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Best of Elternfrage: Pro und Contra
Wir ernähren unser Kind vegan – ein Fehler?

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Unsere Bloggerinnen und Blogger sind in den Ferien. Daher publizieren wir heute diesen Beitrag vom 11. Juni 2021, der besonders viel zu reden gab.

Vegane Ernährung braucht viel Know-how: Um Defizite zu vermeiden, sollten sich Eltern umfassend informieren.

Liebes Mamablog-Team, mein Mann und ich leben seit mehreren Jahren vegan. Von daher lag es für uns auf der Hand, dass wir unseren Zweijährigen ebenfalls ohne tierische Produkte ernähren möchten. Mit dieser Haltung stossen wir allerdings immer mehr an Grenzen: In der Kita wurde uns kürzlich mitgeteilt, dass sie nicht mehr gewillt sind, «speziell» für unseren Sohn zu kochen und wir das Mittagessen künftig mitliefern sollen. Befreundete Eltern geben uns zu verstehen, dass wir unserem Kind ernährungstechnisch nichts Gutes tun und mit Entwicklungsrückständen rechnen müssen. Auch die Schwiegereltern nutzen jede Gelegenheit, um ihre Missachtung kundzutun. Es war nie unsere Absicht, unseren Sohn zum Aussenseiter zu machen, nur weil wir als Eltern eine klare Vorstellung von unserer Ernährung haben. Machen wir einen Fehler? Leserfrage von Brenda (33) aus Bern.

Liebe Brenda, danke für Ihre Frage.

Essen war schon immer mehr als nur die Aufnahme von Nährstoffen. Kulturgeschichtlich hatten gemeinsame Mahlzeiten von jeher eine grosse Bedeutung und sie sind in verschiedenen Gesellschaften und Religionen mit einer Vielzahl von Traditionen, Vorschriften und Regeln verbunden. In unserer säkularisierten und von Überfluss geprägten Welt, rücken Traditionen und religiöse Vorgaben mehr und mehr in den Hintergrund. Wir treffen heute rationale oder vermeintlich rationale Entscheidungen hinsichtlich unserer Ernährung. Es gibt eine Vielzahl guter Gründe, auf Fleisch zu verzichten. Doch wie Sie schreiben, stossen Sie mit der von Ihnen gewählten Ernährungsform zunehmend auf Ablehnung, was offenbar ein ungutes Gefühl hervorruft und Zweifel aufkommen lässt.

Nun könnte man sagen, dass es allein ihre private Entscheidung sei, sich für eine spezifische Ernährungsform zu entscheiden. In Ihrem Fall entscheiden Sie jedoch nicht nur für sich selbst, sondern auch für Ihren Sohn mit. Und an dieser Stelle zitieren wir Immanuel Kant: «Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt». Sie haben also nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für ein Kind, das sich im Entwicklungsprozess befindet.

In der Menschheitsgeschichte gab es bisher nie eine Kultur, welche vollständig auf tierische Produkte in ihrer Ernährung verzichtet hat. Warum? Weil Menschen sonst vermutlich schnell Mangelerscheinungen erlitten und damit einen Überlebensnachteil gehabt hätten. Wir können heute auf tierische Produkte verzichten, weil die Lebensmittelindustrie in der Lage ist, tierische Produkte so gut zu imitieren, dass wir fast keinen Verzicht üben müssen. Auch können wir uns Nährstoffe, welche normalerweise in einer rein pflanzlichen Ernährung kaum oder nur in sehr geringen Dosen vorhanden wären, durch Nahrungsergänzungsmittel und Zusatzstoffe zuführen. Jedoch ernährt sich die Mehrheit in unserer Gesellschaft nach wie vor mischköstlich; die meisten Menschen essen also tierische und pflanzliche Produkte. Somit nimmt Ihre Familie und damit Ihr Sohn eine Aussenseiterposition ein.

Sie sollten immer auch soziale Gesichtspunkte der Nahrungsaufnahme in ihre Entscheidung zu einer spezifischen Ernährungsform für ihren Sohn miteinbeziehen.

Dies muss per se kein Problem sein, wenn Ihr Sohn lernt, dies zu kompensieren und seinen Weg zu gehen. Jedoch möchten die meisten Kinder mit zunehmendem Alter wie ihre «Gspänli» sein und dies schliesst eben auch das Essen mit ein. Wenn Ihr Sohn immer spezielle Nahrungsmittel benötigt, wird dies möglicherweise dem einen oder anderen zu anstrengend (wie sie ja bereits in der Kita erfahren mussten) und er oder sie wendet sich von ihm ab. Sie können dies umgehen, indem sie sich primär mit Menschen umgeben, welche die gleichen Ernährungsgewohnheiten haben, jedoch wird auch diese Strategie möglicherweise nicht dauerhaft realisierbar sein. Sie sollten also immer auch soziale Gesichtspunkte der Nahrungsaufnahme in ihre Entscheidung zu einer spezifischen Ernährungsform für ihren Sohn miteinbeziehen.

Hinzu kommt ein weiterer sehr wichtiger Aspekt, welchen offenbar die Grosseltern beziehungsweise Elternpaare aus ihrem Freundeskreis angesprochen haben. Eine rein vegane Ernährung eines Kleinkindes birgt das Risiko, dass es zu einem Nährstoffmangel beim Kind kommen kann, da vor allem die Versorgung mit Vitamin B12, Eisen, Jod, Calcium, Zink, langkettigen Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und Riboflavin bei einer Ernährung kritisch ist, die vollständig auf tierische Produkte verzichtet. Diese Mikronährstoffe sind aber fundamental für die körperliche Entwicklung. Kommt es zu einem Mangel, kann dies langfristig zu Wachstumsstörungen, Blutarmut, Muskelschwäche und einer veränderten Gehirnentwicklung führen, was wiederum Defizite in der motorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit im späteren Kindes- und Jugendalter nach sich zieht.

Aufgrund dieser Risiken empfehlen Kinderärzte in der Schweiz auch die omnivore Ernährung basierend auf dem Konzept der optimierten Mischkost. Während eine abwechslungsreiche, vegetarische Ernährung im Säuglings- und Kleinkindesalter keine grosse Schwierigkeit darstellt, muss eine vegane Ernährung gut geplant, supplementiert und kontrolliert sein, um dem Risiko von schweren Nährstoffdefiziten vorzubeugen. Die Umsetzung einer solchen Kostform setzt von Seiten der Eltern fundierte Kenntnisse der Ernährungslehre voraus. Entsprechend sollten Sie sich von einer Fachperson (z.B. einer Ernährungsberaterin, Kinderärztin) beraten lassen.

Weitere Tipps: Handlungsanweisung für vegane und vegetarische Ernährung im Säuglings- und Kleinkindalter.

Liebe Leserinnen und Leser, Freitag ist bei uns Fragetag. Jede Woche beantwortet eine Expertin oder ein Experte im Mamablog eine Elternfrage zu Themen wie Erziehung, Gesundheit, Aufklärung oder Medienkonsum. Ihre Fragen nehmen wir gerne unter blogs@tamedia.ch entgegen.