Kommentar zur RegierungsbildungDonald Trump lotet die Grenzen aus
Mit der Radikalität seines Kabinetts hat Donald Trump sogar die eigenen Parteigänger überrascht. Dahinter steckt mehr als nur Show.
Plötzlich hallt wieder dieses Wort aus dem Sommer nach, aus diesem denkwürdigen US-Wahlkampf. «Diese Typen sind einfach seltsam», «weird», hatte Tim Waltz gesagt. Erleichtert lachten die Amerikaner, zumindest die Hälfte von ihnen. Ein paar sonnige Wochen lang wirkte es so, als hätte der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten es geschafft, Donald Trump zu entzaubern.
Nun kehrt der Republikaner an die Macht zurück und stellt sein Regierungsteam vor. Und unweigerlich kommt das Wort «weird» wieder auf. Diesmal allerdings löst es kein befreiendes Lachen aus. Sondern eher beklemmende Schnappatmung. Ein ganz kurzer Rückblick auf die schrägsten Nominierungen für Donald Trumps Kabinett: Verteidigungsminister soll Pete Hegseth werden, ein Fox-Moderator, der unter Extremismus-Verdacht steht und die Offiziersränge im Pentagon von Andersdenkenden säubern will. Die Geheimdienste soll Tulsi Gabbard dirigieren, nie zuvor mit Nachrichtendiensten befasst, dafür überzeugte Putin-Apologetin und Kritikerin des US-Sicherheitsapparats. Als Chef des Justizministeriums ist Matt Gaetz vorgesehen, gegen den dasselbe Ministerium wegen Sex mit einer 17-Jährigen ermittelte. Und Robert F. Kennedy, Impfschwurbler und Verschwörungstheoretiker, soll die Gesundheitsverwaltung auf den Kopf stellen.
Ein merkwürdiger Clown oder ein gerissener Imperator?
Sind diese Leute einfach nur «weird»? Ist hier lediglich ein Clown am Werk, ein Showman aus einer Reality-TV-Sendung, diesmal im Weissen Haus in Washington statt im Trump Tower in Manhattan? Oder ist Donald Trump doch der gerissene Imperator, der das ganze Land nach seinem Willen tanzen lässt? Oder anders gefragt: Was bedeuten diese Nominierungen für die Politik der Trump-Regierung 2.0?
Eindeutig ist, dass Donald Trump signalisiert, seine verrücktesten Wahlkampfversprechen genau so umzusetzen, wie er sie formuliert hatte. Das Militär, dem Trump misstraut, will er mit Loyalisten besetzen, um es gleichzuschalten. Die Geheimdienste, die er als verschwörerischen «Deep State» betrachtet, will er entmachten und umkrempeln. Die Unabhängigkeit des Justizministeriums, traditionell das juristische Gewissen der Regierung, will er beenden, die Staatsanwälte und die Bundespolizei FBI sollen Strafverfahren gegen seine politischen Gegner vorbereiten. Die ganze Bürokratie will er ins Chaos stürzen und schwächen, vom Gesundheits- bis zum Bildungsministerium.
Trump will testen, wie weit er gehen kann
Klingt alles alarmistisch und allzu finster? Mag sein, dass alles doch nicht ganz so schlimm kommen wird. Dass Trump derzeit eine Show abzieht, um später eine Mischung aus radikalen Reformen und pragmatischem Vorgehen zu wählen. Allerdings wäre das eine riesige Überraschung angesichts von Trumps wirrer erster Präsidentschaft und den Signalen, die er derzeit aussendet.
Selbst die Parlamentarier seiner eigenen Partei hat er mit seinem Gruselkabinett überrascht. Und es ist alles andere als klar, ob sie das Rückgrat haben, ihn in die Schranken zu weisen. Mindestens vier Republikaner müssen sich öffentlich gegen Trumps Minister stellen, um deren Bestätigung zu verhindern.
Es ist denkbar, dass er einige Schock-Kandidaten nominiert hat, denen der Senat niemals zustimmen wird. Mit dem Hintergedanken, dass er dafür leicht weniger kontroverse, aber annähernd ebenso radikale Minister durchbringt. Aber plausibler ist die Interpretation, dass Donald Trump gerade die Grenzen auslotet. Er will wissen, wie weit er in seiner zweiten Präsidentschaft gehen kann. Nicht wie ein Imperator mit ausgefeiltem Masterplan, aber halt auch nicht nur wie ein Clown. Sondern wie in der ersten Amtszeit als impulsiver, herrischer Präsident mit autoritären Neigungen, der so weit geht, wie ihn sein Umfeld gehen lässt.
Trump besetzt die Regierung mit Loyalisten, die seine Befehle ausführen. Und sollten sie dazu nicht fähig sein, so taugen sie im Mindesten dazu, Schockwellen durch das System zu senden, woraus sich die eine oder andere günstige Gelegenheit für den Chef ergeben könnte. Nach der Abwahl 2020 führte diese Strategie beinahe zu einem Staatsstreich. Wie damals wird Trump hoffentlich auch in seiner zweiten Amtszeit über sich selbst stolpern, nicht diszipliniert und fokussiert genug, um seine düstersten Fantasien umzusetzen.
Die bisherige Trump-Regierung 2.0 repräsentiert in ihrer Radikalität bestimmt nicht das, was jene amerikanischen Stimmberechtigten wollten, die ihm zu einer knappen Mehrheit von 50,2 Prozent verhalfen. Weil sie nicht alles ernst nahmen, was er sagte. Weil sie nicht hören wollten oder ignorierten, dass man durchaus ernst nehmen muss, was er sagt.
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