WM-Super-G der Frauen in SaalbachIhre Karriere war «nur noch eine Plage» – jetzt erlöst Stephanie Venier eine ganze Nation
Die Österreicherin gewinnt den Super-G und lässt die Heim-Fans jubeln. Lara Gut-Behrami bleibt nur die Enttäuschung.
![Lara Gut-Behrami beim Abfahrtstraining der FIS Alpine Ski-Weltmeisterschaften 2025 in Saalbach.](https://cdn.unitycms.io/images/0fckxwkcKQnBaajC_uF41y.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=cdPwLLOFnqM)
Es braucht an diesem Donnerstag in Saalbach 1 Minute, 20 Sekunden und 47 Hundertstel, um alles vergessen zu machen, was in den letzten Wochen und Monaten war.
Ski-Krise war da in Österreich, Katerstimmung noch vor dem Grossanlass in der Heimat. Diese WM würde wohl zum grossen Desaster werden für die stolze Skination, so die gängige Meinung. Dann steht das erste Einzelrennen nach dem Team-Wettkampf am Dienstag an – und herrscht im Ziel von Saalbach Glückseligkeit. Stephanie Venier sorgt für einen perfekten Auftakt für das Heimteam, die 31-Jährige krönt sich zur ältesten Super-G-Weltmeisterin der Geschichte, es ist ein Triumph ohne Ansage.
Die Tirolerin ist zwar in St. Anton Mitte Januar Zweite geworden, es war aber ein einzelner Ausreisser nach oben. Nun also schlägt sie im wichtigsten Rennen der Saison all die grossen Favoritinnen, Federica Brignone, die mit einer Zehntel Rückstand Zweite wird, Kajsa Vickhoff Lie, die sich Rang 3 mit der überraschenden Amerikanerin Lauren Macuga teilt, und vor allem sie: Lara Gut-Behrami, die Siegerin des letzten Super-G in Garmisch-Partenkirchen, die Führende in der Disziplinenwertung, die schon in fünf Wintern die beste Super-G-Fahrerin überhaupt war. Und die nun im Salzburgerland einen ganz enttäuschenden Tag erlebt.
«So gewinnt man keine Medaille», sagt Gut-Behrami
Achte wird die Tessinerin mit sieben Zehnteln Rückstand. Gut-Behrami: schwer geschlagen – wie überhaupt das Schweizer Team. Die Tessinerin ist noch die Beste ihres Teams, die junge Malorie Blanc wird Zwölfte, Corinne Suter, so etwas wie eine Geheimfavoritin, Vierzehnte. Michelle Gisin landet auf Platz 17.
Es ist nicht ansatzweise das, was sich die Schweizerinnen vorgestellt hatten. Sie sei einfach nicht gut gefahren, sagt Gut-Behrami, «ich kam nicht in den Rhythmus, fuhr etwas rund – so gewinnt man keine Medaille. Ich versuche es nochmals am Samstag und hoffe, dass es dann wieder geht.» Dann steht die Abfahrt an und gehört die 33-Jährige wieder zu den erstgenannten Siegesanwärterinnen, gerade auch nach den bislang zwei Trainings, in denen sie glänzte.
Doch an diesem sonnigen Tag in Saalbach ist es eine andere routinierte Fahrerin, die sich im Ziel feiern lässt und für einen gleichermassen schönen wie unerwarteten Start für Österreich sorgt. Dabei gab es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Momente, in denen sich Venier fragte, ob sie sich das noch antun will. «Ich dachte ans Aufhören, ich fuhr nur hinterher, das macht keinen Spass. Ich hatte keine Freude mehr, es war nur noch eine Plage und ein Zwang. Im Leben gibt es doch auch noch anderes als das Skifahren», sagt sie nach ihrem Coup. «Aber jetzt schliesst sich ein Kreis. Vor einem Jahr verpasste ich hier die Abfahrtskugel, heute gewinne ich Gold, im Leben kommt immer alles zurück.»
Venier braucht Stosswellentherapie und Akupunktur
Damals setzte sich im Vierkampf um den Sieg in der Disziplinenwertung Veniers Teamkollegin Cornelia Hütter durch, die Gut-Behrami im letzten Rennen in Saalbach noch abfing. Venier wurde letztlich Vierte in der Abfahrtswertung. Kleine Randbemerkung: Venier ist seit rund zwei Jahren mit dem derzeit verletzten Skiprofi Christian Walder liiert, der zuvor zehn Jahre lang eine Beziehung mit Hütter hatte.
Und nun also darf sich Venier, die 2017 in St. Moritz WM-Silber in der Abfahrt gewann, Super-G-Weltmeisterin nennen, jetzt auch bei den Profis, nachdem ihr dieses Kunststück 2013 bei den Juniorinnen gelungen war.
Noch vor drei Jahren war es nur schon ein Erfolg, wenn sie es in die Top 20 oder die Top 15 schaffte. Zudem leidet Venier an chronischen Knieschmerzen. Am Ende des vergangenen Winters hatte sie ein Problem mit ihrem Knorpel. Sie unterzieht sich seither diversen Therapien wie Akupunktur, Stosswellen oder manuelle Behandlungen. Venier entschied sich bewusst gegen eine Operation, weil sie wohl ein Jahr hätte aussetzen müssen. Sie hätte damit die Heim-WM verpasst – und dieses Märchen, das sich an diesem Donnerstag abspielt.
Wie es nun sei für sie, die Nation erlöst zu haben, wird sie beim TV-Sender ORF gefragt. «Das tönt komisch», sagt Venier, «ich fahre eigentlich für mich. Aber jetzt kann ich schon sagen, dass wir Weltmeister sind. Das tönt ganz cool.» Es brauchte 1 Minute, 20 Sekunden und 47 Hundertstel Fahrzeit, um ein ganzes Land dazu zu bringen, wieder von ganz Grossem zu träumen.
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Fazit
Wer hätte das gedacht: Österreich jubelt gleich im ersten Einzelrennen. Die Tirolerin Stephanie Venier, die im Weltcup erst einen Super-G gewonnen hat, holt überraschend Gold, sie siegt zehn Hundertstel vor Federica Brignone aus Italien. Dritte werden gleichzeitig Lauren Macuga (USA) und die Norwegerin Kajsa Lie (+0,24).
Venier zeigt eine fast perfekte Fahrt, sie scheint davon profitiert zu haben, dass andere Athletinnen weitaus mehr Druck verspüren. Ihr Triumph ist Balsam für die doch ziemlich gebeutelte Ski-Nation, manch Österreicher wird in den nächsten Tagen nun wieder mit deutlich breiterer Brust durch Saalbachs Gassen spazieren. Mit Silber zeigt sich derweil auch Gesamtweltcup-Leaderin Brignone zufrieden, sie holt in dieser Disziplin ihre erste WM-Medaille.
Die Schweizerinnen wiederum müssen eine Enttäuschung verarbeiten: Topfavoritin Lara Gut-Behrami bleibt an einer Torstange hängen, doch auch ohne dieses Malheur hätte sie keine Medaille geholt. Mit 70 Hundertsteln Rückstand wird sie «nur» Achte und sagt danach, sie sei nie in den Rhythmus gekommen. Sie werde es am Samstag in der Abfahrt wieder probieren, resümiert die Tessinerin. Junioren-Weltmeisterin Malorie Blanc liefert als 12. ein zufriedenstellendes Ergebnis, Corinne Suter muss sich mit Rang 14 zufrieden geben. Für Michelle Gisin, die in der Abfahrt wird zuschauen müssen, reicht es zu Platz 17.
Federica Brignone im Interview
Die Italienerin sagt: «Es ist meine erste WM-Medaille im Super-G, das freut mich sehr. Die Strecke hier ist nicht perfekt auf mich zugeschnitten, umso schöner, ist es trotzdem aufgegangen. Ich werde hier auch noch die Abfahrt und den Riesenslalom bestreiten.»
Das Podest
1. Stephanie Venier (Österreich)
2. Federica Brignone (Italien)
3. Kajsa Lie (Norwegen) und Lauren Macuga
Startnummer 30 – Lindsey Vonn
Und zum Abschluss der Top 30 ist nun auch Lindsey Vonn gestartet. Sechs Jahre nach ihrem letzten WM-Rennen kann sie aber nichts ausrichten. Nach einem guten Start bleibt sie an einer Torstange hängen, sie scheint sich an der Schulter weh getan zu haben. Bitter: Vonn ist schon angeschlagen gestartet, sie leidet an einer Erkältung.
Startnummer 29 – Camille Cerutti
Auch die letzte Französin ist im Ziel – als 24.
Startnummer 28 – Maryna Gasienica-Daniel
Die Polin, die letzte Saison unter starken Magenproblemen litt, bestreitet den Super-G als Vorbereitung hinsichtlich des Riesenslaloms von nächster Woche. Es bleibt ein kurzer Test – schon im oberen Teil scheidet sie aus.
Startnummer 27 – Keely Cashman
USA jubelt, weil Lauren Macuga als Dritte auf dem Podest steht. Landsfrau Cashman muss sich mit Rang 23 begnügen.
Startnummer 26 – Malorie Blanc
Für die Schweiz gibt es heute definitiv keine Medaille, es ist ein herber Dämpfer zum Auftakt der Einzelrennen. Junioren-Weltmeisterin Malorie Blanc aber darf zufrieden sein, Rang 12 ist ein ordentliches Ergebnis. Hinter Gut-Behrami (8.) ist sie die zweitbeste Schweizerin.
Startnummer 25 – Elvedina Muzaferija
Die Bosnierin verblüffte schon mehrmals im Weltcup, schaffte es auch schon in die Top 10. Doch derzeit kämpft sie mit Materialproblemen. Mehr als Rang 23 liegt nicht drin.
Startnummer 24 – Valérie Grenier
Ihre schwere Knieverletzung hat die Kanadierin ausgestanden, ans Niveau ihrer besten Tage kommt sie derzeit aber noch nicht heran. Kurz vor dem Ziel scheidet sie aus.
Startnummer 23 – Breezy Johnson
Nach guten Abfahrtstrainings hatte von der Amerikanerin manch einer mehr erwartet. Aber Johnson, die wegen einer Dopingsperre ein Jahr aussetzen musste, kann nicht mithalten und wird 18.
Lara Gut-Behrami im SRF-Interview
Die Tessinerin sagt: «Ich bin nicht so gut und vor allem zu rund gefahren, kam von Anfang an nicht in den Rhythmus. Wenn man nicht alles umsetzen kann, was man sich vornimmt, dann gewinnt man keine Medaille. Ich werde es am Samstag nochmals versuchen in der Abfahrt und hoffe, es geht dann wieder besser.»
Startnummer 22 – Ilka Stuhec
Die Slowenin weiss, wie man Weltmeisterin wird: 2017 und 2019 holte Stuhec jeweils Abfahrts-Gold. Im Super-G aber läuft es ihr in diesem Winter alles andere als nach Wunsch, daher überrascht es nicht, kann sie im WM-Rennen nicht mithalten. 1,85 Sekunden Rückstand reichen für Platz 19.
Startnummer 21 – Karen Clement
Clement kann nichts ausrichten, sie verliert über zwei Sekunden und reiht sich zuhinterst im Klassement ein. Auffällig ist: Es ist wieder etwas heller geworden, die Sicht ist somit wieder besser.
Startnummer 20 – Emma Aicher
Es geht also doch noch was: Die Deutsche, die als Einzige im Weltcup alle Disziplinen bestreitet, wird Sechste. Sie vergibt die mögliche Medaille mit einem nicht perfekten letzten Teil. Dennoch: Aicher jubelt ausgelassen.
Startnummer 19 – Ariane Rädler
Vor anderthalb Wochen ist die Österreicherin in Garmisch gestürzt, sie hat noch immer ein wenig Schmerzen. Zu mehr als Rang 17 reicht es nicht. Die österreichischen Fans drehen trotzdem durch – dank Leaderin Venier.
Startnummer 18 – Kira Weidle-Winkelmann
Die Luft scheint gerade etwas draussen zu sein in diesem Rennen. Weidle-Winkelmann, die erste Deutsche in diesem WM-Super-G, wird Letzte und verlässt den Zielraum auf schnellstem Weg.
Startnummer 17 – Romane Miradoli
Die Französin versucht zu attackieren, mehrmals kommt sie von der Ideallinie ab. Es reicht letztlich zu Rang 13. Auffällig ist: Es wird etwas dunkler in Saalbach. Besser werden die Verhältnisse sicher nicht.
Startnummer 16 – Alice Robinson
Guter Auftritt der Neuseeländerin, mit der im Riesenslalom zu rechnen sein wird. Sie wird Zehnte.
Stephanie Venier im Interview
Im ORF-Gespräch sagt sie: «Das Warten jetzt ist unangenehm. Es kann ja immer noch etwas passieren. Die Fahrt war super, obwohl ich unglaublich nervös war. Ich bin jetzt einfach mal glücklich.»
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