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Schweizer Ski-Ass in Sölden
Wendy Holdener und der Hauch von Spionageaffäre

In Sölden bei bester Laune: Wendy Holdener kam für einmal verletzungsfrei durch die Vorbereitung.
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Plötzlich ist da in Sölden dieser Hauch von «Spionageaffäre». Wendy Holdener steht vor einem urigen Restaurant unweit der Hauptstrasse, die durch das Dorf führt, das sich im Winter in eine überdimensionale Halligalli-Après-Ski-Festhütte verwandelt. Es ist an diesem Donnerstagabend Medientermin der Schweizer Skirennfahrerinnen vor dem Auftakt im hinteren Ötztal.

Holdener redet über die Beziehung zu Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin, abwechselnde Dominatorinnen der weiblichen Slalomgilde. «Nicht gross Austausch» habe sie mit den beiden, die sich oft abgeschottet in ihrem Privatteam bewegen. «Ich habe weder per Whatsapp noch Telefon Kontakt zu ihnen.» Seit dem Saisonfinal habe sie nicht mehr mit ihnen gesprochen.

Und doch waren sie in der Vorbereitung der Schwyzerin irgendwie präsent. Holdener arbeitete im Sommer daran, die Muskeln agiler zu machen. Sie testete deshalb neue Übungen. Diese hätte Holdener durchaus gern mit ihrer Fanschar geteilt. Doch sie, die in den sozialen Medien mal mit der Mutter im Einheitslook um die Wette strahlt, ihren frisch gebackenen Kuchen in die Kamera streckt, auf dem Surfbrett balanciert oder den Freund umarmt, verzichtete darauf – obwohl es «geil ausgesehen hätte», so sagt sie das unverblümt. Der Grund? «Ich wollte den anderen nicht zeigen, was ich mache. Jede macht ihr Ding und zeigt auf den sozialen Medien nur das, was sie will. Man sieht also nie ganz dahinter.» Zur Klärung: «Die anderen», das sind eben Gegnerinnen wie Shiffrin oder Vlhova.

Der Knatsch zwischen den Dominatorinnen

Im Reigen der besten Slalomfahrerinnen scheinen einige Mittel recht, um die Konkurrenz auszuspähen und allenfalls zu imitieren. Die Posse, die im Januar 2020 als «Spionageaffäre» durch den Skiweltcup zog, hatte Livio Magoni ausgelöst, damals unbarmherziger Trainer von Petra Vlhova. Etwas gar offensichtlich liess er Shiffrin bei deren Trainings filmen, nicht nur, um sie zu beobachten, auch wollte er sehen, wie das Team der US-Amerikanerin arbeitet. So sagte er das selbst ohne Umschweife. Das möge nicht die feine Art sein, sagte der Italiener auch noch, aber verboten sei es ja auch nicht. Damit hatte er recht, auch wenn sich Shiffrin zum Begriff «geistiges Eigentum» verstieg.

Und nun also ist auch Holdener an dem Punkt angelangt, an dem sie die Konkurrenz nicht mehr alles sehen lassen will, was sie so treibt im Sommer und im Herbst. Es ist ein gutes Zeichen, macht es doch deutlich, dass sich die 29-Jährige auf Augenhöhe sieht mit den grössten Slalomfahrerinnen, mit Vlhova, Shiffrin oder Katharina Liensberger. Holdeners Botschaft: Auch bei ihr gäbe es durchaus etwas abzuschauen.

Holdener ist in diesem Winter gut für den Sieg, davon ist sie überzeugt. Sie kann die Frage deshalb mit einer gewissen Gelassenheit weglachen: Ja, wann ist es denn so weit mit diesem ersten Triumph? Sagenhafte 32-mal ist sie schon auf einem Podest gestanden im Slalom, ihrer liebsten Disziplin, 29-mal im Weltcup, 2-mal an den Olympischen Spielen, 1-mal an der WM 2017 in St. Moritz. Gewonnen hat sie nie. Längst hat Holdener in dieser Kategorie den Rekord inne: Niemand in der Geschichte des Weltcups schaffte es in einer Sparte öfter in die Top 3, ohne einmal zu siegen.

Der Sieg? «Real und nahe»

Doch Holdener reibt sich nicht mehr daran auf. Nerven würde die Frage allenfalls, wäre der Triumph nur ein unrealistischer Traum, sagt sie, «aber ich konnte im letzten Winter erstmals nach drei Jahren wieder um den Sieg kämpfen, ich führte mal nach einem ersten Lauf, Platz 1 ist für mich real und nahe».

Das soll er erst recht in dieser Saison sein, in die sie verletzungsfrei startet, nachdem sie sich in den beiden Vorjahren erst mit einer Fraktur des rechten Wadenbeinkopfs und dann mit Brüchen beider Handgelenke hat herumplagen müssen. «Endlich ist es für mich wieder gut, dass es schon früh losgeht in Sölden.» Im Riesenslalom gehört Holdener am Samstag zur erweiterten Weltspitze – in der Slalomsaison, die am 19. November in Levi beginnt, zum engsten Favoritenkreis. Der langersehnte Coup ist möglich.

«Ich habe fünf oder sechs Rennen wirklich verloren. Alle anderen habe ich nicht gewonnen, weil der Abstand schlicht zu gross war.»

Wendy Holdener

Das war nicht immer so, ist Holdener doch in einer Slalom-Ära gross geworden, in der ein Wunderkind namens Mikaela Shiffrin keiner Gegnerin Luft zum Atmen liess. Dank der Amerikanerin würden sich die besten Slalomfahrerinnen heute auf einem anderen Level bewegen, sagt Holdener. Zudem hilft ihr die Dominanz der vierfachen Gesamtweltcupsiegerin dabei, ihre Leistungen richtig einzuschätzen: «Ich habe vielleicht fünf oder sechs Rennen wirklich verloren. Alle anderen habe ich nicht gewonnen, weil der Abstand schlicht zu gross war. Das relativiert vieles.»

Holdener klingt abgeklärt wie nie, frei im Kopf. Das liegt an ihrer körperlichen Verfassung, an der Arbeit mit ihrem bereits dritten Mentaltrainer, der für neue Impulse sorgt, ebenso aber am Privatleben. Im Frühling ist sie ihrem Freund zuliebe erst einmal abgetaucht. In Ägypten machte Holdener den Tauchschein, damit sie mit dem ausgebildeten Tauchlehrer künftig die Meere erkunden kann. Ehrgeizig wie auf den Ski habe sie sich an die Aufgabe gemacht, sagt sie – obwohl sie eigentlich Angst hat vor Fischen. Sie bestand mit Bravour. Es scheint derzeit vieles im Gleichgewicht zu sein bei ihr.

Der Trainer spricht von «der nötigen Reife»

Drin im urigen Restaurant in Sölden sitzt Beat Tschuor, Cheftrainer der Schweizer Frauen. Wie er Holdener wahrnimmt? «Sie ist sehr entspannt, macht einen Superjob, ist ruhig, gelassen, es sind die besten Voraussetzungen», sagt der Bündner. «Sie hat eine Entwicklung hinter sich, hat jetzt die nötige Reife, auch dank über 40 Weltcup-Podestplätzen.» Dass sich darunter nur zwei Kombinationssiege und ein Triumph in einem Parallelrennen finden lassen, stört Tschuor nicht. «Wichtig ist, dass sie nah dran ist.»

Das soll sie auch dank des Trainings im argentinischen Ushuaia sein. Drei Wochen lang stand Holdener täglich auf den Ski. Viel weniger anstrengend als auf den hiesigen Gletschern sei das gewesen, sagt sie, «wir fahren dort nur auf 400 bis 700 Metern Höhe, müssen nicht eine Stunde lang die Sachen auf den Berg schleppen und wieder hinunter». Sie sei deswegen «voll im Rhythmus», sagt sie. Dieser soll anhalten und sie im Slalom ganz nach oben führen. Endlich. Damit diese verflixte Frage nie mehr gestellt wird.

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