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US-Wahlkampf
Ist das die Frau, die diesen Männern gefährlich werden könnte?

Republican presidential candidate former UN Ambassador Nikki Haley speaks at a campaign event, Sunday, Jan. 14, 2024 in Adel, Iowa. (AP Photo/Abbie Parr)
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Ist das die Frau, die diesen Männern gefährlich werden könnte? «Nikki Haley for President» steht auf Wahlkampfschildern, ein paar davon stecken hier draussen im Schnee, in einem Neubaugebiet in Ankeny am Rande von Des Moines, Iowa. Tiefster Winter ist hereingebrochen, weiss, stürmisch und eiskalt. «Was für ein grosser Stolz», ruft Nikki Haley drinnen im warmen Lokal ins Mikrofon. «So gut, Sie alle zu sehen, wie Sie an diesem verschneiten Tag den Raum füllen.»

Amerika schaut seit Wochen auf diese Frau, erst recht vor den ersten Vorwahlen an diesem Montag. Wer den US-Präsidenten Joe Biden und seinen Herausforderer Donald Trump gleichermassen ablehnt, der erkennt in ihr eine Art letzte Hoffnung, eine Alternative für die entzweiten Staaten von Amerika. Für moderate Republikaner ist sie das Gegenmodell zum Angeklagten Trump, der Nazi-Sprüche klopft, Richter beleidigt und schon einmal die Demokratie zerlegen wollte.

«Eine neue Generation konservativer Führung»

Die Tochter von Einwanderern aus Indien könnte sein, was viele Amerikaner suchen, frustriert von der Aussicht auf ein weiteres Duell Biden gegen Trump. Sie ist mit 51 Jahren erheblich jünger als diese Herren von Anfang achtzig und Ende siebzig. «Eine neue Generation konservativer Führung» verspricht ihr Flyer und regt eine Überprüfung der mentalen Fähigkeiten von Politikern im Alter von mehr als 75 Jahren an. Zu ihren Unterstützern gehören die Milliardäre der New Yorker Koch-Familie, die von Trump ebenfalls genug haben.

Das «Wall Street Journal» kam im Dezember zu dem Ergebnis, dass sie Biden mit 17 Prozent Vorsprung bezwingen würde. «Wenn sie Nikki Haley nominieren, sind wir in Schwierigkeiten», zitierte das Magazin «Politico» bereits im Sommer 2023 einen demokratischen Strategen.

«Pro-Life. Pro-Gun. Pro-Police» ist auch auf ihren Zetteln zu lesen, aber eher versteckt; in Abtreibungsfragen akzeptiert Haley inzwischen die freie Entscheidung. Unabhängige Landsleute könnten sich eventuell auf den Kompromiss Haley verständigen, womöglich sogar mit Biden hadernde Demokraten.

Mike Pence und Chris Christie haben schon aufgegeben

Einer Nominierung beim Kongress ihrer Partei im Sommer dürfte nach aktuellem Stand allerdings eindeutig Donald Trump im Wege stehen, er führt in republikanischen Umfragen überlegen. Andererseits: Wenn Haley in Iowa Ron DeSantis besiegen würde und eine Woche später in New Hampshire noch besser abschneiden sollte, dann bliebe sie zumindest im Rennen und wäre seine einzige echte Konkurrentin.

Republican presidential candidate Florida Gov. Ron DeSantis arrives to speak at a Northside Conservatives Club Meeting at The District in Ankeny, Iowa, Friday, Jan. 12, 2024. (AP Photo/Andrew Harnik)
Ron DeSantis

Auf den hinteren Plätzen dieses sündteuren Wettbewerbs hält es niemand lange aus, kürzlich hat nach Mike Pence auch der Trump-Kritiker Chris Christie aufgegeben. Wem wenden sich deren Anhänger zu – der versöhnlichen Haley oder dem sperrigen DeSantis? Ob er oder sie Zweiter wird, ist die entscheidende Frage beim Iowa Caucus, als dessen Sieger Trump so gut wie feststeht. Platz zwei würde immerhin sehr, sehr vage Hoffnungen retten, weil niemand weiss, wie der Frontrunner seine gesammelten Anklagen übersteht.

Trump hat hier verloren – gegen Ted Cruz

«Wir können es schaffen», sagt Haley. «Sie haben etwas Besseres verdient. Sie verdienen ein Amerika ohne Chaos, ohne Trommel. Wir werden es besser machen.» Das klingt fast wie das «Yes we can» von Barack Obama, dessen Aufstieg 2008 hier im beschaulichen Iowa begann. Damals und 2012 wählten weite Teile dieses Bundesstaates Blau, die Farbe der Demokraten. Ab 2016 wurde Iowa dann zunehmend rot, wobei Trump seinerzeit zum Einstand gegen Ted Cruz verlor.

Die Demokraten machen diesmal gar nicht erst mit bei diesem Caucus, der traditionell das Präsidentschaftswahljahr einläutet. Sie fangen später an und haben ohnehin hauptsächlich Biden im Angebot. Registrierte Republikaner dagegen dürfen am 15. Januar in Hunderten Aulen oder Turnhallen zusammenkommen und ihren bevorzugten Namen auf Zettel schreiben, im Wesentlichen Trump, Haley oder DeSantis.

Es soll ja niemand beim Anstehen erfrieren

Hier, mitten in den USA, wird die Stimmung gemessen für den Marathon Richtung Weisses Haus. Alle vier Jahren interessiert sich die Welt deshalb brennend für Iowa, diese flache Region mit ihren Feldern, Farmen und Trucks und einer durchaus boomenden Hauptstadt Des Moines, die gern übersehen wird. Seit Tagen schneit es wie irre, die gefühlte Temperatur sank am Wochenende auf minus 30 Grad.

FILE - Republican presidential candidate Nikki Haley speaks during a town hall, Nov. 17, 2023, in Ankeny, Iowa. In 2024, Iowa will again hold the first Republican contest. (AP Photo/Charlie Neibergall, File)

Flüge werden gecancelt, Autos rutschen über schneeverwehte Strassen, Blizzards fegen übers Land. Trump hat die meisten seiner letzten Termine deshalb in Fernsehformate umgewandelt, es soll ja niemand beim Anstehen erfrieren.

Ob sich trotz der nahezu arktischen Kälte noch jemand für diese Abstimmung erwärmt, wird sich zum Wochenanfang zeigen. Jedenfalls war bei besserem Flugwetter selbst Trump ein paarmal in der Provinz, und seine Gegner touren seit Monaten durch die Landkreise. DeSantis hat sogar alle 99 Countys von Iowa abgeklappert. Am Tag nach Nikki Haleys Auftritt setzt er seine Serie im Polk County fort, gleich um die Ecke in Ankeny. Morgens um halb acht, draussen tobt ein Schneesturm.

Trump ist der ewige Entertainer

Interessant ist, alle drei nacheinander zu erleben. Trump ist der ewige Entertainer, DeSantis ziemlich genau das Gegenteil. Noch vor einem Jahr galt er als der Mann, der mit schneidiger Sprache und familiärer Inszenierung seinen einstigen Mentor Trump übertrumpfen könnte. Dann ging es in seinem zunehmend verkrampften Kulturkampf abwärts. Trump macht sich nur noch über ihn lustig, Haley veralbert ihn in einem neuen Video als Trumps Söhnchen.

Hinter seinem Pult in Ankeny weiss DeSantis (45) nicht so recht, wo die linke Hand hinsoll. Rein in die Hosentasche, wieder raus, wieder rein. Aber auch er hat dazugelernt und wiederholt routiniert seine Geschichte vom Sieger, der 2022 souverän als Gouverneur von Florida bestätigt wurde, während Trumps Auserwählte bei den Zwischenwahlen schlecht aussahen. Sein Mantra ist derzeit, dass Trump für sich selbst antrete, Haley für ihre Gönner – «und ich für euch».

Haley wirkt authentischer, nahbarer, weltläufiger

Dennoch wirkte seine Rivalin tags zuvor nebenan authentischer, nahbarer, weltläufiger, weniger bemüht. Sie verhehlt nicht, dass sie mal Teil von Team Trump war, als UNO-Botschafterin von 2017 bis 2018. Sie verwandelt die Episode bei den Vereinten Nationen aber in «aussenpolitische Erfahrung» und geht zu ihrem Ex-Chef ansonsten so sanft auf Distanz, dass sich Fans seiner ersten Amtszeit nicht zu sehr erschrecken.

Trump sei der richtige Präsident zur richtigen Zeit gewesen, sagt Haley, sie sei mit vielen seiner Massnahmen einverstanden. «Aber ob zu Recht oder zu Unrecht, das Chaos folgt ihm. Ihr alle wisst es. Das Chaos der Demokraten kann man nicht mit dem Chaos der Republikaner besiegen.»

Klar, auf der Suche nach den letzten Stimmen spielen sie alle ihre Rolle. Doch Nikki Haley hält eine gut komponierte, freie und nicht allzu lange Rede, ehe sie sich nahezu jedem einzelnen Gast persönlich zuwendet, Selfie selbstverständlich inklusive.

Wen wird der Grossvater wählen?

Da steht sie schliesslich auch mit der Familie von Vince Neuendorp, seinen Enkel auf dem Arm. Grossvater Neuendorp, Ende sechzig, hat früher mal Jimmy Carter gewählt, einen Demokraten, und seither nur noch Republikaner. Vor seinem Besuch bei Nikki Haley war er unentschieden, ob er beim Caucus für sie oder DeSantis stimmen soll. Und danach? «Ich bin jetzt bei 80:20», sagt er. Kurze Pause. «90:10.» Sie gefiel ihm ganz ausgezeichnet. «Sie spricht mit uns, wie man mit Erwachsenen spricht.» Er würde sie sogar lieber als republikanische Kandidatin sehen als Trump.

Wenn aber doch der Ex-Präsident am 5. November 2024 wieder zur Wahl stehen wird, trotz seiner Rolle beim Sturm aufs Capitol im Januar 2021, trotz seiner vielen Gerichtsverfahren, trotz des Chaos, das ihn begleitet – dann weiss Neuendorp schon, wen er wählen würde: «Trump.»