Extremtourismus wie Titanic-Tauchen boomtWer genug Geld hat, kann die Grenzen des Konventionellen sprengen
Von Flügen ins Weltall bis zu Tauchgängen in 10’000 Meter Tiefe: Waghalsige Abenteuerreisen sind bei Superreichen zum Mainstream geworden. Das sind die exzentrischsten Expeditionen.
Die ganze Welt schaut gebannt auf die Rettungsaktion des verschollenen Titan-Tauchboots – nicht zuletzt, weil sich darin zwei Milliardäre befinden: Hamish Harding, ein Brite und selbst ernannter Abenteurer, der bereits drei Guinness-Weltrekorde für frühere Abenteuerreisen hält. Sowie Shahzada Dawood, ein in Grossbritannien ansässiger pakistanischer Milliardär, der auf diese waghalsige Tauchfahrt sogar seinen 19-jährigen Sohn mitnahm.
Inmitten der Berichterstattung um das vermisste U-Boot melden sich auch immer mehr Ex-Passagiere, die bereits mit der Titan zum Wrack reisten. Unter dem auffallend wohlhabenden Klientel sind etwa «The Simpsons»-Autor Mike Reiss oder der deutsche Abenteurer und Milliardär Arthur Loibl. Dass die Kunden von Oceangate vorwiegend Superreiche sind, ist nicht verwunderlich – schliesslich kostet die Reise zum fast 4000 Meter tief gelegenen Wrack 250’000 Dollar pro Person.
Die Geschichte um die Titan ist nur das jüngste Beispiel, das zeigt: Wer genug Geld hat, kann heute aussergewöhnliche Reisen machen, die die Grenzen des Konventionellen sprengen. Tatsächlich ist der risikoreiche Extremtourismus in den letzten Jahren zu einem wachsenden Trend geworden – vor allem bei wohlhabenden Menschen, die auf der Suche nach einem Adrenalinkick sind und das Gefühl haben, sonst schon alles gesehen zu haben.
Expeditionen rücken näher an den Mainstream
Wie die US-Reiseexpertin Samantha Collum zum «Wall Street Journal» sagt, bestehe die Anziehungskraft solcher Expeditionen darin, ein Teil der wenigen Menschen zu sein, die eine solche Reise gemacht haben. Das zeigt auch der aktuelle Andrang am Mount Everest, wo für die Frühjahrssaison eine Rekordzahl von Genehmigungen erteilt wurden. Dabei müssen die Bergsteiger Kosten von mehreren Tausend Dollar einkalkulieren. Gemäss Collum ein weiterer Reiz für Reiche: das Recht, damit zu prahlen, dass man an einem Ort war, wo die Kollegen noch nicht waren.
Dass das Business mit Abenteuerreisen boomt, liegt zum einen auch daran, dass die Zahl der Superreichen, also der potenziellen Kunden, stetig wächst. Laut einer Oxfam-Studie hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung 2020 und 2021 rund 63 Prozent des neu erworbenen Vermögens angehäuft. Zum anderen sind Expeditionen in den vergangenen Jahren aber auch dank des technischen Fortschritts näher an den Mainstream gerückt. Was früher Forschungsreisenden vorenthalten war, ist heute auch zunehmend für vermögende Privatpersonen zugänglich.
Gleich mehrere Unternehmen haben sich deshalb darauf spezialisiert, exklusive Reisen an entlegene Orte anzubieten:
Zum tiefsten Punkt der Weltmeere – für 750’000 Dollar
Manchen Superreichen ist eine Reise zur rund 4000 Meter tief gelegenen Titanic zu wenig weit – weshalb es sie zum tiefsten bekannten Punkt der Weltmeere zieht. Das rund 10’935 Meter tiefe Challengertief im Marianengraben ist zwar noch wenig erforscht. Seit 2020 bietet das Reiseunternehmen Eyos Expeditions, das auf Forschungs- und Entdeckungsfahrten zu den entlegensten Orten der Welt spezialisiert ist, aber auch Privatpersonen kommerzielle Tauchgänge an – für 750’000 Dollar.
Laut Mitgründer Rob McCallum ist es «das exklusivste Reiseziel der Welt». Denn zum Zeitpunkt des ersten Tauchgangs waren laut den Anbietern erst sieben Menschen beim Challengertief, darunter «Titanic»-Regisseur James Cameron. «Es waren mehr Menschen auf dem Mond als auf dem Grund des Ozeans», sagte McCallum zu CNN. Der erste Mensch, der den Marianengraben erreichte, war übrigens der Schweizer Tiefseeforscher Jacques Piccard im Jahr 1960.
2021 nahm auch Hamish Harding, der sich zurzeit in der verschollenen Titan befindet, an einer solchen Expedition teil. Der britische Milliardär tauchte zusammen mit dem amerikanischen Forscher Victor Vescovo in einer 36 Stunden dauernden Zweimann-U-Boot-Mission zum Challengertief. Dabei brachen sie gleich zwei Rekorde, indem sie den tiefsten Teil des Ozeans ganze vier Stunden und 15 Minuten lang durchquerten und dabei 4,6 Kilometer entlang des Meeresbodens zurücklegten – die längste Strecke am tiefsten Punkt der Weltmeere.
Zum höchsten Gipfel der Welt – rund 100’000 Dollar
Den höchsten Berg der Welt zu erklimmen, steht auf der «Bucket List» vieler Menschen. Für Vermögende gibt es dabei exklusive Angebote. So führt beispielsweise Bergsteiger Garrett Madison mit seinem Unternehmen Madison Mountaineering Expeditionen zum Mount Everest durch. Dabei müssen seine Gäste selbst auf dem 8849 Meter hohen Berg nicht auf ihren gewohnten Luxus verzichten. Dazu gehören gasbetriebene Duschen und Gerichte mit T-Bone-Steaks oder Lachsfilets, die von einem Weltklasse-Koch zubereitet werden. Kostenpunkt: Rund 93’500 Dollar. Andere Anbieter verlangen sogar weit über 100’000 Dollar für ihre Exklusiv-Pakete auf den höchsten Berg der Welt.
Zum südlichsten Punkt der Welt – bis zu 98’500 Dollar
Um reiche Kunden auf Luxusreisen zum Südpol zu bringen, gründete der Polarforscher Patrick Woodhead das Unternehmen White Desert Antarctica. Die Expeditionen kosten bis zu 98’500 Dollar pro Person und beinhalten laut der Website unter anderem einen privaten Charterflug von Kapstadt aus und Übernachtungen in einem Luxuscamp. Auch diverse Aktivitäten sind inbegriffen, wie etwa Skifahren oder ein sogenanntes «Abenteurer-Picknick», wo man «einen Cocktail mit 10’000 Jahre altem Eis geniessen» kann.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Auch Harding reiste mit Woodheads Unternehmen mehrmals zum Südpol, um gleich mehrere Rekorde zu brechen. 2016 begleitete er den ehemaligen US-Astronauten Buzz Aldrin in die Antarktis – der mit 86 Jahren der älteste Mensch war, der je den Südpol erreichte. Vier Jahre später nahm der Milliardär seinen Sohn mit, der mit 12 Jahren der jüngste Mensch wurde, der je am südlichsten Punkt der Erde war.
Mitten im Nirgendwo – zwischen 15’000 und 100’000 Dollar
Eine weitere Form des exklusiven Luxus-Urlaubs: einfach alleine im Nirgendwo abgesetzt werden. Das bietet das Reiseunternehmen Black Tomato an, das diese «ultimative Abenteuer-Challenge» «Get Lost», also «Verirr dich», nennt. Die Kunden zahlen zwischen 15’000 und 100’000 Dollar, um an einem ihnen unbekannten, abgelegenen Ort in der Wildnis abgesetzt zu werden. Dann müssen sie selbst den Weg zurück in die Zivilisation finden.
Laut Black Tomato wird die Sicherheit der Kunden jedoch aus der Ferne überwacht – von einem geschulten Einsatzteam, das sich aus Überlebenskünstlern und Ex-Marinesoldaten zusammensetzt. Die Website des Unternehmens listet eine Reihe von Umgebungen auf, die die Kunden auswählen können, darunter Polargebiete, Dschungel, Wüsten oder Berge. Laut Mitgründer Tom Marchant kam er auf diese Idee, als er darüber nachdachte, wie man den Menschen im Zeitalter der digitalen Ablenkungen helfen könnte, sich wirklich zu entspannen.
Ins Weltall – für 28 Millionen Dollar
In den letzten Jahren hat vor allem der private Weltalltourismus Fahrt aufgenommen. Gleich mehrere Milliardäre versuchen, sich mit kommerziellen Weltall-Flügen zu übertrumpfen, allen voran Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson. Letztere zwei nahmen gar selbst an einer solchen Reise zum Rande des Weltraums teil.
Auch der verschollene Milliardär Harding schwebte als Weltraumtourist bereits einige Minuten in Schwerelosigkeit. Im vergangenen Jahr flog der Brite im Rahmen des fünften bemannten Weltraumflugs von Bezos’ Raumfahrtunternehmen Blue Origin als einer von sechs Passagieren ins All.
Ein Ticket für einen solchen 11-minütigen Flug wurde 2021 laut Medienberichten für ganze 28 Millionen Dollar versteigert. Dabei schätzte Bezos’ Unternehmen 2018 noch, dass die Ticketpreise zwischen 200’000 und 300’000 Dollar liegen würden.
Bransons Unternehmen Virgin Galactic kündigte hingegen erst kürzlich an, dass es bald seine ersten kommerziellen Raumflüge mit Tickets für 450’000 Dollar pro Stück starten wird. Mehr als 800 Tickets wurden schon vorab verkauft.
Musks Unternehmen Spacex schickte 2021 als Erstes eine bemannte Mission mit Amateur-Astronauten in den Orbit. Bis 2030 will Musk Menschen zum Mars bringen – für laut ihm «erschwingliche» 100’000 Dollar.
Fehler gefunden?Jetzt melden.