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Russland und die USA
Was sich Putin von der US-Wahl erhofft

US President Donald Trump (L) chats with Russia's President Vladimir Putin as they attend the APEC Economic Leaders' Meeting, part of the Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) leaders' summit in the central Vietnamese city of Danang on November 11, 2017. (Photo by Mikhail KLIMENTYEV / SPUTNIK / AFP)
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In Kürze:
  • Putin bestreitet, jemals private Treffen mit Trump gehalten zu haben.
  • Allenfalls befürwortet Putin Trumps Plan, den Ukraine-Konflikt zu beenden.
  • Putin verwirrt Berater mit widersprüchlichen Aussagen zur US-Wahl.
  • Russland erwartet keine wesentliche Änderung in den Beziehungen zu den USA.

Wladimir Putin lacht eher selten bei grossen Pressekonferenzen, ausser vielleicht, wenn es um den US-Wahlkampf geht: Die russische Übersetzung der Reporterfrage war gerade erst bei ihm angekommen, da grinste Putin auch schon. Der US-Journalist wollte wissen, ob der Kremlherrscher tatsächlich private Gespräche mit Donald Trump führe und, wenn ja, worüber die beiden gesprochen hätten.

Das Thema sorge seit Jahren für Schlagzeilen, antwortete Putin, sichtlich zufrieden, vielleicht weil seine Meinung für die Amerikaner offenbar noch zählt. Oder weil er sie auf dem grossen Brics-Gipfel in Kasan vor einer Wand aus Kameras kundtun konnte: Es habe solche Kontakte nie gegeben, damals nicht, als Trump erstmals für die US-Präsidentschaft kandidierte, und heute auch nicht, sagte Putin, alles «völliger Unsinn».

Als dann noch ein russischer Staats-TV-Reporter nachhakte, holte Putin weiter aus: Donald Trump habe kürzlich gesagt, er wolle den Konflikt in der Ukraine beenden. «Ich glaube, dass er das ernst meint», sagte der russische Machthaber – und dass er, Putin, solche Aussagen begrüsse, egal von wem sie kämen. Trump hatte behauptet, er könne Putins Krieg in der Ukraine innerhalb eines Tages beenden (lesen Sie hier, wie zumindest Bundesrat Rösti sich davon überzeugen lässt). Putin ist dazu auch früher schon befragt worden, mehr als ausweichende Kommentare kamen von ihm nie zu dem Thema. Dabei hat er seine Bedingungen für Verhandlungen längst genannt, darunter den bedingungslosen Rückzug der ukrainischen Truppen aus den annektierten Gebieten und den endgültigen Verzicht auf einen Nato-Betritt. Putins Forderungen sind unerfüllbar, auch für Trump.

Putin verwirrt die eigenen Berater

Meistens tut der Kremlherrscher ohnehin so, als interessiere ihn die US-Wahl nur mässig, als habe er auch keine Präferenz, was ihren Ausgang angeht. Gut möglich, dass Putin selbst nicht weiss, wen er sich als nächsten Präsidenten in Washington wünschen soll, Donald Trump oder Kamala Harris. Manchmal verwirrt er die eigenen Berater mit seinen widersprüchlichen Antworten.

Wie kürzlich im fernöstlichen Wladiwostok: Auf dem dortigen Wirtschaftsforum im September wurde Putin nach Harris gefragt, die Joe Biden als Kandidatin für die Demokraten abgelöst hatte. Er habe bereits gesagt, dass Präsident Biden sein Favorit gewesen sei, sagte Putin auf der grossen Bühne, aber den habe man nun ja aus dem Rennen genommen. Wenn Biden also jetzt Harris unterstütze, dann wolle er, Putin, es genauso halten. «Sie hat ein ansteckendes Lachen», witzelte er über Harris. Zu Trump dagegen sagte er, dass kein anderer Präsident jemals so viele Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht habe. Es ist eine Klage, die Putin schon öfter angestimmt hat.

Er habe einen Witz gemacht, erklärte Aussenminister Sergei Lawrow später die Harris-Aussage, Putin habe einen guten Sinn für Humor. Er, Lawrow, sehe keinen Unterschied zwischen diesem und früheren US-Wahlkämpfen. In den USA herrsche ohnehin der «deep state». Das ist die übliche Propaganda des Kreml: Egal, wer in Washington an der Macht sei, werde die angeblich «russlandfeindliche» Politik fortsetzen. Putin mischt also Spott mit Enttäuschung: Die Zeiten, in denen Moskau einen klaren Favoriten im US-Wahlkampf hatte, sind vorbei.

«Lange Konfrontation» mit den USA

Vor acht Jahren war das noch ganz anders. Bis heute findet man im Internet Videos von Champagner trinkenden Duma-Abgeordneten, die 2016 auf Donald Trumps Wahlsieg anstiessen und auf eine «neue amerikanische Politik». Was hatte man sich nicht alles erträumt vom Präsidenten Trump, ein Ende der Sanktionen, die Anerkennung einer russischen Krim. Nichts davon wurde Wirklichkeit.

Jetzt wird von keinem der beiden Kandidaten erwartet, dass er die US-Beziehungen zu Putins Russland stark verändert. Man gehe davon aus, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow nach dem TV-Duell zwischen Trump und Harris, dass beide «eine negative, eine unfreundliche Haltung» gegenüber Russland verträten. Auch der stellvertretende russische Aussenminister Sergei Rjabkow warnte «angesichts des überparteilichen antirussischen Konsenses» in den USA vor Illusionen. Man solle sich «auf eine lange Konfrontation mit diesem Land vorbereiten», zitierte ihn Anfang Oktober die russische Nachrichtenagentur Tass.

Ukraine im Fokus

Am wichtigsten dürfte es für Putin sein, wie sich das US-Wahlergebnis auf die Lage in der Ukraine auswirkt, auf westliche Waffenlieferungen und die Wahrscheinlichkeit eines schnellen ukrainischen Nato-Beitritts. Von Kamala Harris wird erwartet, dass sie die Unterstützung für die Ukraine fortsetzt. Mit ihr wäre auch die Gefahr – oder aus Putins Sicht: die Chance – auf Missstimmungen innerhalb der Nato geringer als unter Trump. Der hatte das Bündnis während seiner Präsidentschaft öffentlich infrage gestellt. Allerdings verliessen die USA unter Trump auch Rüstungsabkommen, die Russland gern erhalten hätte.

Politikwissenschaftlerin Tatjana Stanowaja zitiert häufig Quellen aus dem russischen Machtapparat. In ihrem Analyse-Newsletter beschreibt sie eine mögliche, wenn auch gewagte Interpretation von Putins undurchsichtiger Unterstützung für Harris, die dieser als deutlich weniger kompetent als Biden sehe: Putin glaube, dass Harris’ Wahl dem Westen derart schaden würde, dass ihre Präsidentschaft praktisch zur Strafe werde: «In Putins Logik gilt: Je schlimmer es dem Westen geht, desto besser ist es für Russland.»

Am vorteilhaftesten für Putin wäre wohl ein unklarer Wahlausgang, Chaos, Nachzählen und Zweifel am Ergebnis. Also alles, was das Prinzip einer liberalen Demokratie schwach und unzuverlässig aussehen lässt und Washington zudem von der Ukraine ablenkt.