Zum Tod von Alex SalmondSeinen Traum konnte er sich nicht erfüllen
Der frühere Regierungschef von Schottland ist tot. Er war jahrzehntelang die beherrschende Figur der Politik seines Landes – und nicht unumstritten.

- Der frühere schottische Regierungschef Alex Salmond ist tot.
- Salmond führte Schottland in das Unabhängigkeitsreferendum 2014, das scheiterte.
- Er war einflussreich und umstritten, besonders wegen Vorwürfen sexueller Vergehen.
- Seine spätere Splitterpartei Alba konnte keine bedeutende politische Wirkung erzielen.
Seinen Traum hat er sich nicht erfüllen können. Schottland in die Unabhängigkeit zu führen, blieb ihm versagt. Mit dem unerwarteten Tod Alex Salmonds endete an diesem Samstag ein Kapitel der schottischen Geschichte, das ohne ihn nicht vorstellbar gewesen wäre – eine Zeit, in der die schottischen Nationalisten zur massgeblichen Kraft im britischen Norden wurden, ohne freilich je das Ziel zu erreichen, um das es ihnen letztlich ging.
Denn vor fast genau zehn Jahren, im September 2014, hatten die Schotten Gelegenheit, sich aus dem Vereinigten Königreich zu lösen und eine eigenständige Nation zu werden. Das Unabhängigkeitsreferendum jenes Monats hatte Alex Salmond möglich gemacht.
Nach einem triumphalen Wahlsieg seiner Schottischen Nationalpartei (SNP) im Jahr 2011 hatte er als schottischer Regierungschef dem damaligen Tory-Premierminister David Cameron diese Abstimmung über die Zukunft Schottlands abgetrotzt. Zwischen 2011 und 2014 führte Salmond, ein genialer Redner, Kommunikator und Stratege, seine Truppen denn auch für die «Freiheit Schottlands» ins Feld.

Am Ende verlor er diese historische Schlacht bekanntermassen. 45 Prozent der Schotten wollten die Unabhängigkeit wagen, aber 55 Prozent sprachen sich für den Verbleib im Vereinigten Königreich, an der Seite der Engländer, Waliser und Nordiren, aus. Salmond trat noch am selben Tag von allen Ämtern zurück. Danach begann sein Stern zu sinken, wiewohl er politisch und persönlich bis zuletzt überall Aufsehen und Unruhe auslöste.
Auch seine politischen Gegner würdigten ihn als einen «Giganten der britischen Politik». Dass er nun im Alter von 69 Jahren plötzlich starb, auf einer Konferenz in Nordmazedonien, kam als regelrechter Schock für seine Landsleute. Noch am Samstagabend wurden die Fahnen vor dem schottischen Parlament in Edinburgh auf halbmast gesetzt.
Aufgewachsen war Salmond in Linlithgow, einem Städtchen westlich von Edinburgh, in bescheidenen Verhältnissen. An der Universität von St. Andrews studierte er mittelalterliche Geschichte und Wirtschaftswissenschaft. Sieben Jahre lang arbeitete er als Ökonom bei der Royal Bank of Scotland.

Aber schon zu Beginn seiner Studienzeit war er der SNP beigetreten. Seine rhetorischen Fertigkeiten, sein Witz und sein politisches Gespür führten ihn rasch in die schottische Politik.
Anfang der 80er-Jahre gehörte er zu den meist jüngeren SNP-Leuten, die die alte, überwiegend konservativ gestimmte Nationalpartei auf neue, progressive Wege zu führen suchten, um sich eine neue Wählerschaft zu erschliessen. Anders als Englands Nationalisten verstanden sich die schottischen in der Folge eher als links.
Die SNP profitierte vom Schaden, den Thatcher anrichtete
Zugute kam dieser «neuen» SNP, dass die englische Tory-Regierungschefin der 80er-Jahre, Margaret Thatcher, generell wenig Sympathien für die Schotten hatte und mit ihrer monetaristischen Politik enormen wirtschaftlichen und sozialen Schaden in Schottland anrichtete. Das trug der SNP, die Unabhängigkeit von London forderte, mehr und mehr Stimmen zu.
1987 für die SNP ins Unterhaus gewählt, machte sich Salmond schnell einen Namen. 1990 wurde er zum Parteichef gewählt. Unter seiner Führung ging die Schottische Nationalpartei auf einen sozialdemokratischen, proeuropäischen Kurs.
An Überraschungen fehlte es bei ihm nie
In den folgenden zehn Jahren erfreute sich Salmond, als kecker Kommentator und selbstbewusster Gesprächspartner, immer grösserer Beliebtheit. Die Medien liebten ihn. Seine Dynamik beeindruckte seine Mitbürger. Und an Überraschungen fehlte es bei ihm nie.
Im Jahr 2000 gab er den Parteivorsitz vorübergehend ab, um sich wieder ein paar Jahre in Westminster zu tummeln und sich unter anderem gegen Tony Blairs Irak-Krieg in die britische Friedensbewegung einzureihen. Vier Jahre später kehrte er nach Edinburgh zurück, wo die SNP, nun wieder unter seiner Führung, 2007 erstmals stärkste Partei wurde im schottischen Parlament.
Von da an war Salmond sieben Jahre lang Regierungschef Schottlands, zunächst als Chef einer Minderheitsregierung, von 2011 an mit klarer Mehrheit, mit einem Mandat für weiteren Wandel. Aber 2014 war der Unabhängigkeitstraum auch schon ausgeträumt. Und mit seiner Nachfolgerin Nicola Sturgeon, die zuvor seine Stellvertreterin und engste Mitstreiterin gewesen war, überwarf er sich bald darauf.

2017 verlor er seinen Unterhaussitz und fand sich «abgemeldet». Seine Mitarbeit beim russischen Sender RT (früher Russia Today) trug ihm zornige Reaktionen ein. Vor allem aber geriet er ins Trudeln, als 2018 bekannt wurde, dass die Polizei wegen sexueller Vergehen aus seiner Zeit als Regierungschef gegen ihn ermittelte.
Im Zorn trat er aus der SNP aus
Nach einem bitteren Rechtsstreit mit Sturgeon und der schottischen Regierung in dieser Frage, den er gewann, wurde er 2020 auch von einem Strafgericht in einem sensationellen Urteil in allen Anklagepunkten freigesprochen, wiewohl Zweifel an seinem früheren Verhalten nicht verstummt sind seither.
Zu diesem Zeitpunkt war Salmond schon im Zorn aus der SNP ausgetreten. Seine Hoffnung, mit der 2021 gegründeten Splitterpartei Alba eine neue Rivalin zur SNP aufbauen und noch einmal Einfluss ausüben zu können, erfüllte sich allerdings nicht.
Unbeirrt drängte Alex Salmond in letzter Zeit noch darauf, dass Schottland mit allen Mitteln ein zweites Unabhängigkeitsreferendum erkämpfen müsse. Ob es dazu noch kommt in den nächsten Jahren, wird er nicht mehr erleben. Von Skandalen und inneren Streitigkeiten heimgesucht, sehen Schottlands Nationalisten neuerdings ihre eigene politische Basis rapide schwinden. Der Wunsch nach Unabhängigkeit im Lande ist aber, allen Umfragen zufolge, noch so stark wie zu Salmonds Zeit.
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