Analyse zum Anruf von ScholzMit Putin sprechen? Ja, aber nicht so
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz braucht das Gespräch mit Wladimir Putin für seinen Wahlkampf. Der Ukraine und der EU schadet er damit.
Schon vor Wochen hatte er es angekündigt, am Freitag war es so weit: Olaf Scholz telefonierte erstmals seit zwei Jahren wieder mit Wladimir Putin. Eine Stunde sprachen der Deutsche und der Russe, und nach allem, was danach preisgegeben wurde, kam nichts Neues heraus. Der deutsche Kanzler und der russische Präsident wiederholten ihre Positionen.
Scholz forderte Putin dazu auf, die Angriffe auf die Ukraine einzustellen, Truppen zurückzuziehen und diplomatische Wege zu einem Frieden auszuloten, der «gerecht und dauerhaft» sei. Deutschland werde die Ukraine bei ihrem Abwehrkampf weiter unterstützen, «so lange wie nötig». Putin könne also nicht damit rechnen, «dass die Zeit auf seiner Seite ist».
Putin wiederum legte die bekannten Bedingungen dar, nach denen er zu Verhandlungen bereit wäre: Die Ukraine müsse auf die vier teilweise besetzten Regionen im Osten und Süden verzichten. Und sie dürfe nicht dem westlichen Verteidigungsbündnis Nato beitreten, weil dies «russische Sicherheitsinteressen» verletze. Die Ukraine lehnt beide Voraussetzungen ab.
Scholz wird von links und rechts bedrängt
Wenn schon nicht die Inhalte neu waren, so sollte das Gespräch wenigstens symbolisch einen Aufbruch signalisieren. Nach zwei Jahren, so die Botschaft aus Berlin und Moskau, breche nun die Zeit der Gespräche an. Die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten markiert aus Sicht beider Seiten einen Wendepunkt. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, den Krieg im Handumdrehen zu beenden.
Scholz hatte vor allem innenpolitische Gründe, um als erster Europäer mit Putin wieder das Gespräch zu suchen: Seine Regierung ist zerbrochen, vor den vorgezogenen Neuwahlen im Februar steht der «Kanzler auf Abruf» auch in der Ukraine-Frage unter grossem Druck.
Er wird von links wie rechts bedrängt. Die neue Partei von Sahra Wagenknecht und die Alternative für Deutschland wollen die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine lieber heute als morgen stoppen und rufen die Ukraine kaum verhüllt zur Kapitulation auf – beide hoffen dafür auf Trumps Unterstützung.
Die Christdemokraten von Friedrich Merz wiederum, aber auch FDP und Grüne rufen Scholz dazu auf, die Hilfe an die Ukraine noch zu steigern, um dieser auf dem Schlachtfeld eine bessere Ausgangslage für Verhandlungen zu verschaffen. Dafür, so Merz, sei es etwa nötig, Kiew die deutschen Marschflugkörper Taurus zu liefern und zu erlauben, damit auch strategische Ziele im russischen Hinterland zu treffen.
Sein Gespräch mit Putin liefert Scholz im Wahlkampf nun ein Argument gegen beide Seiten. Wagenknechts Anhängerinnen kann er sagen: «Während ihr nur von Diplomatie redet, spreche ich mit Putin.» Merz’ Wählern kann er entgegnen: «Während ihr zur Eskalation des Kriegs aufruft, bereite ich den diplomatischen Weg zum Frieden vor.»
«Friedenskanzler» zog schon im Sommer nicht
Die traditionell pazifistisch gestimmte SPD möchte im Wahlkampf mit Scholz als «Friedenskanzler» werben. Dummerweise hat das schon im Europawahlkampf nicht funktioniert. Den «Friedensfreunden» um Wagenknecht und AfD geht es schon zu weit, dass Deutschland überhaupt Waffen an die Ukraine liefert. Scholz gilt ihnen als «Kriegstreiber», weil er Berlin zum zweitgrössten Unterstützer Kiews gemacht hat. Aus Sicht der Ukraine-Freunde wiederum verfehlt Scholz’ zögerlicher Mittelweg das eigentliche Ziel: dass die Ukraine den Krieg gewinnen kann.
Aus Putins Sicht war der Austausch mit Scholz propagandistisch lohnend: Seinen Parteigängern kann er zeigen, dass auf einmal alle wieder mit ihm reden wollen, ganz ohne Konzessionen seinerseits. Manche seiner Argumente richten sich direkt an deutsche Wählerinnen und Wähler: etwa jenes, dass Russland schnell wieder billiges Gas liefern könne, sei der Krieg einmal vorbei.
Die Ukraine hat Scholz mit seiner Initiative jedenfalls alarmiert. Präsident Wolodimir Selenski sagte, «Olaf» habe «die Büchse der Pandora geöffnet». Der Kanzler habe die Isolation Putins geschwächt und den Weg zu weiteren solchen Gesprächen geöffnet, die absehbar zu nichts führten.
Die Ukraine steht gerade unter enormem Druck, militärisch, aber auch durch die politische Wende, die Trump verkörpert. Er wisse, sagte Selenski am Wochenende, dass es nun schneller Verhandlungen geben werde. Er sei dazu bereit, den Krieg im nächsten Jahr mit diplomatischen Mitteln zu beenden.
Dass ein solcher Friede nicht über Selenskis Kopf und die Interessen der Ukraine hinweg verhandelt werden soll, darin sind sich die europäischen Unterstützer einig, auch Scholz. In diesem Sinne war sein einsamer Anruf bei Putin aber das falsche Signal.
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