Massnahmen gegen InflationFed hebt Zins erneut, war es das jetzt?
Die US-Zinsen steigen auf den höchsten Stand seit 22 Jahren. Der Kampf gegen die Teuerung geht in den Schlussspurt.
Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) hat den Leitzins am Mittwochabend nach einer Zinspause im Juni zum elften Mal seit Frühjahr 2022 angehoben. Mit 5,25 bis 5,5 Prozent notiert die Zinsspanne auf dem höchsten Stand seit 22 Jahren. Durch den Zins-Marathon hat Fed-Chef Jerome Powell die Teuerungsrate auf drei Prozent gedrückt und damit in Sichtweite des Fed-Ziels von zwei Prozent gebracht. Sorge bereitet Powell die Kerninflation, bei deren Berechnung die Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden. Dieser Wert lag zuletzt mit 4,8 Prozent deutlich höher.
Ähnlich ist die Lage in der Eurozone. Auch dort notiert die Inflation über dem Ziel von zwei Prozent. Die EZB dürfte daher am Donnerstag ebenfalls den Leitzins erhöhen. Erwartet wird ein Plus von 0,25 Prozent – der Leitzins würde dann 4,25 Prozent betragen. Das wäre der höchste Stand seit 2008 und ein möglicher Schlusspunkt der rasantesten geldpolitischen Kehrtwende in der Geschichte der EZB. Zur Erinnerung: Vor einem Jahr lag der Leitzins noch bei null Prozent.
In der Schweiz hat die Nationalbank (SNB) im Juni ebenfalls die Zinsen erhöht. Die Anhebung von 0,25 Prozent bringt den Leitzins auf 1,75 Prozent. Das war bereits die fünfte Erhöhung in Folge. Zwar ist die Inflation in der Schweiz gesunken, im Mai lag der Wert noch bei 2,2 Prozent. Sie liegt damit aber immer noch über dem ZIel der SNB. Diese verfolgt das Ziel der Preisstabilität und versteht darunter einen jährlichen Anstieg der Konsumentenpreise zwischen 0 und 2 Prozent.
Unterdessen ist die Inflation in der Euro-Zone im Juni auf 5,5 Prozent gefallen. Die Leitzinserhöhungen haben die Nachfrage in der Wirtschaft und damit den Preisdruck bereits ein wenig gebremst. Deutschland steckt in einer Rezession, der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet, dass Europas grösste Volkswirtschaft auch im Gesamtjahr 2023 schrumpft, während Italien und Spanien Wachstum verzeichnen würden.
Die Leitzinserhöhungen schlagen unterschiedlich stark an. «Die höheren Leitzinsen wirken relativ schnell im Bausektor, wo der Zins bei der Investitions- und Kaufentscheidung eine sehr wichtige Rolle spielt», sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Danach werde es schwieriger, es könne bis zu drei Jahre dauern, bis die Inflation aufgrund der hohen Leitzinsen wieder sinke.
Das Inflationsziel von zwei Prozent steht zur Debatte
Der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman bezifferte die Wirkungsverzögerung geänderter Leitzinsen in einem Aufsatz von 1961 auf eine Spanne von vier bis 29 Monaten. Friedman bezog sich auf Daten von 1870 bis 1960. Das ist lange her. Wissenschaftler diskutieren inzwischen, ob die Verzögerung heute kürzer ausfallen könnte. Aber wer weiss das schon mit Sicherheit? Für die Währungshüter ist das ein Problem. Sie können nicht ausschliessen, dass sich die aktuelle Leitzinserhöhung ein Jahr später als zu stark entpuppen wird, mit der Konsequenz einer schlimmen Rezession, die man vermeiden möchte.
Derzeit sieht es so aus, dass die EZB ihre Zinsanhebungen spätestens im September beenden könnte. Wie lange die Zinsen auf diesem Niveau bleiben und wann die erste Absenkung folgt, das ist offen. In diesem und im nächsten Jahr wird die Inflation wohl immer mehr als zwei Prozent betragen. Auch dieses in den vergangenen 30 Jahren zum Paradigma erhobene Inflationsziel ist in der Diskussion. In den 1990er-Jahren erstmals von der Zentralbank in Neuseeland eingeführt, verbreitete sich die Idee im Laufe der Zeit in anderen Ländern wie Australien, Schweden, Grossbritannien, den USA und der Euro-Zone. Das war ideal in einer Phase, in der die fortschreitende Globalisierung aufgrund der Kostenkonkurrenz weltweit für stabile Preise sorgte.
Die neuen geopolitischen Spannungen zwischen den westlichen Demokratien und China könnten allerdings zu höheren Inflationsraten führen, dann nämlich, wenn die Produktion bestimmter Güter heimgeholt wird – zu höheren Preisen. Aber auch diese These ist umstritten. «Es ist keine ausgemachte Sache, dass die Inflationsrate mittelfristig höher sein wird», sagt der frühere EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio: «Der Handel mit China ist nicht zurückgegangen, er ist prinzipiell gleich geblieben, sodass es hier nicht unbedingt einen Preisanstiegsdruck gibt.»
Wie es auch kommt, die EZB dürfte ihr Zwei-Prozent-Ziel erst ändern, wenn sie die aktuelle Inflationsrate auf diesen Zielwert gesenkt hat. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.
Fehler gefunden?Jetzt melden.