Europa atmet aufSozialdemokraten bleiben in Rumänien die stärkste Kraft
Nach dem Coup des rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten im ersten Wahlgang siegt im Parlament die Linke. Doch RechtsNationalisten legen stark zu.
- Die PSD gewinnt die Parlamentswahl mit 22 Prozent der Stimmen.
- Rechtsextreme Parteien erhielten über 30 Prozent der Mandate im Parlament.
- Im Ausland unterstützten viele Rumänen rechtsextreme Parteien bei der Parlamentswahl.
Das Ergebnis der Parlamentswahl in Rumänien vom vergangenen Sonntag hat bei vielen im Land selbst, aber auch in der EU für Erleichterung gesorgt. Nach dem Sieg des prorussischen, rechtsextremen Kandidaten Călin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 24. November, der grosse Besorgnis ausgelöst hatte, konnte sich bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus die sozialdemokratische PSD unter Ministerpräsident Marcel Ciolacu behaupten. Sie kam auf 22 Prozent der Stimmen. Ciolacu war zuvor auch bei der Präsidentschaftswahl angetreten – und hinter Georgescu sowie der liberalkonservativen Kandidatin Elena Lasconi nur auf dem dritten Platz gelandet.
Der Überraschungssieger der Präsidentschaftswahl, Georgescu, konnte jetzt bei der Parlamentswahl indes keine eigene Partei ins Rennen schicken. Denn er hatte als parteiloser Kandidat nach eigenen Angaben ohne jegliches Team und ohne Wahlkampffinanzierung agiert. Stattdessen kam jedoch die in Rumänien bereits seit Jahren bekannte und zunehmend erstarkende, rechtsextreme Partei AUR unter ihrem Parteichef George Simion mit knapp 18 Prozent auf den zweiten Platz. Sie konnte ihre Stimmenanzahl im Vergleich zur letzten Parlamentswahl fast verdoppeln.
Im Ausland lebende Rumänen wählen häufig rechtsextrem
Auch zwei andere nationalistische, rechtspopulistische Parteien, SOS Rumänien und die Kleinpartei POT, kamen auf 7,1 beziehungsweise 6,3 Prozent. Damit haben antieuropäische Kräfte im nächsten Parlament mehr als 30 Prozent der Mandate. Bei den im Ausland lebenden Rumänen kamen die rechtsextremen Parteien zusammen sogar auf die Hälfte aller abgegebenen Stimmen.
Das Aufatmen in Bukarest rührt derzeit vor allem daher, dass nach dem überraschenden Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl auch bei der Parlamentswahl ein starker Rechtsruck und eine Abkehr von EU und Nato befürchtet worden waren. Allerdings ist die Parteienlandschaft im Abgeordnetenhaus künftig zumindest stark zersplittert; dauerhaft stabile Mehrheiten zu finden, dürfte schwierig werden.
Die PSD, die nach der Wende aus der früheren sozialistischen Partei entstanden war, gilt als proeuropäisch und transatlantisch orientiert, aber zugleich auch als zunehmend rechtspopulistisch. Die politische Stabilität, derer sich Rumänien rühmt, könnte damit zunehmend gefährdet sein.
Wird die Präsidentschaftswahl in Rumänien annulliert?
Mit Spannung wurde derweil das Ergebnis einer zweiten Sitzung des Verfassungsgerichts erwartet, das am späten Montagnachmittag tagen wollte. Nachdem das Höchstgericht wegen möglicher Wahlmanipulation bei der Präsidentschaftswahl angerufen worden war, hatte es am vergangenen Donnerstag entschieden, die Stimmen des ersten Wahlgangs neu auszählen zu lassen. Das Ergebnis der Nachzählung ergab aber keine dramatischen Verschiebungen des Ergebnisses.
Nun soll entschieden werden, ob der Wahlgang ganz annulliert wird – unter anderem wegen möglicher Verstösse von Călin Georgescu gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung und Interventionen aus dem Ausland, also aus Russland. Politikbeobachter in Bukarest erwarten allerdings, dass das Verfassungsgericht keine Annullierung anordnet.
Rumänische Medien warnen, dass sich die Georgescu-Wähler, immerhin etwa zwei Millionen Menschen, von den regierenden Parteien um ihre Stimme gebracht sehen könnten. Nachdem schon vergangene Woche in Bukarest erste Demonstrationen für Georgescu stattgefunden hatten, warnen Insider für den Fall, dass die Wahl wiederholt werden muss, vor regelrechten Ausschreitungen. Der Beschluss der Sitzung des Verfassungsgerichts lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
Georgescu war vor der Präsidentschaftswahl in der politischen Landschaft weitgehend unbekannt gewesen und hatte mit einer Kampagne in den sozialen Medien, vor allem auf Tiktok, gepunktet. Fotos, auf denen er im Stil von Wladimir Putin auf einem Schimmel reitet, hatten in den Wochen vor dem 24. November das Netz geflutet. Nach Erkenntnissen von Experten wurde Georgescus Wahlkampfbotschaft mithilfe des Tiktok-Algorithmus nach vorn gepusht. Er selbst gab an, weder organisatorische noch finanzielle Hilfe von aussen bekommen zu haben. Die Zentrale Wahlkommission ist allerdings noch immer mit der Prüfung des Wahrheitsgehalts seiner Angaben beschäftigt.
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