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Massenausbruch
Ein Bandenführer stürzt Haiti ins Chaos

epaselect epa11192522 A person rides a motorcycle through street fires, in Port-au-Prince, Haiti, 01 March 2024, a day after gang violence left at least five dead and twenty injured. According to the latest report from the Haitian Police Union, there are five officers who died on 29 February and whose bodies have not yet been recovered. Initially, it was reported that four police officers lost their lives when armed gangs attacked a police station in Bon Repos, in Canaan, in the north of the capital.  EPA/Johnson Sabin
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Angesichts einer dramatischen Eskalation der Gewalt hat die Regierung von Haiti einen mindestens dreitägigen Ausnahmezustand ausgerufen und eine nächtliche Ausgangssperre für die Hauptstadt Port-au-Prince verhängt. Bei einem Angriff auf die beiden grössten Gefängnisse des Landes hatten bewaffnete Banden in der Nacht auf Sonntag Hunderten Inhaftierten die Flucht ermöglicht.

Der Ausnahmezustand solle zunächst für 72 Stunden gelten und könne verlängert werden, erklärte die haitianische Regierung am Sonntagabend. Die Ausgangssperre ist in der Nacht mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten und soll jeweils von 18 Uhr bis 5 Uhr morgens andauern.

Die Regierung erklärte, sie wolle mit diesem Schritt die Situation unter Kontrolle bringen und die öffentliche Ordnung wiederherstellen. «Die Ordnungskräfte wurden angewiesen, alle ihnen zur Verfügung stehenden legalen Mittel einzusetzen, um die Ausgangssperre durchzusetzen, und alle, die sich widersetzen, festzunehmen», erklärte Finanzminister Patrick Boisvert, der in Abwesenheit von Ariel Henry als geschäftsführender Ministerpräsident agiert.

Die nationale Polizei werde alles daransetzen, die entflohenen Gefangenen aufzuspüren und die Verantwortlichen für die kriminellen Handlungen sowie deren Komplizen festzunehmen, heisst es in einer Pressemitteilung der haitianischen Regierung.

Schwere Schiessereien

Bewaffnete Gruppen hatten am Samstag das Nationalgefängnis in Port-au-Prince angegriffen. Die Polizei konnte sie nicht daran hindern, eine grosse Anzahl von Gefangenen zu befreien, die unter anderem wegen Entführung, Mordes und anderer Straftaten inhaftiert waren.

Wie viele Häftlinge geflohen sind, blieb zunächst unklar: Die Regierung machte dazu keine offiziellen Angaben, Zahlen in den Medien variieren zwischen Hunderten und nahezu allen 3700 Inhaftierten. Es handle sich vermutlich um eine «überwältigende» Mehrheit, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters Quellen, die mit der Lage vertraut sind.

Youths raise their hands to show police they are not carrying weapons during an anti-gang operation at the Portail neighborhood in Port-au-Prince, Haiti, Thursday, Feb. 29, 2024. Gunmen shot at the international airport and other targets in a wave of violence that forced businesses, government agencies and schools to close early. (AP Photo/Odelyn Joseph)

Die Bandengewalt war in den vergangenen Tagen erneut eskaliert, nachdem der mächtige Bandenführer Jimmy Chérizier die kriminellen Gruppen aufgerufen hatte, sich zusammenzuschliessen, um Premierminister Henry zu stürzen. Mit schweren Schiessereien legten sie ab Donnerstag das öffentliche Leben in weiten Teilen von Haitis Hauptstadt lahm. Bei den Angriffen vom Wochenende wurden mehrere Menschen verletzt, unter den Polizisten und dem Gefängnispersonal soll es auch Tote gegeben haben.

Leichen in der Nähe des Gefängnisses

Augenzeugen berichteten von einem Dutzend Leichen in der Nähe des Gefängnisses von Port-au-Prince. Ob aus der zweitgrössten Haftanstalt in Croix-des-Bouquets ebenfalls Gefangene flüchten konnten, hat die haitianische Regierung nicht mitgeteilt.

Henry führt die Regierungsgeschäfte seit 2021 übergangsmässig. Er war in der vergangenen Woche nach Kenia gereist, um die Entsendung einer internationalen Polizeieinheit voranzutreiben, die die Lage im krisengeschüttelten Karibikstaat stabilisieren soll.

Nach monatelangen Verhandlungen unterzeichneten Vertreter beider Länder am Freitag ein entsprechendes Abkommen. Die kenianische Regierung will demnach tausend Polizeibeamte zum Kampf gegen die Bandenkriminalität nach Haiti entsenden. Nach UNO-Schätzungen sollen kriminelle Gruppen etwa 80 Prozent von Port-au-Prince kontrollieren und ihr Einflussgebiet zunehmend auch auf andere Landesteile ausweiten.

Mehr als 1100 Menschen getötet, verletzt oder entführt

Wie die Zeitung «Miami Herald» berichtet, sollen im Nationalgefängnis in Port-au-Prince auch mehrere Bandenführer inhaftiert gewesen sein. Ausserdem sitzen dort 18 kolumbianische Ex-Militärs, die des Mordes an Präsident Jovenel Moïse beschuldigt werden, ein, sie sind bei dem Angriff am Samstag offenbar nicht geflüchtet. Moïse war im Jahr 2021 in seinem Haus mit zwölf Schüssen getötet worden. Wer seine Ermordung in Auftrag gab, ist bis heute nicht geklärt.

Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Haiti stark verschlechtert. Allein im Januar wurden nach UNO-Angaben mehr als 1100 Menschen von Kriminellen getötet, verletzt oder entführt. Die Gewalt verschärft die ohnehin prekären Lebensbedingungen vieler Menschen. Haiti gilt als das ärmste Land Lateinamerikas und steckt seit Jahren in einer schweren Krise. Fast die Hälfte der elf Millionen Bewohner Haitis leidet laut UNO unter akutem Hunger.