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Kauf von Zur Rose Schweiz
Was die Migros gegen den Medikamentenengpass ausrichten kann

Blick in die erste Shop-in-Shop-Apotheke Zur Rose in Bern, die 2017 eröffnet wurde.
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Die Schweiz ist erneut tief in den Medikamentensorgen versunken. Während in den vergangenen Jahren vor allem Spitäler mit Engpässen zu kämpfen hatten, klagen nun vermehrt auch Apotheken und Arztpraxen über grosse Schwierigkeiten. Es fehlt an Antibiotika, Psychopharmaka oder auch Verhütungspillen. Der Bundesrat hat die Lage soeben als «problematisch» eingestuft und will die Pflichtlager für Medikamente ausweiten. 

Zum denkbar günstigsten Zeitpunkt verkündet nun die Migros, ihr Gesundheitsgeschäft massiv auszuweiten. Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass die Zur-Rose-Gruppe ihr Schweiz-Geschäft an die Migros-Tochter Medbase verkauft. 360 Millionen Franken legt der orange Riese für den Deal auf den Tisch.

Zwar arbeiten die beiden Unternehmen bereits seit 2017 eng zusammen: Zur Rose Schweiz hat derzeit acht Shop-in-Shop-Apotheken in Migros-Filialen in der ganzen Schweiz. Nun aber will die Migros «anpacken, um die ambulante Grundversorgung zu sichern und zu stärken», lässt sich Marcel Napierala, CEO und Mitgründer von Medbase, in einer Mitteilung zitieren. Noch-Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen kündigt an, man wolle «tragfähige Lösungen weiterentwickeln», die zu einer zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung beitragen würden.

Doch kann das neue Gespann auch wirklich etwas gegen den Ibuprofen- oder Antibiotikamangel ausrichten?

Verbesserte Logistik, tiefere Preise

Medbase betreibt in der Schweiz 160 medizinische Zentren, Apotheken und Zahnarztzentren. Diese bleiben unverändert bestehen. Was bislang fehlte: der Onlineshop. Zur Rose ist eine der führenden Versandapotheken der Schweiz. 

Wie Medbase-Sprecherin Isabel Gherbal auf Anfrage sagt, wird auch Zur Rose ihre Dienstleistungen unverändert unter dem gleichen Namen weiterführen. Der Zusammenschluss soll vor allem neue Synergien schaffen: «Dazu gehören die bessere Verfügbarkeit von Medikamenten, neue Modelle für die Problematik des Fachkräftemangels und ein einfacher Zugang zu medizinischen Angeboten.»

Mit Zur Rose hole sich die Migros-Tochter «viel Technologie- und Prozesskompetenz an Bord». Medbase und ihre Patientinnen könnten künftig vom technologisch sehr effizienten Medikamentenmanagement profitieren.

Dass die Migros aber etwas an der Verfügbarkeit der Medikamente ändern kann, bezweifelt Gesundheitsökonom Heinz Locher. Die Medikamentenknappheit habe verschiedene Ursachen: «Unter anderem ist die Produktion von Generika wegen der tiefen Preise kaum mehr rentabel. Daher gibt es kaum mehr Produzenten. Dieses Strukturproblem kann die Migros nicht lösen.»

Potenzial sieht Locher hingegen im Logistikbereich: «Was die Logistikverteilung und Lagerhaltung angeht, hat die Migros ein wichtiges Know-how und kann neue Ideen in das Gesundheitswesen reinbringen.» Indem der Detailriese qualitätssichernde Abläufe gerade bei der digitalen Medikamentenverteilung vorantreibe, könne er einen niederschwelligen Zugang für die Patienten schaffen.

Auch könnten Kundinnen und Kunden dank tieferer Margen künftig von tieferen Medikamentenpreisen profitieren, glaubt Locher.

«Befreiungsschlag» für Zur Rose

Dass die Zur-Rose-Gruppe, die auch in den Niederlanden, Deutschland, Spanien und Frankreich aktiv ist, ihr Schweiz-Geschäft abstösst, wirkt zunächst merkwürdig.

Schliesslich schrieb die Zur-Rose-Gruppe in den letzten Jahren Verluste. Während etwa Konkurrent Galenica im vergangenen Jahr fast 5 Prozent mehr Umsatz machte, büsste Zur Rose fast 10 Prozent ein und verlor um die 2 Millionen Kundinnen und Kunden. Einzig das Schweiz-Geschäft war rentabel: Mit 687 Millionen Franken Umsatz lieferte es gut 37 Prozent des Konzernumsatzes.

An einer Telefonkonferenz begründete Zur-Rose-CEO Walter Hess am Freitag, dass man mit dem Verkauf die Strategie absichern und die Finanzbilanz ausbalancieren könne. «Es macht absolut Sinn», so Hess, der sich fortan auf das Geschäft mit Patientinnen und Kunden in Deutschland konzentrieren will. 

«Wir möchten mithelfen, damit die rasche Verfügbarkeit von Medikamenten für die Patientinnen und Patienten verbessert werden kann», sagt eine Medbase-Sprecherin. Die Migros-Tochter übernimmt das Schweiz-Geschäft von Zur Rose.

Ausschlaggebend für die roten Zahlen war vor allem das Hin und Her mit dem E-Rezept in Deutschland. Die Zur-Rose-Gruppe will sich auf jene Kunden konzentrieren, die für einen Wechsel zum E-Rezept vielversprechend sind, etwa chronisch Kranke. Zwar wurde das elektronische Arztrezept testmässig eingeführt, wegen technischer Probleme verzögerte sich die Einführung aber immer wieder. Der Aktienkurs stürzte ab, die Gruppe musste frisches Kapital aufnehmen.

Mit dem 360-Millionen-Verkauf an die Migros gelinge Zur Rose nun «ein Befreiungsschlag», schreiben auch die Analysten der Zürcher Kantonalbank. Zur Rose wird mit dem Verkauf ihre Schulden los und kriegt gemäss den Analysten «deutlich mehr Luft in der Geduldsprobe betreffend Lancierung des elektronischen Rezepts».

Medbase zückt den grossen Check

Gemäss Hess soll Migros den ersten Schritt gemacht haben, die mit einem «sehr attraktiven Preis» auf die Zur-Rose-Gruppe zugegangen sei. Offenbar keine Seltenheit: Wie die «NZZ am Sonntag» kürzlich schrieb, soll Medbase schon bei anderen Übernahmen den grossen Check ausgestellt haben. Für die Apothekenkette Topwell etwa soll Medbase gemäss Insidern «wesentlich mehr» geboten haben als der zweite Interessent.

Fachleute kritisieren gegenüber der Zeitung grundsätzlich den rasanten Ausbau der Migros im Gesundheitssektor. Besonders den Zukauf von Hausarztpraxen. «Da bildet sich ein Klumpenrisiko für die ärztliche Grundversorgung», zitiert die Zeitung einen Arzt und Mitbegründer eines Hausarzt-Netzwerks.

Entscheidend für den Ausbau im Gesundheitsbereich war vor allem Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen. Der Deal mit Zur Rose erfolgt gerade noch rechtzeitig zum Schluss seiner Amtszeit. 2022 hat die Migros mit Medbase, den Fitness- und Zahnarztzentren sowie Brillen und Hörgeräten 746 Millionen Franken Umsatz generiert. Mit Zur Rose kommen nun auf einen Schlag weitere 687 Millionen hinzu.