Wettbewerbshüterin scheitert mit KlageKrachende Niederlage für Joe Bidens Kampf gegen Tech-Giganten
Die US-Regierung will die fortschreitende Machtballung in der Techindustrie bremsen, scheitert aber mit ihrer aggressiven Strategie. Als Nächstes will sie gegen Open AI vorgehen.

Lina Khan bewahrte am Donnerstag bei ihrer ersten Anhörung im US-Kongress kaltes Blut. Republikanische Abgeordnete warfen ihr wahlweise Unfähigkeit, diktatorisches Gehabe und Machtmissbrauch vor. Doch die Chefin der Federal Trade Commission (FTC), der Wettbewerbsaufsicht für die Techindustrie, widersprach ihren Kritikern: Die Quasi-Monopole der Techgiganten hätten für die Konsumenten mehr Schaden als Nutzen, weshalb sie weiterhin vor Gericht für die Interessen der Bürger kämpfen wolle, selbst wenn sie verliere.
Doch die 34-jährige Khan hat ein Problem. Sie erleidet bei vielen Fällen eine Niederlage. Und die FTC verliert mit riskanten, aber abgewiesenen Klagen an Stosskraft.
Anthony Sabino, Rechtsprofessor an der St. John’s University, kritisiert, dass Khan das in mehr als hundert Jahren entwickelte Wettbewerbsrecht mit der Brechstange ändern wolle. «Es ist unklug, das Kartellrecht über Nacht ändern zu wollen.»
Gericht weist Klage gegen Microsoft ab
Der aktuelle Fall betrifft die Übernahme von Activision Blizzard, einem führenden Hersteller von Computer- und Videospielen, durch Microsoft. Der Deal ist mit 75 Milliarden Dollar einer der grössten in der Techindustrie überhaupt und der bedeutendste FTC-Fall in der Amtszeit von Präsident Joe Biden. Er hatte Khan gewählt, weil sie versprach, Übernahmen durch Techgiganten um jeden Preis zu stoppen.
«Die Übernahme wird den Wettbewerb nicht behindern, sondern verbessern.»
Khan zog die Übernahme vor Gericht, obwohl die Europäische Union den Deal bewilligt hatte und zahlreiche Kartellexperten davor warnten, eine sogenannte vertikale Fusion anzugreifen. Darunter versteht man den Zusammenschluss zweier Unternehmen, die in der gleichen Branche tätig sind, aber verschiedene Dienstleistungen oder Produkte anbieten. Vertikale Zusammenschlüsse zwischen zwei nicht direkt konkurrenzierenden Unternehmen werden in den USA in der Regel als schädlich beurteilt, aber bewilligt.
Prompt erlitt Khan diese Woche eine krachende Niederlage. Eine von Präsident Biden eingesetzte Richterin in Kalifornien wies die Klage gegen den Microsoft-Deal auf allen Ebenen ab. Khan habe nicht nachweisen können, dass die Übernahme den Konsumenten schade. «Die FTC konnte mit keinem einzigen Dokument die Aussage von Microsoft widerlegen, wonach das Videospiel ‹Call of Duty› (von Activision) künftig auch auf der Playstation (des Konkurrenten Sony) erhältlich sein wird.»
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Tatsächlich hat Microsoft allen Grund, so die Richterin, die Videospiele von Activision auf möglichst vielen Kanälen zu vertreiben, «weil der finanzielle Erfolg davon abhängt». Fazit: «Die Übernahme wird den Wettbewerb nicht behindern, sondern verbessern.»
Bereits die zweite Niederlage in kurzer Zeit
Vor dem Kongress wollte Khan nicht detailliert auf den Microsoft-Deal eingehen, da sie den Fall weiterziehen wird. Aber sie machte geltend, dass sie von der Gegenseite «kräftemässig total ausgestochen» werde und deshalb auch Fälle weiterziehen müsse, wenn diese nicht garantiert gewonnen werden könnten. Die FTC verfügt über ein Jahresbudget von rund 500 Millionen Dollar, während die Techindustrie dieses Jahres über 250 Millionen Dollar ins Lobbying gegen neue Regulierungen investiert hat.
Das Microsoft-Urteil schmerzt Khan umso mehr, als es von einer demokratischen Richterin kommt und bereits die zweite Niederlage in wenigen Monaten ist. Im Frühling ging es um die Übernahme von Within, einem auf virtuelle Realität spezialisierten Unternehmen, durch den Facebook-Mutterkonzern Meta. Obwohl zu befürchten ist, dass Mark Zuckerberg so die Dominanz im Metaversum weiter zementieren will, konnte Khan nicht überzeugend zeigen, dass deswegen der Wettbewerb behindert wird.
«Alle diese Gerichtsniederlagen machen die Federal Trade Commission mehr und mehr zu einem Papiertiger.»
Der betroffenen Branche spielen diese Rückschläge in die Hand. «Alle diese Gerichtsniederlagen machen die Federal Trade Commission mehr und mehr zu einem Papiertiger», meint Adam Kovacevich, Chef der Branchenorganisation Chamber of Progress, die Technologieunternehmen wie Amazon, Meta, Google und Apple vertritt. «Die FTC verliert an Glaubwürdigkeit.»
Das «Wall Street Journal» geht einen Schritt weiter. Es schreibt: «Ein Firmenchef mit einer vergleichbaren Serie von Misserfolgen würde seine Stelle verlieren.»
Die Ausgangslage für den nächsten Fall ist aus Sicht von Khans Vorgänger bei der FTC, William Kovacic, schlecht. «Amazon dürfte mit einer grossen Zuversicht in den Kampf steigen. Es wird Khan sehr schwerfallen, ihre Strategie mit genug Beweismaterial zu untermauern und das Gericht für sich zu gewinnen.» Im Fall Amazon will Khan beweisen, dass der Konzern mehrere Millionen Kunden mit manipulativen und irreführenden Versprechen in den kostenpflichtigen Prime-Service gedrängt hat.
Amazon ist der Lieblingsfeind von Khan. Als 27-jährige Studentin hatte sie eine detaillierte Analyse der Wettbewerbsverstösse des Konzerns veröffentlicht und eine schärfere Aufsicht gefordert. Mit dieser Analyse machte sich Khan einen Namen, der ihr nur fünf Jahre später zur Wahl an die Spitze der FTC verhalf.
Schon kommt die nächste Klage
Dass sie nicht klein beigeben wird, machte sie am Donnerstag kurz vor Beginn des Hearings deutlich. Sie eröffnete eine Voruntersuchung gegen Open AI, die Herstellerin von Chat-GPT. Sie wirft dem Unternehmen vor, mit Hilfe künstlicher Intelligenz Falschinformationen zu verbreiten und Kundendaten nicht genügend zu schützen.
Auch gegen Twitter will sie weiterhin vorgehen, da Elon Musk die privaten Daten von über 150 Millionen Nutzern in den USA nicht sicher verwahren wolle. Musk ist für sie ein «Serientäter».
Noch ist der Microsoft-Deal nicht unter Dach, da die britischen Kartellbehörden den Fall als Letztes bewilligen müssen. Mit der Übernahme würde sich Microsoft an die Spitze der 175 Milliarden Dollar schweren Gaming-Industrie katapultieren und trotz allen Zusicherungen für einen fairen Markt seine Macht ausbauen.
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