USA gegen GoogleDer Fall, der über die Zukunft der Techkonzerne entscheiden kann
Missbraucht Google mit seiner Suchmaschine seine Marktmacht? Die US-Regierung hat den Konzern jetzt in einem Kartellverfahren vor Gericht gebracht. Droht die Zerschlagung?

Am 7. Juli 2001 hatte die Welt der Politik einen grossen Sieg gegen die Welt der Technologie errungen. Richter Thomas Penfield Jackson entschied: Microsoft muss zerschlagen werden. Der Konzern sei ein Monopolist, der den Menschen seinen Browser, den Internet Explorer, aufzwinge. Das Unternehmen aus Redmond benachteilige die Konkurrenz von Apple und Netscape auf illegale Weise.
In der öffentlichen Wahrnehmung galt der erfolgsverwöhnte Konzern nun als unsympathisch. Seine Vertreter inklusive Gründer Bill Gates hatten in den Befragungen vor Gericht sehr arrogant gewirkt.
Der Triumph des Justizministeriums, das Microsoft verklagt hatte, währte nicht lange. In der Berufung gewann Microsoft, die Zerschlagung war vom Tisch.
Es geht vor allem um die Deals, die Google mit Smartphone-Herstellern wie Apple und Samsung abgeschlossen hat.
Aber das Unternehmen wurde gezwungen, Teile seiner Systeme für Konkurrenten zu öffnen. Microsoft agierte nun mit Fesseln und erlebte ein schwieriges Jahrzehnt. Es war die grösste Konfrontation zwischen der US-Techbranche und der eigenen Regierung. Bislang.
An diesem Dienstag beginnt, wieder in einem Washingtoner Gerichtssaal, ein Verfahren, das an jenes gegen Microsoft erinnert. Erstmals landet einer der grossen Kartellfälle gegen die Nachfolgegeneration Microsofts – Google, Meta, Amazon – vor Gericht. Zehn Wochen lang soll verhandelt werden.
Es geht vor allem um die Deals, die Google mit Smartphone-Herstellern wie Apple und Samsung abgeschlossen hat. Der Konzern zahlt Milliarden Dollar dafür, dass die Hersteller Google als voreingestellte Suchmaschine in ihren Geräten verwenden.

Die Frage ist nun: Missbraucht Google seine Marktmacht, um andere Unternehmen zu solchen Verträgen zu zwingen und die Nummer eins auf dem Markt zu bleiben? Das Ministerium argumentiert, die Deals behinderten «kleine, innovative Suchmaschinen». Sie könnten so nicht zu ernst zu nehmenden Konkurrenten für Google zu werden.
Daran schliesst sich die Frage an, ob Nutzern zugemutet werden kann, eine der anderen Suchmaschinen auszuwählen, oder ob die Voreinstellung von Google einen so starken Lock-in-Effekt hat und damit die Nutzer faktisch in Googles Ökosystem gefangen hält. Um dies zu beweisen, wird das Ministerium der «Financial Times» zufolge auch Verhaltenswissenschaftler vorladen. Sie sollen die These stützen, dass so eine Voreinstellung manipulativ ist.
Auch wer seine Marktmacht missbraucht, um Konkurrenten zu schaden, soll bestraft werden.
Eine Zerschlagung von Google steht also theoretisch im Raum. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sich diese Hardliner-Position durchsetzt. Nichtsdestoweniger ist das Verfahren ein Test für ein neues, aggressives Denken im Kartellrecht, das in der US-Regierung und in den von ihr besetzten Behörden Einzug gehalten hat.
Das Justizministerium stiess seine Beschwerde schon 2020 unter Präsident Donald Trump an. Unter seinem Nachfolger Joe Biden wurde dann deutlich, dass der Staat im Kartellrecht an einem Paradigmenwechsel arbeitet. Lange galt in den USA der sogenannte Standard des Verbraucherwohls.
Der bedeutet, dass ein Unternehmen nicht als Monopolist bestraft werden kann, wenn seine Produkte weder zu teuer noch zu schlecht für Verbraucher sind. Für Techkonzerne wie Amazon, Google und Facebook hiess das, dass sie zwar gigantische Marktanteile eroberten, aber unberührt von Monopolregeln blieben. Schliesslich waren ihre Apps und Websites bequem zu bedienen, verbraucherfreundlich und praktisch umsonst.
Nun versucht die Regierung einen Paradigmenwechsel: Auch wer seine Marktmacht missbraucht, um Konkurrenten zu schaden, soll bestraft werden. Die Position, das Internet könne man den Konzernen überlassen, die regelten das schon, ist in Washington Geschichte.
Die EU ist bei der Regulierung Vorreiterin
In den USA tat sich lange nichts, während die EU-Kommission Strafen in Milliardenhöhe gegen Google und andere Techkonzerne aus den USA verhängte. Denn geht es um die Regulierung der Techplattformen, sind die Europäer Vorreiter.
Dass sich die Sichtweise der US-Regierung vor dem Washingtoner Gericht durchsetzt, ist aber nicht gesagt. Die Parallelen zum Fall Microsoft sind da, zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren streiten der Staat und ein Techkonzern vor Gericht über Monopolfragen.
Dennoch ist die Position des Ministeriums im Fall Google womöglich schwächer als damals. Google argumentiert, die Verträge mit Apple und Co. liessen den Vertragspartnern viel Freiheit, wie sie die Suchmaschine dem Nutzer präsentierten. Zudem ähnelten sie jenen legalen Deals zwischen Cornflakes-Herstellern und Supermärkten, mit denen sich die Hersteller einen guten Platz im Regal sicherten.
Ob die Regeln der Einigung zwischen Ministerium und Microsoft 2001 verantwortlich waren für die folgende Krise des Konzerns, ist bis heute eine der grossen Fragen unter Kartellrechtlern. Möglich ist auch, dass der Herr der PC-Betriebssysteme, Bill Gates, einfach das Internet verschlafen hat. Dessen grösster Nutzniesser, der die Welt eroberte, heisst Google.
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