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Debatte um Atomenergie
«So wird es in Zukunft ohne Kern­kraft­werke nicht gehen»

Christoph Brand, CEO Axpo Holding AG, fotografiert waehrend eines Gespraechs am Freitag, 4. November 2022 in Baden. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Man kann in der Energie- und Klimapolitik den Fünfer und das Weggli nicht gleichzeitig haben. Das hat Christoph Brand am Montag anlässlich der Bilanzmedienkonferenz der Axpo klargemacht. Wenn man die Versorgungssicherheit sicherstellen sowie die Klimaziele erreichen wolle und dabei nicht völlig abhängig von Stromimporten werden wolle, gleichzeitig aber nicht bereit sei, Windräder und Solaranlagen in die Landschaft zu stellen: «Dann», so der Axpo-Chef, «wird es in Zukunft ohne Kernkraftwerke nicht gehen.» 

Brand hat das so oder ähnlich auch schon gesagt. Diesmal aber waren seine Worte eine Botschaft mit speziellem Gewicht. Zum einen, weil Landschaftsschützer den Energie-Mantelerlass – ein Massnahmenpaket, mit dem das Parlament die erneuerbaren Energien forciert ausbauen will – mit einem Referendum zu Fall bringen wollen. Zum anderen, weil die Atomdebatte an Schärfe gewinnt.

Initiative will Neubauverbot aufheben

Als Plädoyer für den Bau neuer Atommeiler wollte Brand sein Votum nicht verstanden wissen. Die Axpo sei technologieneutral, die Neubaufrage müsse die Gesellschaft beantworten. «In jedem Fall ist aber ein sofortiger und rascher Ausbau der erneuerbaren Energien unabdingbar.» Auch dann, wenn sich die Schweizer Bevölkerung wieder für neue Kernkraftwerke ausspräche, denn bis neue Atomanlagen stünden, würden mindestens 20 Jahre gehen, so Brand. 

Das vom Stimmvolk beschlossene Neubauverbot besteht seit 2017. Die Volksinitiative «Blackout stoppen» will es wieder aufheben, sie dürfte im Januar eingereicht werden. Am Donnerstag berät der Ständerat zudem über ein Postulat von Thierry Burkart. Der Bundesrat, so fordert der FDP-Präsident, soll in einem Bericht aufzeigen, welche Rahmenbedingungen es für einen Langzeitbetrieb der bestehenden Atommeiler braucht.

Weiter soll er darlegen, was notwendig ist, damit die alten Kernkraftwerke «ohne Risiko für die Versorgungssicherheit» abgeschaltet werden können. Das «Szenario Neubau» soll der Bundesrat ebenfalls prüfen. Der Bundesrat empfiehlt den Vorstoss zur Annahme, stellt aber klar, das sei kein Präjudiz für die Aufhebung des Neubauverbots. Der Bericht ermögliche aber, dass «in voller Kenntnis der Sachlage Entscheide getroffen werden können».

Das Kernkraftwerk Beznau mit dem Logo des Energiekonzerns Axpo, aufgenommen am Donnerstag, 15. September 2022 in Doettingen. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

In der Schweiz dürfen die bestehenden Atommeiler so lange laufen, wie die Atomaufsicht Ensi sie als sicher einstuft. Wann Beznau, mit Jahrgang 1969 die älteste Anlage der Schweiz, vom Netz gehen wird, liess Brand offen. Er machte aber klar, dass Beznau wie alle anderen Kernkraftwerke irgendwann ans Ende seiner technischen Lebensdauer kommen wird. Die Axpo geht von einer Betriebsdauer von circa 60 Jahren aus, Beznau würde damit um 2030 abgestellt.

Brand machte klar, dass der Neubau eines Kernkraftwerks ohne staatliche Förderung nicht gehen würde. «Das finanzielle – nicht das technische – Risiko eines Neubaus der bestehenden Generation wäre für ein Unternehmen wie Axpo zu gross. Wir könnten das nicht tragen.» Ihm sei auch kein Neubauprojekt bekannt, das ausschliesslich von privaten Investoren getragen werde, der Staat habe jeweils eine Schlüsselrolle inne – wie bei vielen anderen Technologien auch.

Hohe Kosten, politische Unwägbarkeit

Brand wies jedoch auf zentrale Unterschiede zu anderen Energieträgern wie etwa der Windkraft hin: Bei Kernkraftwerken müsse man über sehr lange Zeiträume planen, zu Beginn fielen jeweils sehr hohe Kosten an. «Und es gibt eine grosse politische Unwägbarkeit.» Vielleicht gebe es in zehn Jahren wieder einen nuklearen Vorfall, nach dem die Stimmung in der Bevölkerung drehe. Dann jedoch hätten Investoren ein Problem, weil zusätzliche Kosten in Form verschärfter Regulierungen drohten.

Atomkritiker sehen sich bestätigt. Nils Epprecht, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung, sagt: «Aus den Aussagen von Christoph Brand – wohlgemerkt dem grössten Betreiber Schweizer AKW – lässt sich klar herauslesen: Neue AKW sind für die Schweiz schlicht keine gangbare Option.»

Die Atomfreunde sehen es gerade umgekehrt: Brands Aussage decke sich mit den Einschätzungen aller übrigen «unideologischen Experten», sagt SVP-Nationalrat Christian Imark: «Man kann es drehen und wenden, wie man will, ohne Kernenergie wird das Netto-null-Ziel nicht erreichbar sein.»