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Lage nach dem TV-Duell
Harris bringt Trump in Bedrängnis – auf den Handschlag folgt die Attacke

Pünktlich um 21 Uhr beginnt die grosse Partie im amerikanischen Osten, Kamala Harris gegen Donald Trump. Kandidatin gegen Kandidat. Vermutlich sind auch einige Europäer wach, wie einst bei der Mondlandung oder einem Boxkampf von Muhammad Ali – es geht ja nicht nur um die Macht in Amerika, sondern auch um die Zukunft der Welt. Dienstagabend, Mittwochfrüh in Europa: Die Demokratin Harris und der Republikaner Trump treffen sich zu ihrer ersten Präsidentschaftsdebatte, live bei ABC, 56 Tage vor der Wahl.

90 Minuten, zwei Werbepausen, kein Publikum im National Constitution Center von Pennsylvania, Millionen vor den Bildschirmen. Die Kandidatin und der Kandidat waren sich vorher noch nie gegenübergestanden. Schütteln sie sich zur Begrüssung wenigstens kurz die Hand? Ja, das tun sie, sie geht beherzt auf ihn zu und stellt sich mit «Kamala Harris» vor, ehe Trump an das Pult auf der aus der Sicht der Betrachter linken und Harris an das Pult auf der rechten Seite tritt und es losgeht, aber das war es dann auch schon mit den Freundlichkeiten.

Begrüssen sich mit einem Handschlag: Donald Trump und Kamala Harris. (10. September 2024)

Es wird ein intensiver, harter Schlagabtausch. Das jeweilige Mikrofon ist im Prinzip stumm, wenn einer von beiden nicht spricht, doch das spielt keine Rolle, die beiden reden einfach trotzdem manchmal weiter. Wer gewinnt den Showdown? Es sieht bald so aus, als könnte es tatsächlich sie sein. Zumindest kommt Kamala Harris, die mit solchen Fernsehformaten deutlich weniger Erfahrung hat als der Medienprofi Trump, nach leicht nervösem Start gut in Schwung. Deutlich besser und vor allem verständlicher als Joe Biden bei seinem dramatischen Auftritt während des Zweikampfs Ende Juni mit Trump bei CNN. Wenige Wochen später reichte der seine Kandidatur an seine Vize weiter.

«Wir gehen nicht zurück», sagt Harris

Diesmal ist der 78-jährige Trump der alte Mann, seine 59-jährige Rivalin bringt ihn mehrfach in die Defensive, vor allem beim Thema Abtreibung und Trumps Umgang mit Diktatoren. «Weltpolitiker lachen über Donald Trump», sagt sie, führende Militärs hielten ihn für eine Schande. «Die Amerikaner verdienen etwas Besseres», dies seien «zwei sehr unterschiedliche Visionen für unser Land: eine, die sich auf die Zukunft konzentriert, und eine, die sich auf die Vergangenheit konzentriert – ein Versuch, uns rückwärts zu führen. Aber wir gehen nicht zurück.»

Man müsse endlich «die Seite mit der gleichen alten müden Rhetorik umblättern». Man wolle keinen Leader, «der ständig versucht, die Amerikaner dazu zu bringen, mit den Fingern aufeinander zu zeigen», sagt sie. «Es liegt am amerikanischen Volk, ihn zu stoppen.» Trump dagegen erklärt wie üblich, dass die Regierung Biden/Harris das Land zerstöre und er America great again machen werde, «grösser und besser», dass die USA derzeit eine gescheiterte Nation seien und auf diese Weise der Dritte Weltkrieg bevorstehe. Er klingt doch oft sehr nach gestern, wird schnell wütend und verliert sich in Absurditäten. Sie behält die Kontrolle und ist anders als er exzellent vorbereitet.

Trump wirkt wie ein Angeklagter, Harris wie die Anklägerin

Was für ein Duell. Eine frühere Strafverfolgerin trifft auf einen verurteilten Straftäter, das gab es im Kampf um die amerikanische Präsidentschaft noch nie. Das merkt man auf diesem Podium. Zuweilen wirkt Trump tatsächlich wie ein Angeklagter und sie wie die Anklägerin. Die Tochter von Einwanderern aus Indien und Jamaika gegen den Alleinunterhalter Trump. Erstmals könnte eine Frau ins Weisse Haus einziehen, eine frühere Staatsanwältin und Senatorin mit afroamerikanischen und asiatischen Wurzeln. Viele Landsleute wussten bisher weniger von ihr als von Trump, den wirklich jeder kennt. Das ändert sich langsam.

Die erste Frage geht um die US-Wirtschaft und an sie. Harris antwortet etwas umständlich und versucht zu erklären, dass ihre Pläne den Durchschnitts­amerikanern entgegenkommen werden. Trump dagegen wolle Milliardären die Steuern senken. Trump erwidert, er habe den USA die beste Bilanz aller Zeiten hinterlassen, und jetzt kämen Millionen Migranten «aus Gefängnissen und Irrenanstalten», das sagt er immer. Woraufhin sie sagt, man werde eine Menge Lügen von ihm hören.

epa11597611 Democratic presidential candidate US Vice President Kamala Harris responds to Republican presidential candidate Donald J. Trump during a presidential debate hosted by ABC News at the National Constitution Center in Philadelphia, Pennsylvania, USA 10 September 2024. The 90 minute event is the only planned debate between the two candidates in the 2024 presidential election.  EPA/DEMETRIUS FREEMAN / POOL

In Wirklichkeit habe Trump den USA nach seiner ersten Amtszeit die grösste Arbeitslosigkeit und höhere Schulden hinterlassen sowie «die schlimmste Attacke auf unsere Demokratie». Sie wolle Präsidentin aller Amerikaner sein, weil Amerika mehr verbinde, als es trenne. «Was wir getan haben, ist Donald Trumps Chaos aufzuräumen.» Trump habe «keinen Plan für euch, denn er ist mehr daran interessiert, sich selbst zu verteidigen, als sich um euch zu kümmern». Falsch, er habe einen «brillanten Plan», meint Trump, obwohl sie ihm gerade erklärt hat, dass führende Ökonomen seine Idee ablehnen.

Trump spult sein übliches Programm ab. Dass die Regierung Biden Kriminelle ins Land lasse, dass Kamala Harris «eine Marxistin» sei, wofür es eher kein Anzeichen gibt. Er schaut dabei oft ziemlich finster drein. Sie grinst und lächelt oft, wenn er spricht, manchmal lacht sie, manchmal schüttelt sie den Kopf. Das gehört zu ihrem Rezept gegen Trump, den sie eher klein machen und mit seinem vielfach offenkundigen Unsinn blossstellen will.

«Hinrichtungen» an Babys? Grober Unsinn!

Dann geht es um die Abtreibung, den grossen amerikanischen Streit. Der Oberste Gerichtshof hat das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch auf Betreiben der Republikaner 2022 gekippt. Trump sagt, die Demokraten seien so radikal, dass sie auch Babys nach dem neunten Monat töten wollten. Das seien «Hinrichtungen». Grober Unsinn, wie die Moderatorin Linsey Davis sofort einwirft. «Es gibt keinen Staat in diesem Land, in dem es legal ist, ein Baby nach der Geburt zu töten.»

Das Oberste Gericht habe die Entscheidung mutig an die Bundesstaaten zurückgegeben, findet Trump, der auf einmal so tut, als sei er persönlich gar kein Abtreibungsgegner. Harris will den Beschluss der Richter rückgängig machen, die Mehrheit der Wählerschaft würde das begrüssen. Trumps Bann mache mancherorts nicht mal bei Vergewaltigung und Inzest Ausnahmen, sagt sie. «Man muss nicht seinen Glauben oder seine tiefsten Überzeugungen aufgeben, um der Meinung zu sein, dass die Regierung – und ganz sicher Donald Trump – einer Frau nicht vorschreiben sollte, was sie mit ihrem Körper zu tun habe.»

Es folgt Trumps Lieblingsthema Einwanderung. Die Zahl illegaler Grenzübertritte war erst stark angestiegen und zuletzt stark zurückgegangen, seit die Massnahmen verschärft wurden. Sie sei die Einzige hier auf der Bühne, die transnationales Verbrechen verfolgt habe, sagt Harris. Sie leitete unter anderem die Generalstaatsanwaltschaft von Kalifornien. Sie erinnert auch daran, dass die Demokraten ein strengeres Grenzgesetz vorgeschlagen und die Republikaner im Kongress den Entwurf blockiert hätten, auf Trumps Betreiben. Er wolle das Problem erhalten, statt es zu lösen.

Republican presidential nominee former President Donald Trump speaks during a presidential debate with Democratic presidential nominee Vice President Kamala Harris at the National Constitution Center, Tuesday, Sept.10, 2024, in Philadelphia. (AP Photo/Alex Brandon)

Sie rät ausserdem, sich mal eine seiner Wahlkampfveranstaltungen anzuhören. Da rede Trump von Hannibal Lecter (dem Menschenfresser aus dem Thriller) oder von Krebs durch Windmühlen, und viele Leute würden vorzeitig nach Hause gehen – «ihr werdet ihn nicht über euch reden hören. Ihr verdient einen Präsidenten, der euch an die erste Stelle setzt», sagt Harris. Da wird Trump erst recht zornig, Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit und der Begeisterung seiner Fans reizen ihn besonders. Er erzählt aber gleich, dass Immigranten in Ohio Hunde und Katzen aufgegessen hätten, worauf der Moderator David Muir erläutert, dass es für die Haustiergeschichte keinerlei Beweise gibt.

Nach der Debatte meldet sich Taylor Swift

Kamala Harris lacht wieder. Aussagen wie diese seien ein Grund dafür, dass sie von 200 Republikanern unterstützt werde, unter anderem vom früheren Vizepräsidenten Dick Cheney und seiner Tochter Liz Cheney. «Ich habe die meisten dieser Leute gefeuert», sagt Trump. Als er danach über die Gewalt von Einwanderern spricht, da kontert sie, es sei lustig, ihn so sprechen zu hören. Trump sei viermal angeklagt worden, darunter wegen Verbrechen gegen die nationale Sicherheit und Wahlbeeinflussung. Und das Urteil wegen sexueller Nötigung gebe es ja auch. Trump unterstellt ihr sogleich, dass die Anklagen politisch motiviert seien und ihm beinahe eine Kugel in den Kopf gejagt worden wäre, «wegen der Dinge, die sie über mich sagen» – er meint das Attentat in Pennsylvania.

Später wirft Trump seiner Gegenüber vor, mit Biden Afghanistan aufgegeben zu haben mit dem chaotischen Rückzug. Harris sagt, sie sei mit Biden einer Meinung gewesen, die amerikanischen Truppen 2021 aus Afghanistan abzuziehen, aber Trump habe doch sogar die Taliban nach Camp David eingeladen. Im Falle des russischen Angriffskriegs in der Ukraine behauptet Trump wie gewohnt, er würde die Schlacht in 24 Stunden beenden, was Harris amüsiert. Für eine Tragödie hält sie seinen Umgang mit Rassismus. Kürzlich warf er ihr vor, auf einmal «schwarz» aufzutreten. Jetzt sagt er, das sei ihm völlig egal. «Was auch immer sie sein will, ist für mich in Ordnung.» Ein peinlicher Moment.

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Nach eineinhalb Stunden ist das Match vorbei. Seine Niederlage 2020 räumt Trump wieder nicht ein, auch weist er eine Mitschuld am Sturm auf das Capitol vom 6. Januar 2021 von sich. Harris sagt, er sei «von 81 Millionen Menschen entlassen» worden. «Wir werden uns von Donald Trump nicht einschüchtern lassen. Wir werden nicht zulassen, dass er die Wahl unterdrückt.»

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Was das alles für diese letzten Wochen vor der nächsten Wahl bedeutet? Kamala Harris liegt in Umfragen hauchdünn in Führung. Es wird sich bald zeigen, ob sie ihren Vorsprung nach dieser Nacht ausbaut. Donald Trump glaubt, dies sei «meine beste Debatte überhaupt» gewesen. Viele Zuschauer sehen das sehr anders, und kurz nach Abschluss der Sendung meldet sich bei Instagram Taylor Swift, die vielleicht populärste Sängerin der Welt. Sie erklärt, dass sie Kamala Harris wähle. Ihrem Post hängt sie ein Foto mit Katze an und unterschreibt ihre Zeilen so, wie Trumps Running mate J. D. Vance Frauen ohne Kinder nennt: «Childless Cat Lady», kinderlose Katzenfrau.