Messerattacke in ZürichAngriff auf orthodoxen Juden – Polizei schützt Synagogen
Am späten Samstagabend hat im Zürcher Kreis 2 ein 15-Jähriger einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe angegriffen. Die Polizei hat die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Gebäuden erhöht.

Unmittelbar vor den grossen Schaufenstern einer gut besuchten Bar im Stadtzentrum von Zürich hat ein Jugendlicher am Samstagabend einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe lebensbedrohlich verletzt. «Die Gäste haben den Vorfall nicht sofort bemerkt, da die Rollläden unten waren», sagt ein Mitarbeiter wenige Stunden nach der Tat. Ein Gast, der am Fenster sass und den Angriff beobachtete, hat die Einsatzkräfte verständigt.
Erst als ein Grossaufgebot der Polizei eingetroffen sei und den 15-jährigen Schweizer festgenommen habe, sei den Gästen bewusst geworden, welches Drama sich vor der Bar abgespielt habe. «Überall war Blut, es war schrecklich», sagt der Mitarbeiter.
2001 wurde ein Rabbiner in Zürich getötet
Der schwer verletzte 50-jährige Mann musste laut einem Nachbarn im Spital notoperiert werden und befindet sich nun in künstlichem Tiefschlaf. «Wir sind alle schockiert, es ist sehr traurig», sagt der Nachbar im Gespräch mit dieser Redaktion. Eine Stunde vor der Tat sei er noch genau an der Stelle vorbeigegangen, wo später sein Nachbar lebensgefährlich verletzt worden sei. «Für uns Juden ist das schwierig. Es ist das erste Mal, dass in Zürich so etwas passiert.»
Doch ein Blick zurück zeigt, dass bereits im Jahr 2001 der israelische Rabbiner Abraham Grünbaum mitten in Zürich erschossen wurde. Der 70-Jährige war zu Fuss in die Synagoge unterwegs – 450 Meter vom heutigen Tatort entfernt. Das Verbrechen erregte weltweit Aufsehen. Auch hier stand ein rassistisches Motiv im Vordergrund, doch der Fall blieb ungeklärt.

Ein weiterer Mann mit Kippa ist mit seiner kleinen Tochter unweit des Tatorts zu Fuss unterwegs. Auch er ist sehr betroffen: «Das ist verrückt, schockierend», sagt er über den Angriff. In Israel würden solche Attacken oft passieren, doch die Schweiz sei bisher sicher gewesen. «Wir haben Polizeischutz bei unseren Veranstaltungen, aber ich weiss nicht, ob man Terroristen stoppen kann.»
Laut «20 Minuten» hat der Verdächtige vor der Tat gemäss Zeugenaussagen «Tod aller Juden» und «Allahu Akbar» gerufen. Die Polizei teilte mit, sie ermittle explizit auch zu einem möglichen antisemitisch motivierten Verbrechen.
Polizei schützt Zürcher Synagogen
Nach dem Angriff am Samstagabend hat das Kommando der Stadtpolizei Zürich nach Rücksprache mit den verschiedenen jüdischen Institutionen in der Stadt Zürich die Sicherheitsmassnahmen verstärkt, wie sie am Sonntagmittag mitteilte. Vor den Synagogen in der Löwenstrasse und der Freigutstrasse sind Einsatzwagen und Polizeibeamte postiert, teilweise mit Maschinengewehr. Die Stadtpolizei wird dabei auch von der Kantonspolizei Zürich unterstützt.

Die Hintergründe und der Tathergang waren zum Zeitpunkt der Mitteilung unklar. Der Angriff habe sich im Zürcher Kreis 2 ereignet. Um 21.35 Uhr sei bei der Einsatzzentrale der Stadtpolizei die Meldung über einen Streit unter mehreren Personen eingegangen. Die Kantonspolizei Zürich und die zuständige Jugendanwaltschaft haben nun die Ermittlungen übernommen.
SIG ist «zutiefst erschüttert»
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hat am Sonntag in einer Mitteilung den Angriff verurteilt:
«Der SIG ist zutiefst erschüttert, dass ein Gemeindemitglied Opfer einer solchen Attacke wurde. Physische Übergriffe in der Schweiz auf jüdische Menschen sind sehr selten. Von derartigen lebensbedrohlichen Attacken wurde die jüdische Gemeinschaft in den letzten zwei Jahrzehnten verschont. Seit dem 7. Oktober musste aber eine deutliche Zunahme solcher physischen Übergriffe registriert werden. Der SIG ist in Gedanken beim Opfer und seinen Angehörigen. Wir beten für eine vollständige und baldige Genesung.»
Der SIG habe die Sicherheitsorganisationen der jüdischen Gemeinschaft in Zürich wie auch schweizweit umgehend informiert. Trotzdem werden alle Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft bis auf weiteres zu einem vorsichtigen und besonnenen Verhalten aufgerufen.
In diversen israelischen Medien wird über den Fall berichtet:
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Antisemitismus nimmt zu
Antisemitismusvorfälle haben sich in der Schweiz seit dem Angriff der Hamas in Israel im Oktober 2023 und dem Krieg in Nahost gehäuft. Kürzlich veröffentlichte die Westschweizer Fachstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (Cicad) Zahlen, wonach antisemitisch motivierte Vorfälle in der Westschweiz 2023 um 68 Prozent zugenommen haben. Fast die Hälfte davon ereignete sich nach dem 7. Oktober.
Der Bundesrat hat Anfang Februar angekündigt, er werde gemeinsam mit den Kantonen eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Rassismus und Antisemitismus ausarbeiten. Geprüft werden soll auch, ob neu ein Beauftragter für Rassismus- und Antisemitismusbekämpfung eingesetzt werden soll.
Mit Material der Nachrichtenagentur Keystone-SDA
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