Sandoz nach Abspaltung von NovartisWas bedeutet der Börsengang für die Grundversorgung mit Medikamenten?
Sandoz ist die weltgrösste Herstellerin von Basismedikamenten und geht diesen Oktober an die Börse. Wir schätzen die Pläne des Pharmakonzerns ein.
Der Basler Pharmakonzern Novartis hat am Freitagmorgen seinen detaillierten Plan für die Abspaltung der Generikasparte Sandoz vorgestellt: Am oder um den 4. Oktober herum soll die bisherige Tochterfirma als eigenständiges Unternehmen an die Börse kommen. Am 15. September können die Aktionäre an einer ausserordentlichen Generalversammlung darüber abstimmen.
Sandoz ist die grösste Herstellerin von Medikamenten, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist. Sie kann als Apotheke der Welt gelten, denn sie ist für die Grundversorgung mit Antibiotika, Schmerzmitteln und Krebstherapien entscheidend.
Die Organisation «Pharma für Alle» machte ein provokantes Angebot: Sie wollte Sandoz zum symbolischen Preis für einen Franken kaufen und zu einer gemeinnützigen Firma machen. Unterstützt wurde die Aktion von den Co-Präsidenten von SP und Grünen, Cédric Wermuth und Balthasar Glättli. «Wenn Sandoz nicht mehr profitorientiert wäre, würde sich die weltweite Versorgung mit erschwinglichen Medikamenten verbessern», sagt Nicola Goepfert von «Pharma für Alle».
Das öffentliche Interesse an Sandoz ist gross, doch die Umwandlung in eine gemeinnützige Firma stand nie ernsthaft zur Debatte. Mit der Veröffentlichung des Kotierungsprospekts erteilt Novartis dem Begehren indirekt eine Absage.
Was bedeutet der Börsengang für die Medikamentenversorgung?
Die Produktion von Medikamenten wird auf eine breitere Grundlage gestellt und könnte damit sicherer werden. Novartis wird bestimmte biologische Medikamente künftig als Lohnherstellerin für Sandoz herstellen, während Sandoz dann 2026 Biotechtherapien auch in neuen eigenen Anlagen produzieren will. Slowenien steht dabei im Fokus. Dort investiert Sandoz 400 Millionen Dollar in eine neue Produktionsanlage für Biosimilars. So heissen Biotechmedikamente, bei denen der Patentschutz abgelaufen ist, dazu gehören Antikörper-Therapien etwa gegen Multiple Sklerose.
Im österreichischen Kundl weiht Sandoz diesen November eine neue Produktionsanlage für Amoxicillin ein, das wichtigste Penicillin. In der Schweiz sind derzeit einige Darreichungsformen von Amoxicillin nicht lieferbar. Das könnte sich bald ändern. Österreich hat die Modernisierung mit 50 Millionen Euro gefördert, um damit die letzte Antibiotikaproduktion in Europa zu halten.
Steht Sandoz durch den Börsengang unter höherem Profitdruck?
Sandoz stand auch schon vorher unter dem Druck der Anlegerinnen und Anleger. Bei Novartis galt die Tochter als Last, weil ihre Gewinnmarge mit rund 20 Prozent rund halb so hoch ist wie diejenige, die Novartis mit seinen patentgeschützten Medikamenten liefert.
Seit Sandoz eigenständig ist, können sich Anlegerinnen und Anleger nun gezielt für den Börsenkonzern entscheiden. Legen diese jedoch die normale Pharma-Messlatte an, ist Sandoz unattraktiv. Weil Sandoz keine Forschungserfolge bei neuen Medikamenten liefern kann, gilt sie auch als langweilig. «Für Sandoz wird es darum gehen, sich neue Investorengruppen zu erschliessen», sagt Markus Manns, Aktien-Portfoliomanager bei der deutschen Union Investment.
Gibt es einen entscheidenden Faktor für den Börsenerfolg?
Die Chancen, dass es Sandoz wie auch Novartis in den Schweizer Leitindex SMI schaffen, stehen gut. Die Aufnahme in den SMI ist wesentlich. Ist das nicht der Fall, müssen Fonds, die den SMI abbilden, Sandoz verkaufen. «Wir werden den Markt informieren, sobald wir mit unseren internen Prozessen durch sind», sagt ein Sprecher der Schweizer Börse SIX dazu. Bei der Abspaltung der Novartis-Augenheilmittel-Tochter Alcon informierte die Börse eine Woche vor dem Börsengang darüber.
Wie lockt Sandoz die Aktionärinnen und Aktionäre?
Bis 2028, so das Versprechen der neuen Firma, soll die Betriebsmarge vor Abschreibungen und Zinsen auf 24 bis 26 Prozent steigen. Die Preise für Antibiotika oder Erkältungsmedikamente kann Sandoz jedoch nicht anheben. Der höhere Gewinn ist nur durch die Ausweitung des Geschäfts mit Biosimilars möglich, bei denen die Marge grundsätzlich höher liegt, weil sie komplizierter herzustellen sind und die Konkurrenz nicht so gross ist.
«Sandoz ist eines der wenigen Unternehmen, die das Geschäft mit Biosimilars beherrschen. Das ist ein attraktiver Wachstumsmarkt», sagt Markus Manns von Union Investment. Bislang hat Sandoz lediglich acht Biosimilars auf dem Markt, 24 stecken noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase. Der Patentablauf vieler Antikörper-Therapien hat nämlich erst begonnen.
Welche Nachteile hat Sandoz als eigenständige Firma?
Auf sie kommen erst mal Kosten zu. Ohne Novartis muss sie eine eigenständige Informatik und eine Personalabteilung aufbauen. Neues Kapital bekommt sie nicht. Der Börsengang findet per Aktientausch statt. Fällt der Börsenkurs zu tief, könnte sie zum Übernahmeobjekt werden. «Ein extremer Kurssturz ist derzeit unwahrscheinlich», sagt jedoch Manns von Union Investment.
Was ändert sich für Aktionärinnen und Aktionäre von Novartis?
Stimmt die Anlegerschaft an der ausserordentlichen Generalversammlung der Abspaltung zu, erhält sie für fünf Novartis-Aktien eine Sandoz-Aktie. Entscheidend für die Bewertung von Sandoz ist jedoch nicht dieses Tauschverhältnis, sondern die Entwicklung des Aktienkurses an der Börse ab Anfang Oktober.
Es könnte sogar Anlegerinnen und Anleger geben, die vor der Abspaltung ihre Novartis-Aktien verkaufen – in der Erwartung, dass das Aktientauschverhältnis zu hoch angesetzt ist und sie sich nach der Abspaltung an der Börse günstiger wieder mit Anteilen an Novartis wie auch an Sandoz eindecken können.
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