Erlaubt bis 100 PersonenZürcher Stadtrat will Bewilligungspraxis für Demos lockern
Die Stadt Zürich will ein neues Regime bei Demonstrationen: Künftig soll für bis zu 100 Personen keine Bewilligung mehr eingeholt werden müssen. Die Critical Mass freuts – das Parlament hatte weitreichendere Lockerungen gewünscht.
Die Stadt Zürich will ihre Bewilligungspolitik für Demonstrationen lockern: Künftig soll für Demonstrationen bis zu 100 Personen keine Bewilligung mehr eingeholt werden. Solche Anlässe sollen lediglich noch bei der Stadt gemeldet werden müssen. Entscheiden wird der Gemeinderat.
Wie man heute mit wenigen Klicks online einen Tisch im Restaurant reserviere, solle künftig ohne grossen Aufwand und ohne Begründung eine Demonstration gemeldet werden können, teilte der Stadtrat am Mittwoch mit.
Entfallen sollen auch jegliche Gebühren für Demonstrationen, egal, ob sie nur gemeldet oder bewilligt werden müssen. Die generelle Abschaffung der Gebühren begründet der Stadtrat damit, dass er keine Ungleichheit schaffen wolle.
Parlament wollte generelle Meldepflicht
Das Meldeverfahren hatte das Stadtparlament vor zwei Jahren per Motion gefordert. Wie der Vorschlag des Stadtrats dort ankommt, wird sich zeigen. Der Gemeinderat hatte eine generelle Abschaffung der Bewilligungspflicht für Demonstrationen gefordert – unabhängig von der Teilnehmerzahl.
Dieser Punkt stört die Stadtzücher Grünen: Sie begrüssen zwar, dass mit der neuen Regelung «Dutzende von kleineren Kundgebungen vom polemischen Stempel einer unbewilligten Demonstration befreit werden».
Mit der aktuellen Vorlage gehe der Stadtrat aber einen entscheidenden Schritt zu wenig weit, teilen sie mit. Die entsprechende Motion werde damit nicht umgesetzt. «Kleinkundgebungen und -demonstrationen sind nicht der politische Zankapfel bei der Erteilung von Bewilligungen». Ein generelles Meldeverfahren würde den Behörden die Möglichkeit geben, einen pragmatischeren und verhältnismässigeren Umgang mit heute «nicht bewilligten» Demonstrationen zu finden. Auch könnten damit Personal- und kostenintensive Einsätze auf ein vertretbares Mass reduziert werden.
Critical Mass zeigt sich erfreut
Der Stadtrat hält dagegen, dass grosse Kundgebungen und Demonstrationen Drittpersonen teilweise stark einschränkten. Die Behörden müssten dafür sorgen, dass die öffentliche Sicherheit gewährleistet sei und der Verkehr umgeleitet werde.
Im Bewilligungsverfahren könne dies organisiert und koordiniert werden, heisst es weiter. Für grosse Demos bedeute eine Bewilligung auch die Zusicherung, dass sie am vereinbarten Ort und im abgemachten Rahmen durchgeführt werden könnten.
Exponenten der Critical Mass freuen sich offenbar über die Lockerung, wie «20 Minuten» schreibt. Auf ihren Telegram-Kanälen zeigen sich die Velo-Aktivisten positiv überrascht: «Das sind mal Top News. Dann melden wir ab sofort jeden letzten Freitag im Monat 100 Velofahrten à je 99 Personen an und schauen, dass wir uns nicht zu einer noch grösseren Gruppe vereinen», schreibt eine Person. «Ich hoffe mal, die Rechten in Zürich feiern das, ist es doch der Bürokratieabbau, der immer gefordert wird», findet eine andere.
Bei der SVP stösst die Lockerung auf Ablehnung: Sie stelle ein Sicherheitsrisiko dar und entziehe der Stadtpolizei jeglichen Handlungsspielraum, schreibt die Stadtpartei in einer Mitteilung. «Die Stadtpolizei wird zum reinen Zuschauer degradiert. Dabei ist es entscheidend, dass sie Einfluss auf den Demonstrationsablauf nehmen kann», lässt sich Vizepräsident Stephan Iten zitieren.
Unverständlich sei auch, dass der Stadtrat die Abstimmung vom 03. März über die «Anti-Chaoten-Initiative» der SVP nicht abwarte. Diese fordert unter anderem eine kantonale Bewilligungspflicht. Bei einer Annahme würde diese auch für die Stadt Zürich gelten.
SDA/lop
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