Republikaner im WahlkampfDie letzten Aufständischen beugen sich Trump
Sie nannte ihn Bully, er beschimpfte sie als Spatzenhirn. Nun empfiehlt Nikki Haley ihren Gegner Donald Trump zur Wahl. Doch so einig, wie sich die Partei jetzt gibt, ist sie nicht.
Als wäre nichts geschehen, stand Nikki Haley am Dienstagabend vor mehr als 2000 Republikanern und sagte: «Donald Trump hat meine volle Unterstützung.»
Als wäre die einstige Gouverneurin von South Carolina nicht monatelang kreuz und quer durch die USA gereist, als hätte sie nicht Dutzende Millionen Dollar dafür ausgegeben, um genau diesen Moment zu verhindern. Den Moment, an dem sie an einem Parteitag auftritt, ohne irgendein politisches Amt, um Donald Trump für die Präsidentschaft zu empfehlen, obwohl Haley sich doch lieber selbst im Weissen Haus gesehen hätte.
Anstelle des Mannes, den sie einen «Bully» nannte, der stets «gemeiner und gemeiner» werde, ein rückwärtsgewandter alter Politiker, dessen geistige Gesundheit sie anzweifelte, dessen Nominierung sie mit einem «Suizid für unser Land» verglich. Donald Trump gab kein bisschen weniger hart zurück gegen das «Spatzenhirn Haley» und beleidigte sie mit der Unterstellung, ihr Mann sei bei einem Armeeeinsatz im Ausland, um ihr zu entkommen.
Jubel für die Unterwerfungsgeste
Aber das war alles vor mehr als dreieinhalb Monaten, eine halbe Ewigkeit in einem US-amerikanischen Wahljahr. Als Haley das Rennen aufgab, forderte sie Donald Trump auf, die Hand an ihre Wähler auszustrecken, sich mit ihnen zu versöhnen. Trump tat das, was ihm sein durchaus intakter Machtinstinkt gebot: Er wartete, bis sie seinen Ring küssen und ihre Unterstützer selbst zu ihm zurückbringen würde.
«Meine Botschaft an sie ist einfach», sagte Haley. «Ihr müsst nicht 100 Prozent mit Trump übereinstimmen, um ihn zu wählen.» Doch sie lobte sogar seine Aussenpolitik, die sie während ihrer Kampagne noch als gefährlich bezeichnet hatte.
Mit Jubelrufen belohnten die Delegierten Haley für ihre Unterwerfungsgeste. Noch lauteren Applaus erntete Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, der nach ihr auf die Bühne trat. Auch er, der ehemalige politische Ziehsohn Trumps, wäre selbst gern Präsident geworden, warf aber bereits nach der ersten Vorwahl in Iowa das Handtuch. Seither unterstützt der «Scheinheilige Ron» wieder den Mann, der ihm diesen Übernamen verpasst hatte.
Gleich wie Senator Ted Cruz, der vor Haley auf der Bühne stand, Trumps Hauptrivale bei der Vorwahl von 2016. Sie alle wissen: Wollen sie eine politische Zukunft, müssen sie sich jetzt mit Donald Trump gut stellen. Die wenigen Senatoren, die ihn nicht unterstützen, blieben dem Kongress einfach fern.
So konnten die Republikaner am Dienstag eine perfekt inszenierte Show der Einheit feiern, so, wie es sich für die US-amerikanischen Parteien gehört, wenn sie eine Präsidentschaftswahl gewinnen wollen. Besonders Haleys Unterstützung ist für Trump wertvoll. Sie kam vor allem bei jungen und gemässigten Republikanern gut an, bei Frauen mit höheren Schulabschlüssen, die ihn für unwählbar hielten.
Doch das war, bevor US-Präsident Joe Biden derart deutliche Zeichen der Alterung zeigte, bevor Donald Trump am vergangenen Wochenende nur knapp einem Attentat entging. Nun könnte Haley diesen Wählerinnen und Wählern durchaus die Zweifel nehmen, damit sie doch noch für den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner stimmen.
Nur noch eine Trump-Partei?
Sind die Republikaner also nun einfach nur noch die Trump-Partei? Es verging am Parteitag bisher keine Viertelstunde, ohne «We want Trump»-Rufe, besonders, wenn sich der Anführer jeweils gegen 20 Uhr in seine Familienloge mit den weissen Sesseln begab, um der Feier beizuwohnen. Dabei bestand die Partei stets aus verschiedenen Flügeln, die chronisch zerstritten waren und endlose interne Kämpfe austrugen – die Abordnung in Washington, die den Kongress in den vergangenen zwei Jahren mehrfach lahmlegte, ist eines der Symptome davon.
Mit dem Parteitag habe der Trump-Flügel nun aber endgültig gesiegt, ist Laurie Schaefer, Delegierte aus Illinois, überzeugt. Haley bleibe für sie eine Rino, nur dem Namen nach eine Republikanerin: «Die Parteibasis hat die allermeisten von ihnen inzwischen hinausgedrängt.»
Als «historisch» beschrieb Eric Brakey, Delegierter und State Senator aus Maine, das Kandidatenduo Donald Trump und J. D. Vance. «Das erste Mal in meinem Leben haben wir ein Ticket ohne Neokonservative.» Allerdings bedeute das keineswegs, dass die Partei nun frei von Richtungskämpfen wäre. «Trump ist für mich ein Kompromisskandidat, er ist ein Nationalist, ich bin ein Libertärer», sagte Brakey.
Die Wirtschaftspolitik, der Umgang mit Kryptowährungen, der Einsatz der Streitkräfte im Ausland – all das sind Themen, bei denen Libertäre und Wirtschaftsvertreter Trump noch auf ihre Seite zu ziehen hoffen. Allerdings hat dieser mit der Wahl von Vance zu seinem Nebenkandidaten ein deutliches Zeichen gegen libertäre Anliegen wie Freihandel und eine deregulierte Marktwirtschaft gesetzt. Vance ist ein starker Verfechter von Importzöllen, er zeigte sich sogar bei einem Gewerkschaftsstreik. Dafür erntete er am Montag sogar Lob von dem Präsidenten der mächtigen Teamsters, eine kleine Sensation: Er war der erste Vertreter der traditionell den Demokraten nahestehenden Gewerkschaften, der an einem Nominierungsfest der Republikaner auftrat.
«Wir müssen jetzt Einheit zeigen»
Auch viele andere Meinungsverschiedenheiten seien selbstverständlich nicht verschwunden, sagte Jerry Rovner, Delegierter aus South Carolina, Nikki Haleys Heimat. Er habe diesmal für Donald Trump gestimmt, doch Haley sei blitzgescheit, und sie habe nun eine Gelegenheit ergriffen, sich wieder mit der Partei zu versöhnen, um ihre Karriere voranzubringen.
Rovner erwartet noch einige inhaltliche Diskussionen in der Partei, beispielsweise über die Ukraine-Hilfe, die Trump im Wahlkampf infrage stellte und an der Vance härteste Kritik geübt hatte. «Sie wollen die Gelder nicht abklemmen, sondern mehr Rechenschaft über die Verwendung», ist er überzeugt. «Der Krieg gegen Russland soll lieber in der Ukraine ausgetragen werden als hier bei uns.» Vorerst aber sei etwas anderes wichtiger, sagte Rovner: «Wir müssen jetzt Einheit zeigen. Wenn wir die Wahl erst einmal gewonnen haben, können wir wieder über unsere Unterschiede reden.»
Soweit Donald Trump das dann zulassen wird.
Fehler gefunden?Jetzt melden.