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Verschwörungsthesen im US-Wahlkampf
Fressen und gefressen werden mit Donald Trump

epa11597701 Republican presidential nominee and former US president Donald Trump speaks to members of the media following his presidential debate with Vice President Kamala Harris in the debate's press file in Philadelphia, Pennsylvania, USA, 10 September 2024. The two candidates faced off for 90 minutes in their only planned debate of the 2024 presidential election.  EPA/JIM LO SCALZO
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Selbstvorwürfe plagen die amerikanischen Journalisten. Haben sie – schon wieder – dazu beigetragen, dass Donald Trump sich die Präsidentschafts­kandidatur der Republikaner sichern konnte? Ein Mann, der am Dienstag allen Ernstes vor mehr als 60 Millionen TV-Zuschauern behauptete, Migranten würden Hunde und Katzen essen?

Der Begriff der Stunde lautet «Sanewashing»: Zurechnungsfähig gewaschen hätten die Journalisten den Wüterich aus Florida. Sie gäben nicht seine vollständigen Reden wieder, sondern nur ein paar wenige Schnipsel, von denen der ganze Irrsinn weggewaschen sei. So wirke der 78-Jährige zurechnungsfähiger, als er es sei, hielt «The New Republic» fest. Die Kritik griff schnell um sich, allerdings nicht ganz so rasant wie die Gerüchte, die Trump in die Welt hinausposaunt.

Der frühere Reality-TV-Star ohne Filter

Bei der Präsidentschaftsdebatte vom Dienstag antwortete er nicht auf eine Frage nach der Einwanderungsreform, sondern erzählte eine Mär, die sein Vize J. D. Vance verbreitet hatte.

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«In Springfield essen sie Hunde. Die Leute, die hereingekommen sind», sagte Trump. «Sie essen die Katzen. Sie essen – sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben.»

Moderator David Muir von ABC widersprach sofort, der Stadtverwalter habe das Gerücht widerlegt.

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«Aber die Leute im Fernsehen sagen, ihr Hund sei gegessen worden von Leuten, die dorthin gegangen waren», versuchte sich Trump zu rechtfertigen.

Die Episode dominiert auch Tage danach viele Gespräche, weil der ungefilterte Blick auf den Präsidentschaftskandidaten die Amerikaner erschreckt hat. Viele hatten bereits verdrängt, wie der frühere Reality-TV-Star im Wahlkampf 2016 und dann als Präsident die Nation an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte.

Ums Fressen oder Gefressenwerden geht es in den USA ja ständig, im übertragenen Sinn. In einem der reichsten Länder der Welt leben 11 Prozent der Menschen in Armut. Den Kampf ums Überleben versteht Trump als Potenzial. Er versucht, die einen hinter sich zu scharen, die Stimmberechtigten, indem er auf die anderen zeigt, vornehmlich jene ohne amerikanischen Pass.

Zuwanderung setzt Springfield, Ohio, zu

Die Fakten hinter der Migrantenmär sind schnell erzählt. Der Reflex gegen Einwanderer ist tief verankert in dem Einwanderungsland, gegen Iren, Chinesen, Italiener, Polen, Lateinamerikaner, Katholiken, Juden. Vor 50 Jahren ging das Gerücht um, die asiatischen Einwanderer der Hmong würden Hunde und Katzen essen. Die Hmong hatten im Vietnamkrieg für die CIA gekämpft und waren in die USA geflüchtet.

Nun kursiert dieselbe Behauptung über Haitianer in Springfield. Die Kleinstadt in Ohio mit 60’000 Einwohnern hat eine starke Zuwanderung erlebt. 15’000 bis 20’000 Migranten sind laut Stadtverwaltung in den vergangenen vier Jahren hinzugekommen, viele aus Haiti. Sie haben von den Bundesbehörden einen vorübergehenden Schutzstatus erhalten, weil es derzeit nicht zumutbar ist, sie auf ihre von Ganggewalt geplagte Inselhälfte zurückzuschicken.

In Springfield finden Migranten günstige Wohnungen und viele offene Arbeitsstellen, etwa beim Versandhändler Amazon. Die grosse Zahl der Neuankömmlinge ist eine Herausforderung für die Stadt, die nun schnell mehr Wohnraum schaffen will. An die Grenze geraten sind die Schulen und das Gesundheitssystem, lange Wartezeiten in Arztpraxen sind die Folge. Einwohner beklagen sich, Einwanderer befolgten die Verkehrsregeln nicht. Spannungen löste ein Unfall aus, bei dem ein Mann aus Haiti mit einem Minivan in einen Schulbus prallte. Ein 11-Jähriger kam ums Leben, der Haitianer wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Die Katze der Bekannten der Tochter des Nachbarn

Die Stadtbehörden haben mit einer Informationsoffensive reagiert. Auf ihrer Website beantwortet die Verwaltung Fragen zur Einwanderung, die Polizei widerlegte Gerüchte über angebliche Belästigungen durch Migranten.

Gegen die «illegalen Einwanderer» macht Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance Stimmung, zuletzt mit dem Gerücht über verspeiste Haustiere. Es stammt aus einer geschlossenen Facebook-Gruppe, Quelle ist die Bekannte der Tochter eines Nachbarn, die ihre Katze vermisse, natürlich alle anonym, einschliesslich der Katze.

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Der rechte Provokateur Charlie Kirk trug die Schauermär via soziale Medien an die breite Öffentlichkeit, sekundiert von Techmilliardär Elon Musk. Rasch war die Rede von Gänse- und Entenjagden in öffentlichen Parks, bald machten Bildmontagen die Runde, die Trump als Retter von Katzen und Gänsen inszenierten.

Einen Tag lang ruhte der Irrsinn

Nun befürchten die Behörden reale Gewalt gegen Migranten, es wäre nicht das erste Mal. John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sagte: «Das muss aufhören.» Das zuständige Ministerium Haitis verwahrte sich gegen Trumps Unterstellungen, «die die Würde unserer Landsleute verletzen und ihr Leben in Gefahr bringen».

Die Eltern des getöteten Schuljungen baten die Politiker, ihr Schicksal nicht für den Wahlkampf zu missbrauchen. Der Gouverneur von Ohio, der gemässigte Republikaner Mike DeVine, will 2,5 Millionen Dollar für das Gesundheitswesen in Springfield bereitstellen und mehr Polizisten entsenden. Sein Trump-höriger Justizminister Dave Yost hingegen beschuldigte Washington, Einwanderer nach Ohio zu schicken.

Donald Trump dürfte sich ohnehin nicht beirren lassen. Er hat all seine Wahlkämpfe auf Hetze gegen Migranten aufgebaut, Haiti hatte er einst als «shithole country» beschimpft. Die Medien werden ihn weiterhin «sanewashen» müssen, weil es gar nicht möglich ist, den ganzen Unsinn wiederzugeben, den er absondert. Zurück bleiben reale Leute mit realen Problemen, die Trump lieber bewirtschaftet als löst, wie Kamala Harris am Dienstag bei der Debatte bemerkte.

Schon am Tag darauf trafen sich die beiden zum zweiten Mal, an einer Gedenkfeier für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York. Erneut war es Harris, die Trump ihre Hand entgegenstreckte. Einen Tag lang ruhte der Wahlkampf. Aber der Irrsinn wird bald weitergehen.