Einnahmen aus der MindeststeuerRohstofffirmen, Elternzeit, Privatschulen: So wollen die Kantone die OECD-Millionen verteilen
Die jeweiligen Regierungen achten bei der Rückverteilung der unverhofften Einnahmen vor allem auf die Bedürfnisse ihrer Grossfirmen. Doch dem Zuger Finanzdirektor ist wichtig: «Das ist keine Lex Glencore.»
![A worker stands near a mining pit at PT Vale Indonesia's nickel mine in Sorowako, South Sulawesi, Indonesia, Tuesday, Sept. 12, 2023. Demand for critical minerals like nickel and cobalt is surging as climate change hastens a transition to renewable energy, boosting carbon emissions by miners and processors of such materials. (AP Photo/Dita Alangkara)](https://cdn.unitycms.io/images/8Lzz8Mgsa77ALGMlqCQYRZ.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=50Ws52D4SXc)
- Die OECD-Mindeststeuer betrifft Schweizer Unternehmen mit mindestens 750 Millionen Euro Umsatz.
- Zug und Basel-Stadt haben Projekte zur Rückverteilung der Steuereinnahmen ausgearbeitet.
- Basel-Stadt investiert stark in Innovation, Zug kombiniert dies mit Umweltschutz.
- Grossunternehmen profitieren überproportional von Forschungsförderungen und Elternzeitunterstützung.
Die Einführung der global koordinierten OECD-Mindeststeuer verfolgt mehrere Ziele: Sie soll Gewinnverschiebungen von Unternehmen zur Steuervermeidung sowie den Steuerwettbewerb zwischen Ländern eindämmen. Zudem hoffen einige Länder auf höhere Staatseinnahmen.
In der Schweiz sehen das die Zuständigen grösstenteils anders. Der Bundesrat hat der Reform nur auf internationalen Druck hin zugestimmt. Und viele Kantonsregierungen sehen in der Steuerreform vor allem den Wegfall des bisherigen Standortvorteils von tiefen Steuern. Das Geld soll darum zum Absender zurück, um «die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten», wie es beim Kanton Zug heisst.
Die Mindeststeuer betrifft Unternehmen ab einem Umsatz von 750 Millionen Euro, die fortan mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer zahlen müssen. Die Schweiz ist davon besonders betroffen, weil viele Kantone bisher tiefere Sätze kannten.
Für die Differenz zu den 15 Prozent existiert seit diesem Jahr eine Ergänzungssteuer. Drei Viertel der Einnahmen daraus gehen an die Kantone, eines an den Bund. Erstmals fliessen sie 2026 in die Staatskasse; total sollen sich die Mehreinnahmen auf zwischen 1,5 und 3,5 Milliarden Franken belaufen.
In den letzten Monaten haben die mit am stärksten betroffenen Kantone Zug und Basel-Stadt Projekte zur Rückverteilung ausgearbeitet. Zug dürfte rund 200 Millionen Franken pro Jahr zur Verfügung haben. Bei Basel sind es bis zu 300 Millionen, weil der Kanton mit einem Kniff verhindert, ein Viertel der zusätzlichen Steuerbelastung der Firmen an den Bund abgeben zu müssen. Das sind ihre wichtigsten Ausgabenposten:
Innovation
Beide Kantone legen hier den Schwerpunkt. Basel-Stadt plant, über 200 Millionen Franken in diesem Bereich zu investieren, da die Unternehmen hier am meisten profitieren können. Wenn Firmen in die Forschung im Kanton investieren, erhalten sie von den Kantonen entweder Steuergutschriften oder direkte Zahlungen.
Umwelt
Zug kombiniert Umwelt- und Innovationsförderung und will jährlich 150 Millionen Franken bereitstellen, um Unternehmen zu unterstützen, die bei sich und ihren Zulieferern die negativen Auswirkungen auf die Umwelt minimieren.
Die Regierung schreibt in den Vernehmlassungsunterlagen: «Rohstoffhändler sollen beispielsweise Beiträge erhalten, wenn sie mehr Erdöl oder Flüssiggas von Produzenten mit modernen oder besser gewarteten Anlagen beziehen, oder Industrieunternehmen, wenn sie klimaschonend hergestellte Komponenten [...] einsetzen können.»
Basel-Stadt legt weniger Wert auf diesen Bereich und will total maximal 20 Millionen jährlich bezahlen, wenn Firmen ihre Klimawirkung reduzieren. Das geht aus den Unterlagen zur Vorlage hervor, über die aktuell gerade das Parlament beratschlagt.
Soziales
Zug will mehr Geld in die Kinderbetreuung und ins Wohnungswesen investieren und die Kantonsbeiträge an Privatschulen erhöhen. Basel-Stadt plant, 15 bis 30 Millionen Franken jährlich auszugeben, damit Eltern über den national vorgeschriebenen Vater- und Mutterschaftsurlaub hinaus Elternzeit beziehen können.
Eigene innovative Projekte
Zug will seine Unterstützung für ein Institut zur Erforschung der Blockchain-Technologie verstärken und ein gemeinsames Projekt mit der ETH Zürich für kollaboratives Lernen fördern. Beide Projekte sind im Kanton angesiedelt. Zusätzlich plant Zug Investitionen in Energieversorgung und -speicherung.
![Sicht vom Zytturm ueber den Daecher der Altstadt von Zug am Freitag, 7. Juli 2023 in Zug. (KEYSTONE/Urs Flueeler).](https://cdn.unitycms.io/images/Ac0Tdi52aFd9GwGaGjMbc7.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=oEEfEbB6JhY)
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) betont, dass die Massnahmen nicht auf einzelne Unternehmen zugeschnitten seien. «Das ist keine Lex Glencore», sagt er. Der Rohstoffkonzern ist einer der grössten und umstrittensten Steuerzahler im Kanton.
Glencore schreibt auf Anfrage: «Nach Abschluss der Gesetzesvorlage werden wir die unterschiedlichen Förderinstrumente eingehend prüfen. Angesichts der teils sehr spezifischen vorgeschlagenen Massnahmen erscheint aus heutiger Sicht eine Anpassung unserer Geschäftsbereiche zu diesem Zwecke eher unwahrscheinlich.»
Es scheint trotzdem realistisch, dass Grossunternehmen, die durch die Mindeststeuer zusätzlich belastet werden, überdurchschnittlich profitieren werden. Diese Firmen stehen im Fokus des Ringens um Standortattraktivität, und die Vorschläge wurden eng mit ihnen abgestimmt.
Die Fördergelder für die Forschung kommen ihnen stärker zugute, da sie oft eigene Abteilungen dafür unterhalten. Die finanzielle Unterstützung der Elternzeit in Basel ist ebenfalls eher auf sie zugeschnitten: Dieser müssen die Arbeitgeber nämlich zustimmen. Konzerne wie Novartis oder Roche haben einen Anreiz, dem nachzukommen, stehen sie doch diesbezüglich im Wettbewerb mit Konkurrenten im Ausland. Sie können ausserdem eher temporär auf einzelne Angestellte verzichten als KMU.
Zuletzt dürften in Zug insbesondere Angestellte von internationalen Konzernen davon profitieren, dass Privatschulen höhere Kantonsbeiträge erhalten sollen, indem die Schulkosten geringer ausfallen.
Der Kanton Luzern, der am meisten Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer generiert, weiss dagegen noch nicht genau, wofür er sie einsetzt. Bislang ist bloss klar, dass er damit eine Steuersenkung für natürliche Personen finanziert. Dass er noch nicht so weit ist wie Zug und Basel-Stadt, liegt vor allem daran, dass der Geldsegen überraschend gekommen ist: Die Neuigkeit, dass er statt bisher 70 neu von 400 Millionen Franken Mehreinnahmen pro Jahr ausgeht, hat der Luzerner Finanzdirektor Reto Wyss (Mitte) erst Ende August bekannt gegeben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.