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Gründer von Actelion und Idorsia
Das Traumpaar der Schweizer Wirtschaft kämpft um sein Vermächtnis

Sie hat die wissenschaftliche Führung, er die finanzielle: Jean-Paul und Martine Clozel.
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Jean-Paul und Martine Clozel sind ein Erfolgsehepaar der Schweizer Wirtschaft: Sie haben das Biotech-Start-up Actelion mit einem durchschlagenden Medikament zum Erfolg geführt und für 30 Milliarden Dollar verkauft. Sie selbst erhielten daraus über eine Milliarde und könnten längst in Pension sein, gründeten aber mit Idorsia ein zweites Start-up. Nun drohen sie mit einem neuartigen Schlafmittel zu scheitern.

Das Schlafmittel heisst Quiviviq. Die Medizinerin Martine Clozel hat über 20 Jahre an ihm gearbeitet. Zunächst als Forschungsleiterin des von ihr und ihrem Mann 1997 gegründeten Unternehmens Actelion. Das Medikament war ihr so wichtig, dass sie es beim Verkauf Actelions 2017 behalten wollte. Sie gliederte es mit einigen anderen Projekten aus und machte sich mit ihrem Mann als Firmenchef auf zu einem zweiten Biotech-Abenteuer: Idorsia.

«Merkwürdig», sagt der Analyst

Martine Clozel ist inzwischen 67 Jahre alt und hat Quiviviq auf den Markt gebracht. In den USA ist es seit Anfang 2022 und seit diesem Sommer auch in der Schweiz zugelassen. Das Projekt könnte also durchaus die zweite grosse Biotech-Erfolgsgeschichte der Schweiz sein. Doch die ist es nicht. Oder noch nicht?

Medientalk mit der US-amerikanischen Skirennläuferin Lindsey Vonn.
05.02.2017
(Tages-Anzeiger/Urs Jaudas)

«Es ist merkwürdig, aber im wichtigen US-Markt verkauft sich das Schlafmittel nicht», wundert sich Finanzanalyst Stefan Schneider vom Schweizer Investmenthaus Vontobel. Dabei erstattet es seit diesem Sommer der zweite grosse amerikanische Versicherer, ohne dass Arztpraxen vorher dafür einen Antrag stellen müssen. «Jetzt müssten die Verschreibungen eigentlich stark anziehen, aber das tun sie nicht», sagt der Analyst.

Quiviviq hemmt nicht wie andere Schlafmittel die Hirntätigkeit auf breiter Front, sondern blockiert nur bestimmte Rezeptoren, die für den Wachzustand eine Schlüsselrolle spielen. Deshalb soll es weder abhängig noch am Folgetag müde machen. «Es scheint aber schwieriger zu sein als erwartet, die Verschreibungsgewohnheiten der Ärzte zu ändern», gibt ein Firmensprecher zu. Idorsias Umsatzziel für 2025 in Höhe von 1 Milliarde Franken wurde vom Unternehmen zurückgenommen.

Grosse Pharmakonzerne wissen, dass selbst ein überzeugendes neues Medikament sich nicht von allein verkauft. Deshalb stecken sie mehr Geld ins Marketing als in die Forschung und Entwicklung. Das aber können das Ehepaar Clozel und Idorsia nicht: Ihnen ging das Geld für Vertreterbesuche in Arztpraxen aus, und sie mussten das Marketing zurückfahren.

Idorsia bleibt wenige Wochen. Die Barmittel reichen nur noch bis ins erste Quartal 2024.

Das Problem: Schlaflosigkeit mag noch so verbreitet und belastend, das Schlafmittel Quiviviq noch so vorteilhaft sein – es handelt sich um keine tödliche Krankheit, und es gibt schon zahlreiche Medikamente, die zudem deutlich billiger sind, weil bei ihnen das Patent abgelaufen ist.

Bei Actelion kannten die Clozels dieses Problem nicht: Dort waren sie mit ihrem Medikament gegen Bluthochdruck in der Lunge ein Ausnahmefall, und es lief auch ohne Marketing. Es war das erste und einzige am Markt, und die Krankheit war lebensbedrohlich.

Zudem hat Martine Clozel diesmal auch Konkurrenz von zwei anderen Firmen, die ebenso Schlafmittel mit ähnlicher Wirkungsart lanciert haben.

Idorsia bleiben nun nur wenige Wochen, um das Blatt zu wenden. Eine grosse, neue Marketingaktion liegt nicht drin: Die Barmittel reichen nur noch bis ins erste Quartal 2024, die Firma verbrennt zu viel Geld. In den ersten neun Monaten dieses Jahres machte Quiviviq einen Umsatz von 20 Millionen Franken, die operativen Kosten beliefen sich jedoch auf 537 Millionen.

Aktie mit sehr hohem Verlust

Diesen Sommer kündigten die Clozels die Streichung von bis zu 500 der rund 1200 Stellen am Hauptsitz in Allschwil an. Erst Anfang 2024 wird sich die Kostenreduktion aber erst voll auswirken.

Die Aktie fiel in den Keller: Im Frühjahr notierte sie noch über 17 Franken, nun liegt sie unter 2 Franken. Die Basler Kantonalbank hat die Bewertung der Aktie im Oktober eingestellt. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Idorsia die Mittel ausgehen, ist zu hoch», sagt Analyst Elmar Sieber. Ende Oktober berechnete die Wirtschaftsagentur Bloomberg das Ausfallrisiko auf gut 10 Prozent, zurzeit sogar auf über 16 Prozent.

Über der Biotechszene kreisen wegen der gestiegenen Zinsen ohnehin die Pleitegeier. Die Schweizer Start-ups Kinarus und Spexis meldeten kürzlich Konkurs an.

Das Ehepaar Clozel gibt jedoch nicht auf. Jean-Paul Clozel ist derweil 68 Jahre und sucht unter Hochdruck frisches Kapital. Für ihn dürfte dies sogar ein leichtes Spiel sein.

«Bei Actelion musste ich jeden Tag kämpfen, für mich als CEO war es beängstigend», sagte Clozel in einem Interview vor wenigen Jahren. Bei Idorsia sei der Kampf dagegen deutlich geringer. Der Grund: Es gebe nicht nur ein Medikament, sondern mehrere.

Die Clozels könnten einen Konkurs mit einer Kapitalerhöhung abwenden. Oder mit eigenem Geld.

Neben dem Schlafmittel besitzt Idorsia noch ein Medikament, das gegen hartnäckigen Bluthochdruck hilft. Es heisst Aprocitentan, und Analysten erwarten seine Zulassung in den USA Anfang nächsten Jahres. Die US-Investmentbank Jefferies ist optimistisch, dass Jean-Paul Clozel mit dem Verkauf der Vermarktungsrechte von Aprocitentan per sofort 160 Millionen Franken erhalten könnte.

Vontobel-Analyst Schneider geht eher davon aus, dass Idorsia die Vermarktungsrechte von Quviviq verkauft. «Denn eine weiterführende Marketingaktion wird für Idorsia zu teuer.»

Noch gibt es Rettungsoptionen

Tatsächlich schliesst Idorsia eine Auslizenzierung ihres Schlafmittels nicht aus, wie der Firmensprecher sagt. Diskussionen mit verschiedenen Interessenten über Partnerschaften bei allen Medikamenten von Idorsia seien möglich, auch zu Quiviviq.

Das Ehepaar Clozel könnte einen Konkurs von Idorsia auch mit einer Kapitalerhöhung oder mit eigenem Geld abwenden. Er ist grösster Aktionär und hält 20 Prozent der Aktien, sie 7 Prozent.

Diesen Sommer war Jean-Paul Clozel schon mit einem ¨inzwischen zur¨ückgezahlten Überbrückungskredit von bis zu 75 Millionen Franken eingesprungen. Ob es erneut dazu kommt? «Das müssen die Clozels entscheiden, wenn es so weit ist», sagt der Idorsia-Sprecher. Momentan sei das jedoch eine spekulative Fragestellung. Das bedeutet: Noch gibt es andere Rettungsoptionen.