Präsidentschaftsdebatte der Republikaner Trump ist nicht da und doch mittendrin
Die Präsidentschaftsanwärter der US-Republikaner debattieren ohne den grossen Favoriten. Trump glänzt lieber durch Abwesenheit – und dürfte doch genau hinschauen.
Falls es in den USA einen einzigen Menschen gab, der die chaotische zweite Präsidentschaftsdebatte der republikanischen Kandidaten am späten Mittwochabend mit Freude verfolgt hat, so dürfte das Donald Trump gewesen sein. Der ehemalige Präsident hat wie schon beim ersten Mal nicht teilgenommen, und so wurde er erneut Zeuge, wie seine verbliebenen sieben Konkurrenten um die Kandidatur der Republikaner sich fortwährend ins Wort fielen, einander attackierten und ausnahmslos den Eindruck erweckten, jetzt schon Kandidaten der Verzweiflung zu sein.
Trump führt in allen Umfragen unter Republikanern mit immensem Vorsprung. Deshalb tritt er geradezu lustvoll nicht bei diesen Debatten auf. Am Mittwoch reiste er stattdessen nach Michigan, um bei den streikenden Arbeitern der Autoindustrie Punkte zu sammeln. Auf dem Flug dahin schickte er eine E-Mail an seine Anhänger. Es war nicht die übliche Bettel-Mail, in der er um Spenden bittet und seine Fanartikel verkaufen will, die er sonst mehrmals am Tag absetzt. Diesmal schrieb er, jedes Wort ebenso gesetzt wie voller Hohn: «Ich habe gerade erfahren, dass es angeblich heute Nacht eine republikanische Debatte gibt. Sieh an.»
Unoriginelle Wortspiele, Attacken, Kritik
Sieben Bewerberinnen und Bewerber traten an, allesamt chancenlos, wenn es nicht noch zu grössten Umwälzungen kommt. Meistens wollten sie Trump nicht allzu offen attackieren. Dahinter scheint die Strategie zu stecken, dass sie, sollte Trump aus irgendwelchen Gründen doch nicht bis zum Ende durchhalten, vielleicht dessen Basis begeistern könnten. Allein Chris Christie, der frühere Gouverneur von New Jersey, griff Trump mehrmals offen an, das ist schon länger seine Strategie. Diesmal nannte er Trump in einem nicht allzu originellen Namenswortspiel Donald Duck. Tatsächlich ist es so naheliegend, dass seit Jahren niemand mehr auf diese plumpeste aller Attacken gesetzt hat.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis, der einst als ernst zu nehmender Herausforderer Trumps galt, stellte erneut auf nationaler Bühne unter Beweis, wie sagenhaft uncharismatisch er ist. Immerhin erlaubte er sich, Trump erstmals zumindest ein wenig zu kritisieren. Dieser habe als Präsident zu viele Schulden angehäuft. Diese Kritik hat er sich allerdings bei seiner Rivalin Nikki Haley geborgt, die mit dem Schuldenthema schon länger hausieren geht.
Haley, die als vormalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen versuchte, aussenpolitische Kompetenz zu vermitteln, verbuchte einen der wenigen Lacher des Abends, indem sie sagte, sie fühle sich jedes Mal dümmer, wenn Vivek Ramaswamy etwas sage. Der 38 Jahre alte Pharmaunternehmer ist der Aussenseiter unter den Aussenseitern, tritt jedoch so arrogant und geschmeidig auf, dass die anderen sechs Diskutanten sich immerhin in einem einig sind: Sie alle können Ramaswamy offensichtlich nicht ausstehen.
Wer könnte Trumps Vize werden?
Die meisten Kommentatorinnen sind der Ansicht, dass es in diesen Debatten bestenfalls darum geht, wer sich Donald Trump als Vize andienen könnte. Sämtliche Kandidaten verneinen das entschieden, doch der Einzige, der es glaubhaft verneint, ist Mike Pence. Der war nämlich schon einmal Vizepräsident von Donald Trump, ist allerdings in Ungnade gefallen, weil er diesen nicht in seinem Bemühen unterstützte, die rechtmässige Wahl von 2020 zu unterminieren. Der von Trump angestachelte Mob forderte am 6. Januar 2021 beim Sturm aufs Capitol deshalb, Pence solle gehängt werden. Trump hat das, wie es den Eindruck machte, billigend zur Kenntnis genommen.
Der Senator Tim Scott ist der einzige schwarze Bewerber im Feld. Er ist eloquent, er hat Dutzende Millionen Dollar an Spenden eingenommen, doch in der Debatte blieb er wie beim ersten Mal eher im Hintergrund. Kurz griff er mal Ramaswamy an, aber das taten ja alle. In einem besonders entschlossen vorgetragenen Statement, von dem er wohl hoffte, es werde ein Schnipsel für die Nachrichtensendungen, sagte er, Amerika sei kein rassistisches Land, obwohl er selbst Diskriminierung erfahren habe. Scott gilt als möglicher Vize von Trump, weil dieser darauf hoffen könnte, so bei moderaten Wählerinnen und Wählern der Mitte zu punkten, und natürlich bei der schwarzen Bevölkerung, die überwiegend demokratisch wählt.
Die republikanische Debatte vom Mittwoch und alle, die noch folgen werden: Könnte man sich vermutlich sparen.
Die Debatte fand in der zu Ehren von Ronald Reagan eingerichteten Präsidentenbibliothek im Simi Valley in Kalifornien statt, nordwestlich von Los Angeles gelegen. Daher war es keine Überraschung, dass der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, obwohl Demokrat, im Publikum sass. Newsom werden Ambitionen auf die Präsidentschaft nachgesagt, und manche Demokraten wünschen sich, er würde schon im kommenden Jahr anstelle des 80 Jahre alten Amtsinhabers Joe Biden antreten. Doch Newsom schloss das auch an diesem Abend wieder einmal kategorisch aus.
So läuft weiterhin alles darauf hinaus, dass sich bei den Wahlen im November des kommenden Jahres erneut Joe Biden und Donald Trump gegenüberstehen. Die republikanische Debatte vom Mittwoch und alle, die noch folgen werden: Könnte man sich vermutlich sparen. Zudem hat Trump mittlerweile ein Auge auf South Dakotas Gouverneurin Kristi Noem als mögliche Vizepräsidentin geworfen.
Die stand zwar am Mittwoch im Simi Valley nicht auf der Bühne, doch gleich in der ersten Werbeunterbrechung der von Fox News veranstalteten und übertragenen Debatte lief ein Werbespot von ihr. Dieser war, davon kann man fest ausgehen, für einen einzigen Zuschauer gedacht.
Fehler gefunden?Jetzt melden.