SVP-Bundesrat mit Trump-PräferenzAlbert Rösti und die Faszination für das Autoritäre
Der SVP-Magistrat hat sich auf die Seite Donald Trumps geschlagen. Es wäre ihm mehr demokratiepolitisches Bewusstsein zu wünschen.
«Ich persönlich tendiere eher zu Trump», sagte Albert Rösti zu Wochenbeginn vor einer Gymnasialklasse in Basel, als er gefragt wurde, wem er bei den bevorstehenden US-Wahlen den Vorzug geben würde. Die Aussage des SVP-Bundesrats ist aus zwei Gründen erstaunlich: Es wirkt erstens undiplomatisch, wenn ein Mitglied der Exekutive – zumal eines neutralen Landes – explizit Sympathie für einen ausländischen Präsidentschaftskandidaten zeigt.
Zweitens ist der Berner Oberländer unbestrittenermassen ein wichtiger Mitverantwortlicher für die Strahlkraft des direktdemokratischen Leuchtturms namens Schweiz. Da mutet es abenteuerlich an, wenn er jenen Kandidaten vorzieht, der vor knapp vier Jahren einen Volksentscheid in der führenden westlichen Demokratie mit Gewalt umzustürzen versuchte. Und der bereits 2016 ankündigte, was er auch jetzt wieder signalisiert: Dass er das Resultat der Wahl nur dann zu akzeptieren bereit ist, wenn er als Sieger daraus hervorgeht. Wie es Rösti mit seinem demokratischen Gewissen vereinbaren kann, einen notorischen Antidemokraten und Möchtegern-Putschisten zu bevorzugen, bleibt sein Geheimnis.
Die Hoffnung auf den starken Mann
Aber vielleicht liefert die Begründung des Magistrats einen Hinweis: Er traue es dem Republikaner zu, den Ukraine-Krieg zu beenden, mit dem es «so nicht weitergehen» könne. Trump selbst verspricht, das Gemetzel im Handumdrehen zu stoppen. Das ist – wenn überhaupt – nur möglich, indem er der demokratisch legitimierten ukrainischen Regierung gegen deren Willen, und damit auch gegen den mehrheitlichen Willen des ukrainischen Volks, einen Diktatfrieden im Sinn des russischen Aggressors aufzwingt.
Ohne Rösti, dieser Personifikation urschweizerischer Gmögigkeit, autoritäre Anwandlungen unterstellen zu wollen: Seine Antwort auf die Frage eines Gymnasiasten erinnert von fern an jene antidemokratische Tradition, welche die Demokratie von innen heraus infrage stellt, indem sie der autoritären Tatkraft eines Einzelnen grössere Wirkung zutraut als dem Prozedere, das den Kern eines freiheitlichen Systems ausmacht: das mühselige, langwierige, kompromissbereite Austarieren unterschiedlicher Interessen. Trumps «Make America Great Again»-Bewegung ist vom kindlichen Vertrauen in die Willensstärke eines einzigen mächtigen Individuums geprägt, genauso wie der bewundernde Zuspruch von Exponenten rechtspopulistischer und teilweise auch konservativer Parteien gegenüber autoritären Figuren à la Putin, Orban oder Bolsonaro.
Und es ist noch nicht sehr lange her, da feierten auch Linke die angeblichen sozialen Errungenschaften eines Hugo Chávez oder eines Fidel Castro, obwohl – oder gerade weil – sie auf autoritärem Durchsetzungsvermögen statt auf einem dauerhaften demokratischen Konsens beruhten.
Wie schlimm kann das noch werden?
Sollte Trump nächste Woche die US-Wahlen gewinnen, dann stehen wir vor der paradoxen Situation, dass sich ein deklarierter Antidemokrat darauf berufen kann, seine autoritäre Vision mit demokratischer Legitimation zu verfolgen. Die weltweite Krise der Demokratie und des aufgeklärten Rechtsstaats, von der seit einiger Zeit so häufig und zu Recht die Rede ist, würde sich dramatisch verschärfen.
Immerhin hätte Trump in der Schweiz laut einer im Auftrag des «Nebelspalters» durchgeführten Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo selbst bei der SVP-Basis keine Mehrheit, zumindest keine absolute. 40 Prozent würden ihn wählen, während 31 Prozent für Kamala Harris und 29 Prozent für «eine andere Person» (fragt sich bloss, welche?) stimmen würden. Mit viel Goodwill lässt sich daraus der Schluss ziehen: Die Anhängerschaft der SVP zeigt mehr demokratiepolitisches Verantwortungsbewusstsein als ihr Bundesrat.
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