US-Firmen beenden DiversitätsprogrammeWird es für Frauen auch in der Schweizer Wirtschaft wieder schwieriger?
Firmen wie Google und Meta fahren Förderprogramme für Frauen und Minderheiten zurück. Und bei uns? Wir haben bei Schweizer Unternehmen nachgefragt – die Antworten erstaunen.

- Mark Zuckerberg kritisiert übermässige Feminisierung und fordert mehr männliche Energie.
- Firmen wie Google und Amazon streichen nach Trumps Dekret DEI-Programme.
- Studien zeigen, dass diverse Teams bei neuen Aufgaben besser abschneiden.
- Davon sind auch Schweizer Unternehmen überzeugt.
Seit Donald Trump ins Präsidentenamt zurückgekehrt ist, hat er seiner Administration per Dekret jede Minderheiten- und Frauenförderung verboten. Sogar im privaten Sektor will er, soweit möglich, jede Art von Diversitätsbemühung im Keim ersticken; und bereits haben etliche Firmen deshalb ihre DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) beendet. So hat Google just die DEI-Anstellungsziele abgeschafft, auch Boeing, Ford, Amazon, Harley-Davidson und McDonald’s beerdigten ihre Programme, und Mark Zuckerbergs Meta sowieso.
Zuckerberg unterstrich neulich in einem berühmt-berüchtigten Gespräch, die Feminisierung der Firmen sei zu weit gegangen, man habe die Unternehmenskultur «kastriert». Die «Aggression» solle dort wieder mehr gefeiert werden.
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Damit widerspricht er Erkenntnissen wie etwa jenen von McKinsey (2020), laut denen Unternehmen mit hoher Gender-Diversität eine um 25 Prozent grössere Wahrscheinlichkeit haben, überdurchschnittlich profitabel zu sein; bei ethnischer Diversität ist sie gar um 36 Prozent höher.
Allerdings gibts einen Haken, wie der Berliner Management-Professor Stefan Razinskas 2023 belegte: Unter Zeitdruck performen homogene Teams besser als gemischte. Razinskas empfiehlt den Führungskräften hier gut strukturierte Aufgabenverteilung, dann könne man trotzdem vom Plus der Diversität profitieren.
Auch Birgit Werkmann-Karcher, Dozentin am Zentrum für Human Resources & Corporate Learning an der ZHAW, konstatiert beim Vergleich vieler Studien zum Thema, Genderdurchmischung habe nachweislich leicht positive Effekte. Doch nur dann, wenn die Firma Diversität gegenüber freundlich eingestellt sei.

Generell gelte: «Bei Routineaufgaben sind homogene Teams mitunter besser, weil da Verschiedenheit nicht zur Problemlösung benötigt wird. Aber bei neuartigen Aufgaben sind diverse Teams etwas besser. Nicht automatisch, sondern vor allem dann, wenn man ihnen gerade in der Anfangsphase der Zusammenarbeit Zeit gibt. Sie müssen ihre Unterschiedlichkeit nutzen lernen, in einer Kultur der Offenheit und des Respekts», sagt Birgit Werkmann-Karcher.
In Unternehmen, die «männliche Energie» zelebrierten, könne es für Frauen dagegen schwierig sein. Immerhin nehme derzeit der Anteil der Frauen im Management in der Schweiz laut Statistik ein bisschen zu; vorneweg sei man hierzulande freilich nicht.
Wie sehen es Schweizer Arbeitgebende? Wir haben bei den SBB, dem Finanzdienstleister SIX und beim Bund nachgefragt. Seco-Geschäftsleitungsmitglied Andrea Rauber Saxer gab uns aus ihrer persönlichen Perspektive als Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin Auskunft.
SBB fokussieren auf Frauenförderung
Die SBB stellen ihr DEI-Programm auf ihrer Website vor. Auf Anfrage hält die Medienstelle fest: «Die SBB legen seit Jahren grossen Wert auf einen respektvollen Umgang mit Minderheiten und Chancengleichheit, beispielsweise durch Lohngleichheit, flexible Arbeitszeiten oder Koleitungen.» Dies sei in den SBB-Werten verankert. Den Fokus lege man auf die Frauenförderung und die Förderung der Sprachregionen.
«Mit dieser Strategie setzen die SBB die Ziele des Bundes um. Unser Frauenanteil liegt fast bei 20 Prozent, sowohl im ganzen Personalkörper wie auch in der Führung.» Man sei überzeugt, dass man die Bedürfnisse der Kunden noch besser verstehe, wenn deren Vielfalt sich auch im Unternehmen abbilde.
SIX Group hält an «nicht reibungsfreier» Vielfalt fest
Die SIX Group verstehe die Förderung von Vielfalt als «zentralen Bestandteil der Personalstrategie», sagt Mediensprecher Stephan Meier. Die Teams müssten den Markt widerspiegeln, nicht nur in Bezug auf Geschlecht, sondern auch hinsichtlich des Alters und des kulturellen Hintergrunds. Berater und Universitäten unterstützten SIX dabei. In der Geschäftsleitung sind auch drei Frauen; man wolle auf allen Stufen die Vielfalt erhöhen.
Bezüglich der Entwicklung in den USA kommentiert Meier: «Für uns ist nicht entscheidend, was andere Unternehmen in dieser Hinsicht denken oder tun. Wir sind überzeugt, dass Vielfalt einen grossen Beitrag bei der Umsetzung unserer Unternehmensstrategie leistet und damit zum Erfolg beiträgt.»
Dass mit der Vielfalt nicht immer ganz einfach umzugehen sei, spreche nicht gegen sie, sagt Meier. «Vielfältige Teams sind nicht unbedingt die reibungsfreisten Teams. Doch sind Konstellationen, in denen unterschiedliche Perspektiven an einem gemeinsamen Ziel arbeiten, förderlich für Innovation und Leistung. Bei SIX bemühen wir uns, den Rahmen dafür zu schaffen.»
Ein Exempel aus der Bundesverwaltung: «Auch die Einstellung der Frau spielt eine Rolle»
Im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), einer typischen Männerdomäne, gehören der erweiterten Geschäftsleitung 16 Mitglieder an, 5 davon sind Frauen, also nicht mal ein Drittel. Dazu gehört Andrea Rauber Saxer, seit einem Jahr Leiterin des Leistungsbereichs Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen und Delegierte des Bundesrats für Handelsverträge.
Die studierte Juristin mit Jahrgang 1968 trat 1996 in die Bundesverwaltung ein, nachdem sie als Gerichtsschreiberin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag gewirkt hatte. Sie hat in ihrer Karriere verschiedenste grössere und kleinere Teams geleitet. Von 2016 bis 2020 war sie Schweizer Botschafterin in Bosnien-Herzegowina, von 2011 bis 2016 stellvertretende Missionschefin bei der schweizerischen Mission bei der OSZE in Wien.
«Schon bei den Pfadfinderinnen übernahm ich gern Führungsaufgaben, und im Studium war mein Ziel bald die diplomatische Karriere», erzählt sie. Dass dies für eine Frau, die auch Familie wollte, nicht die einfachste Wahl war, wusste Rauber Saxer. Trotzdem entschied sie sich dafür, gerade weil sie so unterschiedliche Kulturen erleben konnte.
«Ich glaube, dass auch unsere drei Kinder sehr profitiert haben. Sie waren als Kleinkinder vier Jahre in Wien und später in Bosnien-Herzegowina vier Jahre an der internationalen Schule. Zwischendurch waren wir kurz in der Schweiz.» Ihr Mann ist in der Privatwirtschaft und pendelte an den Wochenenden nach Sarajevo.

Gestützt auf die eigenen Erfahrungen, erwartet Andrea Rauber Saxer im Berufsleben Inklusionsbemühungen gegenüber Frauen und Verständnis – wie sie es selbst erlebt hat. «Beispielsweise konnte ich zwischendurch auch mal tagsüber bei den Kindern sein.»
Einmal hatte sie frei, als unverhofft der damalige Staatssekretär nach Wien kam und eine Frage zur OSZE hatte. «Ich war als Einzige verfügbar, da hat man mich angerufen, ob ich nicht kurz kommen könne. Ich sagte: ‹Ja, wenn ich meine jüngeren Buben mitbringen kann.› Das habe ich dann gemacht, und der eine liess sich auch dazu überreden, bei einer Assistentin eine Stunde im Büro zu verbringen; der andere wollte das auf keinen Fall. Da habe ich ihn halt in die Sitzung mitgenommen. Das war voll in Ordnung», sagt Rauber Saxer.
Sie glaubt aber auch, dass die Einstellung und Courage einer Frau eine wichtige Rolle spielt, nicht nur die Bemühungen der Arbeitgebenden. Sie selbst sei immer jemand gewesen, der etwas ausprobiere, auch wenn es schwierig aussehe. «Vielleicht machen das nicht alle Frauen. Viele verfahren möglicherweise umgekehrt, dass sie sich zuerst tausend Fragen stellen, und bevor nicht die letzte Frage geklärt ist, nehmen sie den Job nicht oder bewerben sich gar nicht erst. Auch bei Führungspositionen.»
Ein Mann hingegen frage sich meist nicht, ober er es überhaupt könne. «Diesen Geschlechterunterschied bemerke ich oft, wenn ich Leute einstelle», stellt Rauber Saxer fest. Deshalb: «Gemischte Teams entstehen nicht automatisch. Man muss sich schon auch als Arbeitgeber bemühen.»
Gemischte, diverse Teams halte man in der ganzen Bundesverwaltung und auf allen Ebenen für essenziell, schliesslich wolle man die gesamte Bevölkerung repräsentieren. Diese subkutane Forderung sei sehr hilfreich als Anstoss. Rauber Saxer sagt, sie habe selber von Mentorinnen und Förderern profitiert und versuche, das weiterzugeben. Die Schweizerinnen und Schweizer seien eher konservativ, da müsse man manchmal nachhelfen, etwa mit Stellenausschreibungen, die auch Soft Skills wie Empathie im Anforderungsprofil erwähnten.
«Ist man 10, 20 Jahre im selben Team, kann man in eine Falle geraten»
Was ist mit den viel zitierten Reibungsverlusten in gemischten, diversen Teams? Das sei von vornherein nicht die richtige Fragestellung, urteilt Rauber Saxer. «Erstens gehts nicht darum, unbedingt Konflikte zu vermeiden. Manchmal muss man sich ein bisschen reiben, um weiterzukommen», betont sie. Zweitens sei es extrem fruchtbar, verschiedene Standpunkte in einem Team zu haben – nicht nur geschlechtermässig, auch sprachlich. «Hat man etwa eine reine Deutschschweizer Bubble, läuft man Gefahr, bestimmte Dinge und Routinen nicht mehr infrage zu stellen. Das mag für basale Vorgänge ein Vorteil sein, für kreative Weiterentwicklungen und Fortschritte im Team in einer komplexen Lage aber keineswegs.»
Im immer gleichen Trott festzustecken, ist für die Ex-Botschafterin, die sich stets neu in fremden Kulturen und Teams zurechtfinden musste, eine Manager-Todsünde. «Ist man 10, 20 Jahre im selben Team, kann man in eine Falle geraten, egal, ob es gemischt ist oder rein männlich beziehungsweise weiblich.» Zuckerbergs Panik über den vermeintlichen Verlust maskuliner Aggression in der Berufswelt kann Andrea Rauber Saxer dagegen nicht nachvollziehen; allerdings, so die Diplomatin, verhalte es sich im US-Kontext womöglich anders.
Prinzipiell betrachtet die weit gereiste Frau Geschlechterstereotype aber als zu simplistisch. Je weiter nach Asien man gehe, desto vorsichtiger und indirekter werde beispielsweise kommuniziert, auch unter Männern. In Bosnien-Herzegowina wiederum habe sie sich an einen sehr direkten Ton gewöhnen müssen. Schweizer seien eher so mittelgradig forsch – weniger als die Deutschen, mehr als die Inder.
Dass man vielleicht einmal nicht genau den richtigen Ton treffe, sei kein Weltuntergang – über Jahre in einer gleichen falschen Vorstellung zu verharren, ohne herausgefordert zu werden, hingegen schon.
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