AboAnalyse zum Ukraine-KonfliktPutin lässt die Waffen sprechen
Ob es Krieg gibt, weiss nur der russische Präsident. Auf jeden Fall muss der Westen einsehen, dass wirtschaftliche Stärke und Soft Power in der Konfliktlösung nicht mehr ausreichen.
Im Kreml hat der deutsche Kanzler Olaf Scholz gesagt, dass er einer Generation angehöre, für die Krieg in Europa undenkbar geworden sei. Das ist eher als moralischer Appell zu verstehen denn als Zustandsbeschreibung. Denn dass Krieg und die Drohung damit in Europa längst wieder ein Mittel der Politik geworden sind, verkörpert niemand mehr als der Mann, der im Kreml neben Scholz stand: Russlands Präsident Wladimir Putin. In der Ukraine führt er seit 2014 unablässig einen Krieg, keinen offenen zwar, aber alles Leugnen in Moskau kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Separatistenrepubliken im Donbass von Moskau abhängig sind und gesteuert werden. Selbst russische Gerichte, um deren Unabhängigkeit es nicht gut bestellt ist, haben festgestellt, dass Russland dort Wehrpflichtige einsetzt.
Jetzt hat Putin an der Grenze zum Nachbarland das grösste Aufgebot an Truppen zusammengezogen, das Europa seit dem Ende des Kalten Krieges gesehen hat. Ob sich ein Einmarsch Russlands in der Ukraine noch abwenden lässt oder nicht, weiss wohl nur Putin selbst. Was sich Europa und der Westen so oder so aber eingestehen müssen: Militärische Macht ist wieder der entscheidende Faktor, wirtschaftliche Stärke oder Soft Power alleine reichen nicht. Die vermeintliche Selbstverständlichkeit, dass die Regeln, die sich Europa nach dem Ende des Kalten Krieges gemeinsam gegeben hat, von allen respektiert werden, ist dahin.