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Unzufrieden mit OECD-Steuer
Afrika will globale Steuer­reform – Schweiz winkt ab, verhandelt aber trotzdem

CAIRO, EGYPT- SEPTEMBER 11: A view of the administrative capital of Egypt, which started to be built in 2015 to solve the population density and traffic congestion in one of the most populous cities in the world, Cairo capital of Egypt on September 11, 2023. The new capital, built on an area of approximately 700 kilometers, and located on 60 kilometers to the east of Cairo, includes the presidency, prime ministry, parliament, ministries and other government buildings as well as embassies. In the financial center of the new capital, there are buildings of the Egyptian and world banks, and many skyscrapers such as the Iconic Tower, which is the tallest building in Africa. The project will also include houses, hotels, mosques, churches, parks, universities, research and cultural centers and a new international airport. The administrative capital, built with environmentally friendly technologies, is expected to be connected to Cairo by a metro line. (Photo by Fareed Kotb/Anadolu Agency via Getty Images)
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In Kürze:
  • Der Globale Süden drängt auf eine neue UNO-Steuerreform für mehr Steuergerechtigkeit.
  • Die UNO-Generalversammlung unterstützt den Plan der Afrika-Gruppe bislang trotz Widerständen.
  • Die Schweiz lehnt eine grundlegende UNO-Steuerreform ab, arbeitet aber konstruktiv mit.

Noch ist kein Franken geflossen, den die Unternehmen aufgrund der OECD-Steuerreform neu zusätzlich an die Staatskasse abliefern müssen. Auch ist bislang erst eines der drei Teilpakete in Kraft, deren Einführung die Bevölkerung im Juni 2023 zugestimmt hat. Dennoch beschäftigen sich Bundesrat und Parlament bereits mit dem nächsten Grossprojekt, dessen Urheber die weltweite Steuerlandschaft auf den Kopf stellen wollen.

Auch dieses Mal hat die Schweizer Regierung keine grosse Lust auf das Thema. Bereits für die OECD-Steuerreform hatte sie sich nur ausgesprochen, weil es noch schlechter gewesen wäre, international abseitszustehen. Seit diesem Jahr beträgt darum die Gewinnsteuer für Grossunternehmen in der Schweiz in allen Kantonen mindestens 15 Prozent.

Der Brocken, der jetzt ansteht, ist mindestens so klobig wie sein Name – doch je nach Verlauf könnte er eine enorme Tragweite entwickeln: Es geht um die Rahmenkonvention über internationale Steuerzusammenarbeit der Vereinten Nationen, also der UNO. Treiber dahinter ist der sogenannte Globale Süden, sprich die Entwicklungs- und Schwellenländer, die die Mehrheit der 193 UNO-Mitglieder ausmachen.

Konzernsteuern fallen weiter in Industriestaaten an

Aus ihrer Sicht ist die Steuerreform des Industrieländerclubs OECD unter Anführung der Europäer missraten: An dieser Reform beteiligen sich viele der Entwicklungs- und Schwellenländer zwar formell, sie haben jedoch wenig davon.

Die bisher global eingeführten OECD-Steuerregeln haben vor allem dazu geführt, dass Länder wie die Schweiz noch mehr Steuern einnehmen, da sie zuvor tiefere Unternehmenssteuern hatten. Statt wie bisher mit tiefen Steuern zu punkten, setzen sie das zusätzliche Geld jetzt zur Standortförderung ein. Der Globale Süden dagegen hat keinen Vorteil, weil die Gewinnsteuern dort in den meisten Fällen schon zuvor deutlich über 15 Prozent lagen.

Zudem ist jener Teil des OECD-Projekts bisher nicht konkretisiert, der den Ort der Besteuerung von den Ländern des Firmensitzes – also vor allem Europa und Nordamerika – hin zu den ärmeren Ländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika verschieben sollte. Das wird wohl auch nie geschehen. Der Grund dafür ist, dass die OECD nach dem Konsensprinzip funktioniert und die Interessen des Nordens und des Südens diesbezüglich weit auseinanderliegen.

Die UNO dagegen funktioniert nach dem Mehrheitsprinzip. Der Süden kann hier also Projekte durchdrücken, wenn er mit einer Stimme spricht. Angeführt wird er von der sogenannten Afrika-Gruppe, also der Vereinigung aller 54 Staaten des Kontinents. Doch auch die Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika fühlen sich dem Süden zugehörig.

Afrika-Gruppe gegen den Norden

Vergangenes Jahr stimmte die UNO-Generalversammlung mit grosser Mehrheit dem Plan der Afrika-Gruppe zu, Eckpunkte für eine nächste globale Steuerreform zu verabschieden. Die Schweiz und der Rest des Nordens stimmten dagegen. Wenn es also mit dem Kompromiss nicht funktioniert, so die Taktik des Südens, muss es die Konfrontation richten: Der Norden soll einen Teil des Steuerkuchens abgeben, ob er will oder nicht.

Zur Schadensbegrenzung brachten sich die Schweiz und die anderen Vertreter des Nordens inhaltlich ein. Unter anderem wurde auf Betreiben des Schweizer Staatssekretariats für internationale Finanzfragen das erklärte Ziel gestrichen, dass alle Teilnehmerländer darauf achten sollten, mit ihren inländischen Steuersystemen keine negativen Auswirkungen auf andere Länder zu produzieren. Anderen Ländern Steuerzahlende streitig zu machen, ist eines der Grundprinzipien des Steuerwettbewerbs, den die Schweiz so gut beherrscht wie wenige andere Länder.

epa11626468 Abdel Fattah al-Burhan (C), President of the Sovereignty Council of Sudan, speaks during the General Debate of the 79th session of the United Nations General Assembly at United Nations Headquarters in New York, New York, USA, 26 September 2024. The annual high-level General Debate gathers world leaders from 24 to 28 September, and 30 September under the theme, 'Leaving no one behind: acting together for the advancement of peace, sustainable development and human dignity for present and future generations'.  EPA/SARAH YENESEL

Trotzdem wertet der Süden die im August verabschiedeten Eckpunkte als Erfolg: Unter anderem soll eine künftige Rahmenkonvention Probleme von «illegalen Finanzströmen, Steuervermeidung und -hinterziehung oder schädlichen Steuerpraktiken» angehen. Der Fokus liegt zwar primär auf Firmen, doch sollen weiter auch vermögende Privatpersonen stärker zur Kasse gebeten werden. Zudem soll das neue Rahmenwerk helfen, die nachhaltige Entwicklung weltweit zu unterstützen.

In einer Abstimmung durch Vertreter der Mitgliedsländer erreichten die Eckpunkte im Sommer eine komfortable Mehrheit. Die Schweiz enthielt sich. Damit dürften die Arbeiten, mit denen die Eckpunkte in konkrete Vorgaben münden sollen, nächstes Jahr beginnen.

Der Bundesrat unter Dossierinhaberin Karin Keller-Sutter sieht die Vorgänge jedoch nach wie vor kritisch. Um eine Einschätzung angefragt, verweist er auf seine Antwort auf eine Interpellation von SP-Nationalrat Fabian Molina im vergangenen Mai. Die Linke und ihr nahestehende Nichtregierungsorganisationen solidarisieren sich mit dem Globalen Süden.

Schweiz verhandelt trotz grundsätzlicher Ablehnung

Die Modalitäten der Beschlussfassung sollten «auf Konsens basieren», schrieb die Schweizer Regierung damals. Die Arbeiten der UNO sollten zudem «nicht zu Doppelspurigkeiten zu bereits existierenden Gremien führen». Gemeint ist die OECD.

Denkbar sind für den Bundesrat höchstens Massnahmen, die Entwicklungs- und Schwellenländer beim Erheben von Steuern unterstützen sollen, oder die Einsetzung einer neuen Institution zur Schlichtung von Steuerstreitigkeiten. Eine UNO-Steuerreform, die grundsätzliche Fragen angeht, lehnt die Schweizer Regierung also ab.

Mit dieser Botschaft im Gepäck hat der Bundesrat begonnen, die zuständigen Parlamentskommissionen zu konsultieren. Am Montag hat ihm die Wirtschaftskommission des Nationalrats grünes Licht dafür gegeben, seine Strategie weiterzuverfolgen. Es folgen noch die Schwesterkommission im Ständerat und die Aussenpolitischen Kommissionen.

Danach werden die Erfolgsaussichten für den Bundesrat aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der UNO gering sein: Arbeitet der Süden so geschlossen weiter wie bisher, dürfte die UNO-Generalversammlung 2027 über eine Steuer-Rahmenkonvention in seinem Sinne abstimmen.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter spricht an einer Medienkonferenz zum Entlastungsprogramm fuer den Bundeshaushalt, am Freitag, 20. September 2024, im Medienzentrum Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)

Die Frage ist, ob das harte Konsequenzen hätte: Damit sich die Schweiz daran zu halten hätte, müsste neben dem Bundesrat das Parlament und bei einem Referendum die Bevölkerung zustimmen. Eine solche Ratifizierung ist mit dem heutigen Kenntnisstand weder in der Schweiz noch in der Mehrheit der anderen Industrieländer wahrscheinlich.

Eine rechtliche Handhabe zur Durchsetzung hätte der Süden kaum. Stattdessen hätte er ein Stück Papier, auf das er bei Verhandlungen beispielsweise über künftige Doppelbesteuerungsabkommen mit Industrieländern verweisen könnte. Das ist ein kleines Pfand. Entsprechend entspannt blicken die Vertreter von Schweizer Konzernen heute auf die sich anbahnende Reform.

Stärker wäre die symbolische Wirkung: Der Norden lässt den Süden abblitzen. In wiederbelebten Zeiten der Grossmächte-Konkurrenz bringt das die Gefahr mit sich, Entwicklungsländer in die Arme von Autokratien wie Russland oder China zu treiben, weil diese sich besser zu kümmern scheinen.