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Höhere Unternehmenssteuern ab 2024
SP will zusätzliches Geld aus OECD-Steuer für Ukraine-Hilfe verwenden

epa11040617 Local resident Tetiana (40) inspects her ruined flat at the site of a drone attack on a residential building in Kyiv (Kiev), Ukraine, 22 December 2023, amid the Russian invasion. At least two people were injured after a Russian drone attack hit a residential building in the Solomianskyi district of Kyiv, the mayor of the city Vitali Klitschko wrote on telegram. For the third time in the last six days, Russia's 'Shahed' type drones attempted to hit infrastructure and residential buildings in the Ukrainian capital, the Kyiv City Military Administration said. Russian troops entered Ukrainian territory on 24 February 2022, starting a conflict that has provoked destruction and a humanitarian crisis.  EPA/Oleg Petrasyuk
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Beim Bund beginnt der Kampf um jeden zusätzlichen Franken mittlerweile, lange bevor dieser überhaupt eingenommen ist. Nach der am Donnerstag abgeschlossenen Budgetdebatte richtet sich der Blick von Parlament und Bundesrat auf die Zukunft: unter anderem auf die Hunderten Millionen Franken, die dank der Umsetzung der OECD-Steuerreform bald fliessen dürften.

Am Freitag hat der Bundesrat entschieden, die inländische Steuererhöhung für Grossunternehmen auf 2024 einzuführen. In den vergangenen Wochen hatten Wirtschaftsverbände gefordert, die Einführung um mindestens ein Jahr zu verschieben, weil Grossmächte wie die USA, China oder Indien die Einführung in ihren Ländern verzögern. (Lesen Sie hier unsere Berichterstattung dazu.)

Nun hat kurz vor Weihnachten eine erste Partei eine Forderung dazu aufgestellt, was mit den Mehreinnahmen passieren soll: Sie sollen dem Wiederaufbau in der Ukraine zugutekommen, fordern die SP-Vertreter Fabian Molina (ZH) und Franziska Roth (SO) in gleichlautenden Motionen, die sie am Donnerstag in National- und Ständerat eingereicht haben.

Wer soll dafür bezahlen?

Anfang Dezember hatte der Bundesrat über die Schaffung eines Fonds zugunsten der Ukraine diskutiert, wurde sich aber noch nicht einig. Entscheiden wird er erst im neuen Jahr.

Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) hatte laut gut informierten Quellen ein Volumen von 6 Milliarden Franken über eine Dauer von 10 Jahren vorgeschlagen. Damit würde sich die Schweiz  gemessen an ihrer Wirtschaftskraft ungefähr gleich stark engagieren, wie es andere westliche Länder planen. Ob es bei den 6 Milliarden bleibt, ist angesichts der angespannten Finanzlage allerdings unklar.

Ebenso umstritten ist, wo die Mittel herkommen sollen – pro Jahr würde es sich beim ursprünglichen Vorschlag um 600 Millionen handeln. Der Bundesrat diskutierte Varianten, wonach zwischen 60 und 90 Prozent der Beträge für die Ukraine aus dem bisherigen Budget für die Internationale Zusammenarbeit (IZA) stammen sollen. Der Rest des Geldes würde aus dem ordentlichen Bundesbudget stammen.

Nationalrat Fabian Molina, SP-ZH, links, spricht mit Bundesraetin Karin Keller Sutter, an der Sondersession zur Versorgungssicherheit an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 21. September 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)

«Die Wiederaufbau-Hilfe für die Ukraine ist notwendig und ein Zeichen der Solidarität», begründet Nationalrat Molina seinen Vorstoss. «Aber er darf nicht auf Kosten der Ärmsten gehen. Wir würden sämtliche Register ziehen, um einen so unsolidarischen Vorschlag von Aussenminister Cassis zu verhindern.»

Übersetzt heisst das: Die SP denkt an eine Unterschriftensammlung, um eine Referendumsabstimmung zu erzwingen. In der Annahme, dass die Rechte sowieso gegen ein solches Hilfspaket stimmen würde, wäre die Linke – ähnlich wie in der Europapolitik – das Zünglein an der Waage und könnte weitreichende Forderungen stellen.

Allerdings ist unklar, ob die Finanzierung überhaupt dem Referendum unterstehen würde. Äufnet der Bundesrat einen speziellen Fonds, wäre das wohl der Fall. Lenkt er dagegen einzig Gelder aus der IZA und aus dem ordentlichen Bundesbudget um, hat das Parlament das letzte Wort. Das Instrument eines Finanzreferendums existiert in der Schweiz nicht.

Ein Hilfsfonds als Exporthilfe für die eigene Wirtschaft

Laut Schätzungen wird die öffentliche Hand durch die Umsetzung der OECD-Steuerreform künftig zwischen 1 und 2,5 Milliarden Franken jährlich zusätzlich einnehmen. Diese fliessen im Verhältnis drei zu eins an die Kantone und den Bund. Letzterer wiederum wird einen substanziellen Teil seiner Einnahmen in den interkantonalen Finanzausgleich stecken müssen. Wahrscheinlich ist also, dass ihm am Schluss – wenn überhaupt – noch wenige Hundert Millionen bleiben.

Damit könnte er höchstens einen Teil des Budgets für die Ukraine-Hilfe decken. Fliessen würden die Einnahmen ab 2026. Der Wiederaufbaufonds für die Ukraine soll ab 2025 Gelder ausschütten.

Weniger klar ist, wie sich der Vorstoss mit der Verfassung verträgt. Gemäss der Verfassungsbestimmung zur Mindestbesteuerung, der die Stimmbevölkerung im Juni mit 78,5 Prozent zugestimmt hat, muss der Bund seine Einnahmen «zur zusätzlichen Förderung der Standortattraktivität der Schweiz» verwenden. Wie der Wiederaufbau in der Ukraine dem entsprechen soll, ist auf den ersten Blick unklar.

Molina sieht kein Problem: «Ein substanzieller Beitrag der Schweiz beim Wiederaufbau würde Schweizer Unternehmen bei Investitionen in der Ukraine in eine gute Ausgangslage bringen. Unser Vorstoss ist verfassungskonform.»

Die Schweiz setzt die Reform nur halb um

Bundesratsnahe Kreise bestätigen, dass die Regierung tatsächlich verschiedene Optionen besprochen hat, wie die Schweizer Wirtschaft vom dereinstigen Engagement des Bundes profitieren könnte. Unter anderem könnte der Bund seine Gelder bevorzugt für Sektoren bestimmen, in denen Schweizer Unternehmen besonders gute Chancen hätten, zum Zug zu kommen. Eine andere Möglichkeit wäre, direkt Gelder zu sprechen, damit die Ukraine Schweizer Firmen zum Wiederaufbau engagiert.

Nach dem Entscheid des Bundesrats vom Freitag müssen ab 2024 international tätige Grosskonzerne in der Schweiz mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern bezahlen. In den meisten Kantonen liegt der Satz bisher tiefer.

Anders als die meisten europäischen Länder oder Grossbritannien verzichtet die Schweiz nächstes Jahr allerdings noch auf die Möglichkeit, Steuern bei Tochterfirmen von Schweizer Konzernen im Ausland einzutreiben. Dies wäre möglich, sollte der Steuersatz dort unter 15 Prozent liegen.

Dieser Mechanismus soll als Anreiz für Länder weltweit dienen, ihre Unternehmensgewinnsteuern auf mindestens 15 Prozent anzuheben. Indem sich die Schweiz vorerst nicht an diesem Mechanismus beteiligt, verzichtet sie auf potenzielle zusätzliche Steuereinnahmen. Gleichzeitig hat sie mit der Steuererhöhung im Inland die Voraussetzung dafür geschaffen, dass kein Steuersubstrat ins Ausland abfliesst.