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Drohender Ukraine-Krieg
Trotz Neutralität: Bundesrat soll Sanktionen gegen Russland stützen

Letzter Direktflug: LX 2291 aus Kiew landet am Sonntagnachmittag in Zürich. Ab Montag stellt die Swiss alle Verbindungen in die Ukraine ein.
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War das der letzte Flieger vor dem Krieg?

Am Sonntag um 16.20 Uhr landete in Zürich LX 2291 aus Kiew, der bis auf weiteres letzte Swiss-Flug aus der Ukraine. Aus Angst vor einer russischen Invasion stellt die Swiss ab Montag ihre tägliche Verbindung in die ukrainische Hauptstadt ein.

Die Nachfrage für den letzten Flug in die Schweiz war so gross, dass die Swiss eine grössere Maschine nach Kiew schicken musste: eine Boeing 777 mit 340 Sitzplätzen. Normalerweise gibt es auf dieser Verbindung nur 145 Plätze.

Auch politisch rückt der drohende Krieg immer näher an die Schweiz heran, wie der belgische Premierminister Alexander de Croo klarmachte. Am Freitag erklärte de Croo in Brüssel, die Sanktionen der EU gegen Russland könnten jederzeit umgesetzt werden. «Und ich kann Ihnen sagen, dass sie zwischen Europa, der Schweiz, den Vereinigten Staaten und Kanada koordiniert sind, um jedes Umgehungsrisiko zu vermeiden», sagte de Croo, wie zuerst das Westschweizer Radio RTS und die CH-Media-Zeitungen berichteten.

De Croos klare Ansage holt den drohenden Krieg definitiv auf die Bundesberner Agenda: Wie wird sich die Schweiz im Falle einer russischen Invasion verhalten?

Light-Sanktionen oder mehr? 

Zuständig ist das Departement von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP). Und dort wird bestätigt, dass man bezüglich möglicher Sanktionen mit «verschiedenen Ländern in Kontakt ist, um Informationen auszutauschen». Beschlüsse sind noch nicht gefällt worden. «Wenn neue internationale Sanktionen gegen Russland ergriffen werden, wird der Bundesrat die Situation analysieren und wenn nötig entscheiden», sagt Parmelins Sprecher Erik Reumann.

Bereits heute sind Sanktionen gegen Russland in Kraft, welche die EU und die USA 2014 nach der russischen Annexion der Krim ergriffen hatten. Damals übernahm der Bundesrat die Sanktionen nicht. Hingegen erliess er Massnahmen, damit die Schweiz nicht zur Umgehung dieser Sanktionen missbraucht wird. Seither wurde die entsprechende Bundesratsverordnung mehrfach revidiert.

Es handelt sich dabei um eine Art Passiv- oder Light-Sanktionen. Sie sollen etwa verhindern, dass russische Exponenten, die von der EU und den USA mit Finanzsanktionen belegt werden, ihre Gelder zu Schweizer Banken zügeln können. Falls es zum offenen Krieg kommt, werde der Bundesrat «ganz bestimmt prüfen, ob er diese Verordnung aufdatiert und an die veränderte Situation anpasst»: Das sagte am Samstag Pälvi Pulli, Chefin Sicherheitspolitik im eidgenössischen Verteidigungsdepartement, gegenüber Fernsehen SRF.

Nord Stream sitzt in Zug

Welche Sanktionen die EU und die USA planen, ist nicht im Detail bekannt. Wahrscheinlich ist aber, dass der Westen unter anderem die russische Gas-Pipeline Nord Stream II ins Visier nimmt. Damit geriete auch die Schweiz indirekt ins Fadenkreuz, denn die Betreibergesellschaft von Nord Stream II hat ihren Sitz im Kanton Zug (lesen Sie hier mehr darüber).

Russlands Fahne flattert in Zug: Hauptsitz der Nord Stream AG.

Doch würden Light-Sanktionen wie 2014 auch im Fall eines russischen Angriffskriegs überhaupt genügen? Oder sollte die Schweiz richtige Sanktionen ergreifen?

Unter Aussenpolitikern gehen die Meinungen weit auseinander. Franz Grüter (SVP), Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, plädiert für grösstmögliche Zurückhaltung. «Die Schweiz ist neutral, und Sanktionen widersprechen der Neutralität», sagt Grüter. Die Schweiz solle in einem möglichen Krieg keine Partei ergreifen, sondern zu vermitteln versuchen.

SP-Aussenpolitiker Fabian Molina hat eine diametral andere Meinung. «Ein russischer Angriffskrieg wäre ein gravierender Bruch von zwingendem Völkerrecht.» Dann müsse auch die Schweiz Sanktionen ergreifen. «Unsere Verfassung sieht vor, dass die Schweiz auf der Seite des internationalen Rechts steht», so Molina.

Nicht nur linke Politiker teilen diese Ansicht. Zwar müsse die Schweiz im Falle eines Krieges militärisch neutral bleiben, sagt Pirmin Bischof (Die Mitte), Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats. Die Schweiz sei aber Mitglied der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Und in diesem Rahmen habe sie sich immer für die absolute Unverletzlichkeit der Landesgrenzen in Europa ausgesprochen. «Wenn ein Staat diese Grenzen verletzt, darf vermutlich auch die Schweiz Sanktionen ergreifen», sagt Bischof. Das Neutralitätsrecht dürfte dabei keinen Hinderungsgrund bilden. Ob ein solcher Schritt «auch politisch schlau ist, muss man im konkreten Fall beurteilen».

Zehn Schweizer in der Ostukraine

Auch das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verschärfte am Wochenende seine Warnungen vor einem Krieg. Es rief Schweizer Staatsangehörige dazu auf, die abtrünnigen ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk zu verlassen. Bei der Schweizer Botschaft in Kiew waren in diesen Regionen zuletzt zehn Personen mit Schweizer Staatsbürgerschaft gemeldet. Das EDA weiss aber nicht, ob diese Personen tatsächlich noch vor Ort sind.