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Meinung

Analyse zum Rechtsruck
Ein rechtsextremer Putin-Bewunderer bringt Rumänien ins Wanken

Calin Georgescu, running as an independent candidate for president, speaks to media after registering his bid in the country's presidential elections, in Bucharest, Romania, Tuesday, Oct. 1, 2024. (AP Photo/Alexandru Dobre)
Calin Georgescu
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In Kürze:
  • Călin Georgescu zieht überraschend in die rumänische Präsidentschaftsstichwahl ein.
  • Georgescu ist als prorussisch und antiwestlich bekannt.
  • Wahlkampfunterstützung erhielt Georgescu durch russische Propaganda.

Das Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien ist ein schwerer Schlag für alle, die gehofft hatten, das politisch bislang vergleichsweise stabile Land könne sich dem Trend zu Rechtspopulismus, Desinformation und Spaltung widersetzen. Der rechtsextreme Călin Georgescu, der in den Umfragen vor der Wahl kaum eine Rolle gespielt hatte, hat es in die Stichwahl geschafft – und damit ein Mann, der Faschisten und Antisemiten verehrt und als prorussisch und antiwestlich eingestellt gilt.

Mit Elogen auf den rumänischen Diktator in der NS-Zeit, Marschall Ion Antonescu, und den Anführer der faschistischen Partei «Eiserne Garde», Corneliu Zelea Codreanu, hatte er einen Skandal verursacht, nach dem die Generalstaatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Volksverhetzung einleitete.

Politisch ist Georgescu kein Unbekannter, war aber immer im Umfeld nationalistischer Parteien unterwegs. So hat der Agrarwissenschaftler, wie die rumänische Nachrichtenwebsite «Digi24» berichtet, im Laufe seines Berufslebens mehrere Positionen im Aussen- beziehungsweise Umweltministerium gehabt und für die Vereinten Nationen im Bereich Umweltschutz gearbeitet. Heute präsentiere er sich als Experte für nachhaltige Entwicklung und sei ausserordentlicher Professor an der Universität Pitești.

Georgescu kam bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl quasi aus dem Nichts und holte laut «Digi24» ganze 23 Prozent, während der amtierende Ministerpräsident und Präsidentschaftsbewerber der regierenden Postkommunisten (PSD), Marcel Ciolacu, mit 19,16 Prozent nur auf dem dritten Platz landete.

epa11737761 Leader of the USR (Save Romania Union) party and presidential candidate Elena Lasconi reacts after voting in the first round of presidential elections at a polling station in 'Mihai Bravu' technical college in Bucharest, Romania, 24 November 2024. Marcel Ciolacu, leader of the Social Democratic Party (PSD) and incumbent prime minister leads in the presidential race according to the latest vote intention surveys, followed by Alliance for the Union of Romanians (AUR) leader George Simion, and Save Romania Union (USR) candidate Elena Lasconi. Romanians vote in ninth presidential election, with a second round planned for 08 December 2024. Approximately 18 million Romanian citizens are expected at the polling stations this weekend, according to the Permanent Electoral Authority (AEP), of which 989,230 people can express their intention abroad.  EPA/ROBERT GHEMENT

Mit einem Vorsprung von gerade mal ein paar Tausend Stimmen schaffte es die weitgehend unbekannte, liberalkonservative Elena Lasconi auf den zweiten Platz; sie erreichte 19,7 Prozent. Damit sind ein absoluter Newcomer und eine unerfahrene konservative Politikerin nun in der Stichwahl am 8. Dezember – eine Woche nach der Parlamentswahl, die für das kommende Wochenende angesetzt ist. Der bisherige Staatschef, Klaus Johannis, durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.

Wahlforscher sind überrumpelt

Wie kann das sein, fragen sich nun auch überrumpelte Wahlforscher in der Hauptstadt Bukarest, dass in dem Land, das einst den kommunistischen Tyrannen Nicolae Ceauşescu abgeschüttelt hat, jetzt ein politischer Aussenseiter namens Călin Georgescu mit einer faschistischen und kremlunterwürfigen Agenda in die Stichwahl um die Präsidentschaft zieht? Ausgerechnet in Rumänien, das in Südosteuropa bislang als besonders verlässlicher, prowestlicher Partner in Nato und EU gilt?

Wie in anderen Ländern Osteuropas folgte nach dem Zusammenbruch der alten kommunistischen Ordnung ein Run auf Profite, ein Hauen und Stechen um Ressourcen und Privilegien, das viele abgehängt und überfordert zurückliess. Solche kollektiven Verlusterfahrungen machten es einem früheren ungarischen Freiheitsaktivisten wie Viktor Orbán leicht, das Adjektiv «liberal» für seine eigenen Kampagnenzwecke zum Schmähwort umzupolen.

Ein schwacher Rechtsstaat

Rumänien ist, auch nach dem EU-Beitritt 2007, ein vergleichsweise armes Land geblieben. Für viele Menschen dort bedeutet die neue Zeit in erster Linie, dass sie in andere Länder Europas fahren können, um dort zu arbeiten, etwa als Erntehelfer oder auf dem Bau, und dass sie sich mit dem dort verdienten Geld in der Heimat immer weniger leisten können, weil die Preise sich westeuropäischem Niveau angenähert haben.

Landwirtschaftliche Flächen gehören jetzt ausländischen Konzernen, Urwälder werden von mafiösen Organisationen abgeholzt, um billiges Holz für den Möbelweltmarkt zu gewinnen. Der schwache Rechtsstaat kann der verbreiteten Korruption wenig entgegensetzen, das Bildungssystem ist teils in erbarmungswürdigem Zustand, viele junge Menschen beenden die Schulzeit ohne Abschluss.

Unterstützung vom russischen Propagandasender

Der Neofaschist Georgescu hat keine Partei und keine politische Bewegung hinter sich; seinen Wahlkampf hatte er vor allem auf der sozialen Plattform Tiktok gemacht, er hatte in Rumänien ganze Massen von hetzerischen Posts verbreitet. Unterstützt wurde er dabei auch von Sputnik, dem Propagandasender der Russischen Föderation. Politikbeobachter nicht nur in Rumänien halten es für äusserst wahrscheinlich, dass er im Wahlkampf massive Hilfe aus Moskau bekam.

Wirtschaftliche Unsicherheit, ein Grundgefühl des systemischen Überrumpelt- und Abgehängtseins, dazu eine schwache Immunisierung gegen Falschnachrichten und Propaganda: Auf solchem Nährboden kann eine Bewegung wie die des Kandidaten Georgescu, der auf Social Media den Kremlführer Putin anhimmelt und von einer «Erweckung des rumänischen Volkes» fabuliert, leicht Wurzeln schlagen.

Aus Nato-Sicht gibt es Gründe, beunruhigt auf die im Dezember anstehende Parlamentswahl und die Präsidentenstichwahl zu blicken – zumal laut rumänischer Verfassung das Staatsoberhaupt die Aussen- und die Verteidigungspolitik bestimmt. Ob das Land die stabile Basis in der Region für die Unterstützung der Ukraine bleiben wird, ist fraglich. Und auch für die Europäische Union ist Georgescus Aufstieg ein Tiefschlag: In dem ohnehin seit Jahren bröckelnden Gebäude der viel beschworenen Wertegemeinschaft zeigt sich jetzt ein weiterer, kräftiger Riss.