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Umweltbotschafter im Interview
«Es braucht Druck für einen guten Kompromiss»

Felix Wertli ist seit diesem Jahr Umweltbotschafter der Schweiz und ist Chef der Schweizer Delegation in Dubai.
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Herr Wertli, an der diesjährigen Klimakonferenz wird erstmals Bilanz gezogen, wie weit die Vertragsstaaten bei der Umsetzung des Pariser Klima­abkommens sind. Dass es nicht gut darum steht, ist bekannt. Denken Sie, nun geht endlich ein Ruck durch die Verhandlungspartner?

Es ist allen Regierungen bewusst, dass sich das Zeitfenster schliesst, um die Klimaziele noch zu erreichen. Diesen Druck habe ich an den Vorverhandlungen verspürt. Ich war deshalb auch überrascht, dass das Tempo der Vorbereitungen für die Konferenz eher gemächlich war. Wir müssen nun die Zeit an der Konferenz gut nutzen, um ein starkes Abschlussdokument präsentieren zu können.

Was beinhaltet ein starkes Abschlussdokument?

Die Schweiz wird sich dafür einsetzen, dass das Klimaziel von Paris in Reichweite bleibt, eine Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad zu verhindern. Dafür müssen wir uns an der Wissenschaft orientieren – und entsprechend müssen in zwei Jahren alle nationalen Klimapläne und Massnahmen der Vertragsstaaten verbessert werden.

Die Wissenschaft zeigt, dass man konsequent aus fossilen Energien aussteigen muss. Diese Botschaft hat sich in den letzten beiden Konferenzen nicht durchgesetzt.

Ja, diese Botschaft muss eindeutig im Abschlussdokument verankert sein. Das wäre ein starkes Signal. Die Schweiz will den Ausstieg aus Kohle, Erdgas und Erdöl. Die Gruppe der stärksten Industriestaaten, die G-7, hat sich auch dafür ausgesprochen.

«Die Wirtschaft muss wissen, dass die Zukunft in erneuerbarer Energie liegt.»

Felix Wertli, Schweizer Umweltbotschafter

Allerdings lässt sie Optionen offen. Die Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus Kohle- und Erdgaskraftwerken und bei der Förderung von fossilen Brennstoffen wäre erlaubt. Bremst das nicht den Ausstieg?

Diese Technologien sind noch nicht für einen Einsatz im grossen Massstab erprobt und dürfen auf keinen Fall als Entschuldigung gelten, nicht aus der fossilen Energie auszusteigen. Die Schweiz plant, auch CO₂-Abscheidung und -speicherung zu nutzen – aber nur, um dort Emissionen von Treibhausgasen zu kompensieren, wo es schwierig wird, diese vollständig zu reduzieren, etwa in der Industrie oder in der Landwirtschaft. Die Botschaft vom Ausstieg muss so formuliert sein, dass die Wirtschaft weiss, dass die Zukunft in erneuerbarer Energie liegt, und entsprechend ihre Investitionen in diese Richtung leiten kann.

Gastgeber der Klimakonferenz sind die Vereinigten Arabischen Emirate. Gibt es da überhaupt eine Chance dafür?

Die COP-28-Präsidentschaft signalisiert Willen, eine erfolgreiche Konferenz abzuhalten. Es muss aber am Anfang der Verhandlungen ein Druck aufgebaut werden, um am Schluss einen konsensfähigen guten Kompromiss zu erhalten. Auch Erdöl- und Erdgasstaaten wie die Emirate oder Saudiarabien investieren in erneuerbare Energien. In China und Indien ist ein grosses Wachstum zu beobachten. Probleme gibt es noch in ärmeren Staaten, etwa in Afrika. Die Kosten für Erneuerbare sind stark gesunken. Es geht jetzt darum, dass die Finanzflüsse auf die Ziele des Pariser Übereinkommens ausgerichtet werden – und dies bedeutet Investitionen in erneuerbare Energien.

People walk near the Al Wasl Dome at Expo City ahead of the COP28 U.N. Climate Summit, Tuesday, Nov. 28, 2023, in Dubai, United Arab Emirates. (AP Photo/Peter Dejong)

Um am Schluss alle im Boot zu haben, muss Vertrauen zwischen den reichen und den armen Staaten aufgebaut werden. Das geht letztlich nur über enorme Finanzflüsse von reich zu arm. Die Industriestaaten haben ihre Versprechungen bisher nicht eingehalten.

Die Mobilisierung der Gelder ist – etwas verspätet – auf gutem Weg. Bis 2023 sollten die 100 Milliarden für den Klimaschutz in den ärmsten Staaten vorhanden sein. Was nachher passiert, ist noch Verhandlungssache.

Nun kommt noch ein weiterer Fonds für Staaten, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Wer soll da einzahlen?

Der Fonds ist noch nicht operativ, dazu fehlen noch die Regeln. Wichtig ist, dass das Geld zu den Staaten fliesst, die am wenigsten Mittel haben und dem Klimawandel gegenüber am verletzlichsten sind. Alle Länder mit hohen Emissionen und Zahlungsfähigkeit sollen sich beteiligen, also auch Staaten wie China und Saudiarabien, die bisher keine finanziellen Verpflichtungen hatten.

Umweltorganisationen kritisieren immer wieder, dass die Schweiz sich nicht entsprechend ihrer Möglichkeiten finanziell beteiligt.

Der Bundesrat hat den angemessenen Beitrag der Schweiz bei 450 und 600 Millionen Franken jährlich angesetzt. Für die Berechnung des Beitrages berücksichtigt die Schweiz, im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, ihre Wirtschaftsleistung und die Höhe ihrer Emissionen. Seit 2018 erreicht die Schweiz ihr Ziel. Bis anhin sind das vor allem öffentliche Gelder. Es wird jedoch in Zukunft nicht ohne private Investitionen gehen, um die weltweite Energiewende finanzieren zu können.