2000–2025 im RückblickDiese 7 Schlüsselmomente prägten die Welt seit der Jahrtausendwende
Ein Vierteljahrhundert ist vergangen. Zeit für eine geopolitische Bilanz. Die Rückschau zeigt, wie der Optimismus der 90er-Jahre einem Gefühl der Unsicherheit wich.
![Collage von politischen Fotografien mit verschiedenen weltpolitischen Themen.](https://cdn.unitycms.io/images/Dbibv1lYKbbBwvcyLWYjk0.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Zv6TI5hbLYw)
Alte Gewissheiten gelten im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts nicht mehr. Die Vorherrschaft der liberalen Demokratien steht infrage, Autokratien sind im Vormarsch, und der Optimismus der 90er-Jahre ist einem Gefühl der Unsicherheit gewichen. Wladimir Putin führt einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Xi Jinping will eine neue Weltordnung, mit China an der Spitze. Der islamistische Terrorismus bedroht die Freiheit. Von der Demokratiekrise profitieren populistische Politikerinnen und Politiker – allen voran Donald Trump in den USA.
11. September 2001: George W. Bush teilt die Welt in Gut und Böse
![Ein entführtes Flugzeug nähert sich dem brennenden World Trade Center kurz vor dem Zusammenstoss am 11. September 2001 in New York.](https://cdn.unitycms.io/images/B24aGPnI4t0BmIvYA_Jz_V.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=N8MAloni8-8)
Zwei Türme stürzen ein, und die Welt ist eine andere. Am 11. September 2001 entführen Terroristen vier Flugzeuge. Zwei fliegen in die Twin Towers des World Trade Center in New York, eines ins Pentagon in Washington. Die vierte Maschine stürzt vor ihrem Ziel ab. Der internationale islamistische Terrorismus hat die USA erreicht.
Präsident George W. Bush teilt die Welt in Gut und Böse ein. Zu den Bösen gehören Afghanistan, von dem man annimmt, dass es Osama bin Laden versteckt, das Hirn hinter den Anschlägen, und der Irak von Saddam Hussein, von dem es hiess, er sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen.
In diesen beiden Staaten führen die Amerikaner und ihre Alliierten mit mehr oder weniger guten Argumenten lange, zerstörerische Kriege. Der Jihadismus wird gestärkt. Vor allem der Krieg in Afghanistan endet im Debakel: Als sich die westlichen Streitkräfte zurückziehen, übernehmen die Taliban sofort wieder alle Macht und errichten ein Regime, das vor allem für die Afghaninnen einen Rückfall in düstere Zeiten bedeutet – womöglich sind die noch düsterer als die vorherigen. Der Irak erholt sich nur schleppend.
Osama bin Laden wird erst 2011 gefunden und getötet – in Abbottabad, einer Garnisonsstadt der pakistanischen Armee, die davor immer als Verbündete der USA gegolten hat.
2004: Europas kurzer «Feel-good-Moment»
![Kinder heben, unterstützt von Eurocorps-Soldaten, die Flaggen der 10 neuen EU-Mitgliedstaaten vor dem Europaparlament in Strassburg. Im Hintergrund das Gebäude des Europaparlaments.](https://cdn.unitycms.io/images/DSvOICkaaRl9wutT3i9Zws.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=ev4uDaxJFK0)
Es war die Bestätigung, dass die Wiedervereinigung des geteilten Kontinents vollzogen war. Am 1. Mai 2004 nahm die EU auf einen Schlag zehn neue Mitglieder auf, vor allem aus dem ehemaligen Ostblock. Ein «Feel-good-Moment». Beim Big Bang dabei waren unter anderem Polen und Tschechien. Später folgten Länder wie Rumänien, Bulgarien und Kroatien, wobei die EU von 15 Anfang des Jahrtausends auf bis zu 28 Mitgliedsstaaten anwuchs. Parallel dazu erweiterte sich die Nato auf heute 32 Mitgliedsstaaten. Die EU hatte Anfang 2002 schon die Einheitswährung Euro eingeführt und eine Verfassung ausgearbeitet.
Doch die gute Stimmung hielt nicht lange, erste Wolken zogen auf, als die Niederlande und Frankreich 2005 das ehrgeizige Projekt der ersten EU-Verfassung in Referenden versenkten. Krieg schien noch weit weg, als Wladimir Putin 2008 in Georgien erstmals in ein Nachbarland einmarschierte und Europas Reaktion testete. Danach folgten die Krisen Schlag auf Schlag. Die internationale Finanzkrise brachte den Euro in Gefahr. Auch der Schengen-Raum mit den gemeinsamen Aussengrenzen und der Reisefreiheit im Innern erwies sich als Schönwetterprojekt und steht seit der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 permanent unter Druck.
Die Euphorie von 2004 ist der Erweiterungsmüdigkeit gewichen. Die Briten votierten 2016 für den Brexit, eine Premiere und ein schwerer Schlag für das Selbstverständnis der EU. Die Geschichte kennt auch den Rückwärtsgang. Länder wie Ungarn und die Slowakei oder Populisten in Österreich stellen die Werte von Demokratie und Rechtsstaat infrage, die das Fundament der europäischen Integration waren. Ungarns Viktor Orban paktiert sogar mit Wladimir Putin, der EU und Nato zerstören möchte.
2013: Machtübernahme von Xi Jinping in China
![Chinas Präsident Xi Jinping spricht bei einer Preisverleihung vor dem Nationalfeiertag im Grossen Saal des Volkes in Peking am 29. September 2024.](https://cdn.unitycms.io/images/3Gs8qKjuaFkASKiLjimy2H.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=JN9duMGekaM)
Der einst verarmte Bauernstaat China hat sich zur zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt gewandelt. Millionen Menschen haben die Armut hinter sich gelassen. Noch in den Nullerjahren glaubten im Westen viele, Chinas wirtschaftliche Stärke würde zu einer politischen Öffnung führen. Die Hoffnung hat sich seit der Machtübernahme von Xi Jinping 2013 endgültig zerschlagen. Seit Mao Zedong hat kein Staatsführer so viel Macht auf sich konzentriert wie Xi Jinping.
Der allmächtige Staatschef hat China zu einem totalitären Staat umgebaut. Die KP unterdrückt die uigurische Minderheit in Xinjiang genauso wie die prodemokratischen Kräfte in Hongkong. Xi will nicht nur sein eigenes Land umbauen, sondern auch die herrschende Weltordnung. China soll an seinen angestammten Platz zurückkehren als Nummer eins der Welt. Deshalb will Xi die USA schwächen und die Macht von global zunehmend vernetzten Autokratien ausbauen.
Das führt zunehmend zu militärischen Spannungen. China beansprucht praktisch das gesamte Südchinesische Meer für sich. Im Ukraine-Krieg gibt sich Xi offiziell neutral, ist aber de facto Moskaus Verbündeter. Über allem steht die Frage, ob Chinas Präsident seine «heilige Mission» wahr machen will: die Heimholung Taiwans.
2014/2022: Wladimir Putin und seine Expansionspolitik in der Ukraine
![Rettungskräfte führen eine Such- und Rettungsaktion an einem Wohngebäude in Poltawa, Ukraine, durch, das am 2. Februar 2025 durch russischen Beschuss beschädigt wurde.](https://cdn.unitycms.io/images/8BKBBD8caYdBESiIeGTQUO.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=RzgaStHYdAg)
«Grüne Männchen» gelangen seit Ende Februar 2014 auf die ukrainische Halbinsel Krim, Soldaten ohne Hoheitszeichen, von Russland entsandte verdeckte Einheiten. Alles geht ganz schnell: Der Marinestützpunkt in Sewastopol wird innert weniger Tage gestürzt, bald fällt das Hauptquartier der Marine in russische Hände, Amtsgebäude erhalten russische Aufschriften, «Rossiya» wird auf den Strassen skandiert. Dem Völkerrecht und der internationalen Empörung zum Trotz annektiert Russland die Krim. Zugleich marschiert die russische Armee in der Ostukraine an. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat begonnen.
Zwar wird die internationale Gemeinschaft aktiv, Verhandlungen werden im belarussischen Minsk abgehalten. Doch der Krieg in der Ukraine dauert an, oft übersehen im Westen Europas. Sieben Jahre später gibt Kremlchef Putin seinen Truppen den Befehl zur Vollinvasion in der Ukraine und verursacht damit den grössten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Seine expansionistische Politik hat Hunderttausende Tote und Verletzte zur Folge. Wolodimir Selenski wird zum Kriegspräsidenten der Ukraine. Die Armee Kiews kämpft gegen die Soldaten Moskaus, die sich doch nicht als übermächtig erweisen, der Krieg wird Jahr um Jahr zäher, für die Menschen in der Ukraine immer zermürbender.
Der Krieg verschiebt die internationale politische Ordnung. Moskau bildet neue Allianzen: mit Nordkorea, mit dem Iran. Auch mit China wird der Austausch intensiver. Im Westen stellt sich ein Bündnis europäischer Staaten und der USA der russischen Aggression mit milliardenschweren Waffen- und Ausrüstungslieferungen an die Ukraine entgegen. Ernüchterung aber herrscht darüber, dass die Bemühungen um Beziehungen zum schwierigen Partner Russland, auch die Minsk-Verhandlungen, erfolglos waren. Moskau antwortet mit einem hybriden Angriff im Westen: Desinformationskampagnen, Wahleinmischung, Spionage, Cyberangriffe und Attacken auf sensible technologische Infrastruktur.
2015: «Wir schaffen das»
![Eine Frau in einem türkisfarbenen Blazer macht ein Selfie mit einem Mann in einer Menschenmenge bei sonnigem Wetter.](https://cdn.unitycms.io/images/BRvOtw3_Ki3AG_GL6-2FSe.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=aH_50hqaYqU)
Alan Kurdi, ein zweijähriger Bub aus Syrien, der bäuchlings am Strand liegt, ertrunken auf der Flucht – das Bild wurde im September 2015 zu einem Symbol für das Elend der Menschen, die vor dem höllischen Bürgerkrieg in Syrien Schutz in Europa suchten.
Besonders gross war die Hilfsbereitschaft in Deutschland, wo Bürgerinnen und Bürger in München und anderen Städten ankommende Flüchtlinge beklatschten, beschenkten und grosszügig beherbergten. Statt die deutschen Grenzen allmählich zu schliessen, wie es ihre christdemokratische Partei immer ultimativer von ihr verlangte, liess Kanzlerin Angela Merkel diese offen und versprach: «Wir schaffen das.»
1,2 Millionen Asylanträge zählte Deutschland am Ende in den Jahren 2015 und 2016. Fast die Hälfte der Menschen, die in Europa damals Schutz suchten, kam nach Deutschland und blieb. Die anfängliche Euphorie der «Willkommenskultur» aber verwehte. Immer deutlicher wurde sichtbar, wie die Ankunft so vieler Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten Deutschland auch überforderte.
Politischer Widerstand wurde stark: Die 2013 gegen Merkels Europolitik gegründete Alternative für Deutschland erhielt als Anti-Einwanderungs- und Anti-Islam-Partei ein zweites Leben. Bald feierte sie Wahlerfolge quer durch Deutschland. Mit der AfD etablierte sich erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg eine nationalistische, zunehmend rechtsextreme politische Kraft auf Dauer in deutschen Parlamenten.
2016: Das Trump-Zeitalter beginnt
![Donald Trump spricht während einer Wahlkampfveranstaltung am 1. November 2024 im Fiserv Forum in Milwaukee, Wisconsin.](https://cdn.unitycms.io/images/BDNp1qJRqKxBIcmHPdvE59.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=hEzbqweSq98)
Facebook geht 2004 an den Start, Twitter 2006. Die sozialen Medien läuten in den USA ein neues Zeitalter des Populismus ein. Mit ihnen erobert ein politischer Aussenseiter 2008 die Präsidentschaft, als erster Afroamerikaner. Barack Obama verspricht Erneuerung und erhält den Friedensnobelpreis. Doch was er erreicht, befriedigt die Amerikaner nicht. Gebeutelt von einer schweren Finanzkrise und der Abwanderung der Industrie, wenden sie sich als Gegenreaktion einem anderen Aussenseiter zu. 2016 wird Donald Trump Präsident, ein New Yorker Immobilienunternehmer und Reality-TV-Star. Im Einwanderungsland schimpft er gegen Migranten und elitären Politfilz, er inszeniert sich als Held der einfachen Amerikaner und senkt die Steuerlast für Unternehmen und Superreiche.
Die Schockwellen erfassen die ganze Welt. Trump stellt die transatlantische Verteidigungsallianz Nato auf die Probe, er stützt die rechten Kräfte in Israel und isoliert den Iran, er bringt die USA auf Konfrontationskurs mit China. Den Freihandel untergräbt er mit Schutzzöllen.
Die Covid-Pandemie unterbricht Trumps Regentschaft, er verliert die Wahl gegen Joe Biden, lässt das Parlamentsgebäude stürmen. Doch schon vier Jahre später ist Trump zurück, noch einmal gewählt, mächtiger als je zuvor, bereit, die Grenzen seiner Macht zu erproben. Ein Belastungstest für die US-Demokratie und für die Nachkriegsordnung, die der 45. und 47. Präsident mit dem Griff nach dem Panamakanal, Grönland und Kanada auf die Probe stellen will.
7. Oktober 2023: Umwälzungen im Nahen Osten
![Besucher zeigen ihre Anteilnahme an einem Denkmal mit Porträts von Geiseln oder Opfern des Hamas-Angriffs auf das Supernova-Musikfestival am 7. Oktober, nahe Kibbutz Reim in Südisrael, am 9. Mai 2024.](https://cdn.unitycms.io/images/6Y3hpCvbKD89Bb-9BgWIQz.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=HXxndOYVCBo)
Der Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern gilt als ungelöst, aber bewältigbar. Dann kommt der 7. Oktober 2023: 3000 Hamas-Terroristen dringen in Israel ein, ermorden 1200 Israelis und verschleppen 200 Geiseln in den Gazastreifen. Es ist das schlimmste Pogrom an Juden seit dem Holocaust.
Die Regierung von Benjamin Netanyahu reagiert mit maximaler Härte. Die israelischen Streitkräfte verwandeln den Gazastreifen in ein Trümmerfeld, jagen Hamas-Terroristen und töten deren Führer. Nach 15 Monaten schweigen die Waffen. Die Hamas spricht von 47’000 Toten, sie ist geschwächt, aber nicht besiegt.
Währenddessen weitet sich der Krieg aus. Die Hizbollah-Miliz im Libanon beschiesst den Norden Israels. Der Iran führt die «Achse des Widerstands» an, der neben Hamas und Hizbollah die jemenitischen Huthi angehören. Nach gezielten Tötungen von Hamas-Führern greift der Iran Israel mit Drohnen und Raketen erstmals direkt an. Die USA und arabische Nachbarn helfen bei der Verteidigung, der Schaden bleibt gering.
Israel geht gegen die Hizbollah in die Offensive und tötet die oberste Führung. Die Schiitenorganisation ist geschwächt. Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien ist der Nachschub aus dem Iran unterbrochen.
Weltweit grassiert der Antisemitismus. Junge Menschen, auch in der Schweiz, solidarisieren sich mit den Palästinensern. Die Israel-Kritik nimmt zu, selbst in den USA. Die Demokratische Partei von Joe Biden erlebt eine Zerreissprobe, was zum Wahlsieg von Donald Trump beiträgt. Der neue US-Präsident unterstützt Netanyahus Pläne, den Nahen Osten neu zu ordnen. Ein Palästinenserstaat ist nicht vorgesehen.
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