Traumdeal für die Actelion-Gründer
Actelion wird für 30 Milliarden Dollar an Johnson & Johnson verkauft. Die Firmengründer Jean-Paul und Martine Clozel sichern sich das Herzstück der Forschung.
Andere in ihrem Alter freuen sich auf die Pensionierung und die viele Zeit, die sie dann für ihre Enkel oder Hobbys haben. Jean-Paul Clozel (61) und seine ein Jahr jüngere Frau Martine haben da andere Vorstellungen. Sie gehen nochmals unter die Firmengründer, und dies gleich im grossen Stil.
Das sagt sich so leicht, ist in ihrem Falle aber ein anspruchsvolles Unterfangen. Denn die Baselbieter Firma Actelion, die sie 1997 mit zwei Freunden gegründet haben, ist innert 20 Jahren zu Europas grösstem Biotechkonzern mit 2 Milliarden Franken Umsatz und 2560 Mitarbeitenden gewachsen. Sie hat 800 Forscher, die mit einem Jahresbudget von über einer halben Milliarde Franken neue Medikamente entwickeln.
Wie ein solches Lebenswerk loslassen, ohne es aufzugeben? Der Grundgedanke, der nach zwei nervenaufreibenden Verhandlungsrunden gestern zur Lösung führte, ist einfach. Clozels machten nie einen Hehl daraus, dass sie vor allem an der Forschung interessiert sind. Martine ist seit jeher Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung. Jean-Paul ist der Macher und Manager, der als Chef Actelion nach aussen vertritt. Weniger aus Neigung als aus Einsicht in die Notwendigkeit von immer mehr Organisation und Vertrieb, damit die rasch wachsende Firma prosperiert, wie er mehrmals durchblicken liess.
Riskantes Manöver
Wie also das aus ihrer Sicht eher langweilig gewordene reife, am Markt etablierte Geschäft in seriöse Hände geben, ohne die Forschung zu verlieren? Und das von einer arg schmalen Machtbasis aus, denn den Clozels gehören nur noch einige wenige Prozent an Actelion. Den Löwenanteil der Aktien halten Hunderte von Anlagefonds aus aller Welt, die Geld sehen wollen.
Diese Profianleger galt es mit einem hohen Verkaufspreis zu gewinnen. Anfang Dezember hatte Clozel als Unterhändler den US-Mischkonzern Johnson & Johnson (J & J) fast so weit. Als er in letzter Minute eine weitere Aufbesserung auf 280 Dollar pro Actelion-Titel forderte, liefen die Amerikaner davon. Worauf Clozel flugs mit deren französischem Konkurrenten Sanofi turtelte, was J & J vor Weihnachten zur Rückkehr an den Verhandlungstisch bewegte.
Ein riskantes Manöver, doch es glückte. Clozels und J & J wurden handelseinig, gestern stellten sie den Deal der Öffentlichkeit vor. Die Amerikaner übernehmen den reifen Teil von Actelion für 30 Milliarden Dollar. Für die Aktionäre von Actelion ist es wie Weihnachten im Januar. Sie erhalten pro Aktie 280 Dollar, das ist doppelt so viel, wie der Titel an der Börse wert war, bevor die Verhandlungen im November bekannt wurden.
An J & J gehen die im Markt etablierten Medikamente gegen Lungenhochdruck wie Tracleer, Opsumit und Uptravi, die fast den gesamten Umsatz und Gewinn von Actelion liefern. Und alle Präparate, die nahe an der Marktreife sind mitsamt 200 Forschern, die in dem Bereich tätig sind. Plus Fabriken, Marketing, Vertrieb und den Löwenanteil der Mitarbeiter.
Clozels können es verschmerzen. Sie behalten die Forschungslabors, zudem 600 Forscher und alle Projekte, die in einem frühen Entwicklungsstadium sind. Dieses Herzstück der Forschung wird von Actelion abgetrennt, von J & J mit einer Milliarde Franken frischen Mitteln ausgestattet und an die Schweizer Börse gebracht. Die Amerikaner erhalten im Gegenzug 16 Prozent und das Recht auf weitere 16 Prozent über eine Wandelanleihe.
J & J kann Beteiligung aufstocken
Clozel konnte gestern sein Glück kaum fassen. Er ist Chef der neuen Forschungsfirma, die reichlich Forschungsgelder zur Verfügung hat – und von Anfang an Einnahmen generiert, da J & J für einige marktnahe Präparate Lizenzgebühren zahlt. Clozels Frau, die sich stets im Hintergrund hält, dürfte weiterhin die Forschung leiten.
Einige Haken gibt es aber, wie immer in solchen Fällen. J & J kann ihre Beteiligung an Clozels Forscherfirma aufstocken, muss aber nicht. Zwei Jahre lang müssen die Amerikaner ihre Anteile an der Forscherfirma halten. Und sie dürfen fünf Jahre lang keine Anteile über die Börse zukaufen. Ihre Beteiligung verschafft den Amerikanern eine starke Stellung in Clozels Firma. Denn die übrigen Aktien werden breit gestreut sein. Jeder der vielen Actelion-Aktionäre erhält nach dem Deal auch einen Anteil der neuen Forschungsfirma. Je erfolgreicher Clozels forschen, desto besser wird ihr neues Baby gedeihen – und J & J einen Anreiz haben, an Bord zu bleiben und weiter zu investieren.
In Allschwil dürfte sich nach dem Besitzerwechsel wenig ändern. Clozels und ihr Team forschen weiter. Die Amerikaner, die das reife Geschäft gekauft haben, werden die von Herzog & de Meuron entworfene Actelion-Zentrale beziehen und das Logo von J & J an der Fassade anbringen. Der US-Mischkonzern ist für seine dezentrale Firmenkultur bekannt. Übernommene Firmen erhalten viel Raum und können ihre Geschäfte unter dem angestammten Namen weiterführen. So, wie dies bei der 2011 übernommenen Schweizer Medtechfirma Synthes geschieht. Wenigstens so lange, wie die Tochterfirmen Erfolg haben.