziemlich schnell» gehen soll mit der Nominierung eines Premiers. Tatsächlich?

Von Macron ist bekannt, dass er sich bei wichtigen Personalfragen immer lang Zeit lässt und dann oft alle überrascht mit seinem Entscheid. «Ziemlich schnell» wäre Dienstag, 27. August. Bis dann wird er sich auch mit dem rechtsextremen Rassemblement National unterhalten haben. Für kommende Woche ist Dienstag das einzige mögliche Zeitfenster: Am 28. August beginnen die Paralympics, und am 29. reist er dann für zwei Tage nach Serbien, wo sie ihm einen Staatsempfang bereiten. Gründe für noch etwas mehr Zeit.