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Zürcher Anti-Chaoten-Gesetz
Neuer «Störer-Paragraf» trifft bereits auf Widerstand

Am Wochenende fand in Zürich eine Demonstration mit Tausenden Personen statt. Der Regierungsrat will im Gesetz verankern, dass Polizeieinsätze an Demonstrationen, die aufgrund ihrer Grösse den Grundauftrag sprengen, verrechnet werden. (Archivbild)
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Sicherheitsdirektor Mario Fehr hatte alle Beteiligten überrascht: Gut drei Wochen vor der Abstimmung am vergangenen 3. März präsentierte er einen Umsetzungsvorschlag. Und dies, obwohl noch nicht über die «Anti-Chaoten-Initiative» und deren Gegenvorschlag entschieden war.

Beide Vorschläge waren als allgemeine Anregungen gehalten, es obsiegte mit knapp 64 Prozent der Stimmen der Gegenvorschlag von Regierungs- und Kantonsrat. Die schärfere Initiative der Jungen SVP holte kantonsweit nur rund 41 Prozent der Stimmen.

Jetzt hat der Zürcher Gesamtregierungsrat Fehrs Vorschlag von damals abgesegnet, wie am Donnerstag bekannt wurde.

Die Bewilligungspflicht…

Das Zürcher Polizeigesetz soll an zwei Stellen verändert beziehungsweise verschärft werden.

Erstens müssen Demonstrationen und ähnliche Veranstaltungen zwingend vorgängig von der betroffenen Gemeinde bewilligt werden.

Damit übersteuert der Kanton die Stadt Zürich, in der die meisten Demos stattfinden. Das Stadtparlament wollte die schon zuvor geltende Bewilligungspflicht ganz aufheben, worauf der Stadtrat als Kompromisslösung vorschlug, die Pflicht für Veranstaltungen mit weniger als 100 Personen zu streichen. Diese Kundgebungen müssten nur noch gemeldet werden.

…und Kostenpflicht

Die zweite Gesetzesänderung betrifft Demos, die gewalttätig werden. Wenn eine Person oder eine Gruppe mit ihrem Verhalten «vorsätzlich» einen ausserordentlichen Polizeieinsatz verursacht, muss die Polizei in der Folge die anfallenden Zusatzkosten verrechnen – wenn sie die Verantwortlichen dingfest machen kann.

Die Kosten für diese vom Regierungsrat «Störer» genannten Personen müssen verhältnismässig berechnet sein. Im Gesetz soll stehen, dass die Kosten den Verursachern «anteilmässig nach Massgabe ihres bzw. seines konkreten Beitrags» auferlegt werden, also gemäss deren Verantwortlichkeit. Der Vorschlag berücksichtige, dass die Polizei auch einen Grundauftrag zu erfüllen habe und die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit geschützt werden müsse, schreibt die Regierung in einer Mitteilung.

Was bedeutet «Grösse»?

Sprengen Demos «aufgrund ihrer Grösse oder ihres Gewaltpotenzials» den Grundauftrag, sind die Kosten den Verursachern aufzuerlegen. Wie Grösse und Potenzial definiert werden, bleibt aber unklar.

Die Regierung hält fest, dass die mögliche Kostenauferlegung «keinen Abschreckungseffekt in Bezug auf die Ausübung der Grundrechte» haben dürfe. Die Befürchtung, dass Demos künftig im Keim erstickt würden, hatte die Gegnerschaft von Initiative und Gegenvorschlag im Abstimmungskampf formuliert.

Kein Kostendeckel

Bemerkenswert ist, dass die Regierung auf eine Kostenobergrenze verzichtet. Bereits Sicherheitsdirektor Fehr hatte in seinem Vorschlag keinen Kostendeckel aufgeführt. Zum Vergleich: Bern und Luzern haben in ihren Bestimmungen definiert, dass niemand mehr als 30’000 Franken zahlen muss. In Zürich könnte die Rechnung also höher ausfallen.

Nun ist der Kantonsrat am Zug. Die Linke hatte angekündigt, die Umsetzung kritisch zu begleiten. Die Grünen haben nun bereits auf Fehrs Vorschlag reagiert. Sie kritisieren, dass sich dieser zu nah an die Initiative anlehne. Deshalb sind sie dagegen.

Grüne: «Drohung mit horrenden Kostenfolgen»

Die Grünen bezweifeln insbesondere, dass der Vorschlag grundrechtskonform sei, da eine Bewilligungspflicht für Demos eingeführt werde. Spontane Solidaritätskundgebungen wie zum Beispiel bei einem Kriegsbeginn wären nur noch widerrechtlich möglich, schreiben die Grünen.

Zudem würden «neue unbestimmte Rechtsbegriffe» eingeführt, die Verwirrung stifteten. So sei unklar, ab welchem Zeitpunkt der «Grundauftrag der Polizei überschritten» sei. Das fördere Willkür und gefährde das Recht auf freie Meinungsäusserung. Ausserdem kritisieren die Grünen die abschreckende Wirkung «durch Drohung mit horrenden Kostenfolgen».

Kommt der Vorschlag der Regierung im Parlament durch, könnte das Referendum ergriffen werden. Als weitere Option hatte die grüne Kantonsrätin Silvia Rigoni am Abstimmungstag auch den Gang vor die Gerichte erwähnt. Diese müssten überprüfen, ob die neuen Gesetzesparagrafen die Grundrechte einhalten. Ob es zu einem Referendum oder einem Rekurs kommt, ist noch unklar.