Sicherheitsgefühl in ZürichStadtpolizei patrouilliert künftig in gelben Westen und häufiger auf Velos
Die Zürcherinnen und Zürcher fühlen sich sicher, aber nicht überall. Vor allem die Drogenszene beschäftigt sie. Trotz personeller Engpässe will die Stadtpolizei mehr Präsenz zeigen.
- Eine Umfrage zeigt, dass Bewohner nachts die Langstrasse wegen Sicherheitsbedenken meiden.
- Das Unsicherheitsgefühl wird vor allem durch Drogenkriminalität beeinflusst.
- Ein Drittel der Bevölkerung wünscht sich mehr Fahrrad- und Fusspatrouillen.
- Trotz Personalnot sollen für die Stadtpolizei gleich viele Stellen wie zuletzt beantragt werden.
Der Messerangriff auf einen orthodoxen Juden im März und die mit einer Stichwaffe attackierten Kita-Kinder Anfang Oktober in Oerlikon haben viele Zürcherinnen und Zürcher beunruhigt.
Zwischen diesen beiden Vorfällen hat das Forschungsinstitut Demoscope im Auftrag der Stadtpolizei Zürich (Stapo) 3500 Einwohnerinnen und Einwohner nach ihrem Sicherheitsbefinden befragt. Die wichtigsten Ergebnisse:
Bevölkerung fühlt sich sicher, aber nicht überall
Für jeden zehnten Befragten ist die Stadt Zürich in den vergangenen fünf Jahren sicherer geworden, für 27 Prozent jedoch unsicherer. Das sind deutlich mehr als bei den beiden vergangenen Befragungen. 99 Prozent der Zürcherinnen und Zürcher fühlen sich in ihrer Stadt tagsüber jedoch sicher.
In der Nacht ist das vor allem bei Frauen und Jugendlichen weniger stark ausgeprägt. Fast jede fünfte befragte Person gab an, nachts die Langstrasse aus Sicherheitsgründen zu meiden. Weitere Orte, die in Zürich nachts teilweise gemieden werden, sind dunkle Strassen, Bahnhöfe, der Kreis 4 und Parkanlagen.
Drogenszene beeinträchtigt Sicherheitsempfinden
Betrunkene oder «Junkies» werden von 37 Prozent der Befragten als Grund für ihre Unsicherheit an den gemiedenen Orten genannt. Das sind deutlich mehr als bei den letzten beiden Befragungen. «Die Drogenkriminalität und die Gewaltbereitschaft haben nach dem Empfinden der Befragten an diesen Orten zugenommen», erklärte Deborah Kalte, Projektleiterin bei Demoscope, am Montag vor den Medien.
Die Schliessung der städtischen Kontakt- und Anlaufstelle (K&A) für Drogenkonsumierende auf dem Kasernenareal im Oktober 2022 hatte zu einer stärkeren Sichtbarkeit von Suchtkranken in der Stadt geführt. In der Bäckeranlage entstand eine neue offene Drogenszene. Erst als im November 2023 eine neue K&A auf dem Kasernenareal eröffnet wurde, besserte sich die Situation. «Wir bereiten uns auch auf künftige Entwicklungen in der Drogenproblematik vor», sagte Stapo-Kommandant Beat Oppliger. Als Beispiel nannte er synthetische Betäubungsmittel. Dazu gehört auch das künstliche Opioid Fentanyl, das den USA kürzlich eine tödliche Drogenwelle bescherte.
Mit gelben Westen und Velopatrouillen sichtbarer
Ein knappes Drittel der Zürcherinnen und Zürcher wünscht sich mehr Präsenz von Fuss- und Velopatrouillen der Polizei. Daher wird die Stadtpolizei ab 2025 etappenweise mit neongelben Westen ausgerüstet. «Die Bevölkerung soll unsere Mitarbeitenden von weitem sehen», sagte Oppliger. Zudem werden künftig alle Polizistinnen und Polizisten für Veloeinsätze geschult, wodurch es in rund zwei Jahren mehr Bikepatrouillen geben soll.
Das Vertrauen in die Stadtpolizei ist hoch
Beim Vertrauen erreicht die Stadtpolizei 8,25 von 10 möglichen Punkten. Die Mitarbeitenden werden von mehr als drei Vierteln der Befragten als «hilfsbereit, ansprechbar und vertrauenswürdig» wahrgenommen. Eine Minderheit sieht aber auch stures, einschüchterndes und arrogantes Verhalten. «Am kritischsten sind die jüngeren Befragten im Alter von 15 bis 34», sagte Michael Buess, Projektleiter von Demoscope.
Mehr als ein Drittel der Befragten vermutet, dass die Stadtpolizei nicht alle Menschen gleich behandelt. Vor allem Dunkelhäutige, Ausländer und Asylsuchende würden demnach schlechter behandelt. Dabei habe das Thema Racial Profiling einen hohen Stellenwert in der Ausbildung mit Menschenrechten und Ethik, sagte Oppliger. «Wir legen schon im Auswahlverfahren Wert darauf, dass Aspiranten keine extremistische Einstellung haben.»
Hohe Polizeipräsenz trotz Personalnot
Für jeden vierten Befragten hat die sichtbare Polizeipräsenz zugenommen, nur für vier Prozent hat sie abgenommen. «Trotz der knappen Personalressourcen ist es der Stadtpolizei gelungen, die intensive Präsenz im öffentlichen Raum zu halten und der Bevölkerung ein gutes Sicherheitsgefühl zu vermitteln», so der Kommandant.
Dies habe allerdings seinen Preis: Die Regionalwachen Aussersihl und Industrie wurden zusammengelegt und die Öffnungszeiten auf den Wachen verkürzt. «Dies ist ein klarer Abbau der Dienstleistung. Wir sind an einem Punkt, wo wir nicht mehr alles wie früher machen können», sagte Oppliger. Er räumte ein, dass «weniger brisante Fälle» je nach Auslastung verzögert behandelt würden. So rücke die Polizei bei Lärmklagen nicht immer sofort aus. Vor allem an Wochenenden und in der Nacht müsse priorisiert werden. «Wir brauchen zusätzliche Leute und müssen die Lücken füllen», sagte Oppliger. Bei der Sicherheitspolizei seien derzeit rund 30 Stellen unbesetzt.
Auch Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) sieht eine «hohe Belastung» bei der Stadtpolizei. Deshalb beantragt der Stadtrat beim Gemeinderat 17 zusätzliche Stellen für die Sicherheitspolizei. «Nur so gelingt es langfristig, mit dem Bevölkerungswachstum und den steigenden Konflikten im öffentlichen Raum Schritt zu halten», so Rykart.
Doch der Gemeinderat hatte in den vergangenen Jahren nur einen Teil der beantragten Stellen genehmigt, und 60 budgetierte Stellen waren unbesetzt geblieben. Daher stellt sich die Frage, ob die beantragten 17 Stellen angesichts der personellen Engpässe und der hohen Belastungen bei der Stadtpolizei ausreichen. Die Sicherheitsvorsteherin verwies auf den Stellenantrag der Stadtpolizei aus dem Jahr 2021. Er sieht 152 neue Stellen bis 2030 vor, jedes Jahr 17. Die Hoffnung sei, dass der Gemeinderat die beantragten Stellen in der Budgetdebatte im Dezember bewillige.
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