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Kremlnahe Journalisten
Trotz Krieg zeigen sie Verständnis für Putin

Der Waadtländer Journalist Eric Hoesli hält Russlands Präsidenten Wladimir Putin nach wie vor für absolut zurechnungsfähig.
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«Etwas ist aus den Fugen geraten.» So reagierte Eric Hoesli, Ex-Chefredaktor von «Le Temps» und amtierender Verwaltungsratspräsident derselben Zeitung, am Abend des 24. Februar im Westschweizer Fernsehen auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Er verurteile den Krieg, aber es gebe nach wie vor «eine Form von Rationalität im Kopf von Wladimir Putin», stellte Eric Hoesli fest. Vor der Nato-Osterweiterung fürchteten sich die russischen Machthaber im Übrigen seit dreissig Jahren.

In der Romandie gilt der 64-jährige Waadtländer als ausgewiesener Russland-Kenner und gehört zu einer kleinen Gruppe einflussreicher Journalisten, die sich vom Handeln des autokratischen Präsidenten Wladimir Putin in den letzten Jahren kaum distanzierten und deshalb als Putin-Sympathisanten gelten. Zur Gruppe gehört auch Guy Mettan, ehemaliger Chefredaktor der «Tribune de Genève» und aktueller Präsident der schweizerisch-russischen Handelskammer in Genf. Mettan bezeichnete die Ukraine am Abend nach Kriegsbeginn gar als «das korrupteste Land Europas». Myret Zaki, Ex-Chefredaktorin des Wirtschaftsmagazins «Bilan», stellte den russischen Feldzug in ihrer Westschweizer «Blick»-Kolumne wiederum in einen Zusammenhang mit einer angeblichen amerikanischen Politik der «Derussifizierung» in Osteuropa. 

Der russische Präsident tritt im Oktober 2020 im russischen Thinktank «Valdai Club» auf. Auch der Westschweizer Journalist Eric Hoesli wurde in den letzten Jahren zu Valdai-Meetings eingeladen. 

Wichtigster Fürsprecher des Kreml in der Romandie bleibt aber Eric Hoesli, auch weil er dem russischen Thinktank «Valdai Club» angehört. Der Zugang zum Valdai-Zirkel erlaubte es ihm in den letzten Jahren, sich mit Putin, aber auch mit Aussenminister Sergei Lawrow persönlich auszutauschen. Darüber hinaus dozierte Hoesli als Titularprofessor an der ETH Lausanne und der Universität Genf über Russland und beriet den Unternehmer Frederik Paulsen, der letzte Woche als russischer Honorarkonsul in Lausanne demissionierte

Zweifel an Neutralität

Am Mittwoch war Russland-Experte Hoesli einmal mehr gefragt, diesmal in einer Debatte im Schweizer Presseclub in Genf. Das Thema: «Die Schweizer Sanktionen gegen Russland». Wieder stellte Hoesli klar: Im Fall der russischen Aggression gegen die Ukraine handle es sich um «eine extrem schwere Verletzung des internationalen Rechts». Natürlich habe die Schweiz in dieser Situation Sanktionen ergreifen müssen.

Gleichwohl deutete Hoesli Kritik an den Sanktionen an. Unter anderem äusserte er die Vermutung, «ein EU-Beamter könnte vielleicht einen unwürdigen Telefonanruf in die Schweiz getätigt haben», was die Schweiz unter Druck setzte, ebenfalls Sanktionen zu ergreifen.

«Die Sanktionen der Schweiz sind absolut mit dem Neutralitätsrecht vereinbar.»

Micheline Calmy-Rey, ehemalige Schweizer Aussenministerin

Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, die ebenfalls auf dem Podium sass, widersprach Hoesli sofort. Solche Dinge würden «nicht mit einem Telefonat» geregelt, betonte sie. Der Entscheid sei absolut mit dem Schweizer Neutralitätsrecht vereinbar, und sowieso werde die helvetische Aussenpolitik von der Staatsgemeinschaft wegen ihrer «Kohärenz und Vorhersehbarkeit» geschätzt.

Doch Hoesli gab sich unbeirrt. Die Schweiz sei «nicht total neutral», sagte er. Zudem sollte das Land auch auf seine eigenen Interessen achten und daran denken, dass es die ergriffenen Sanktionen irgendwann auch wieder aufheben müsse. Sowieso habe sich die Schweiz dem Westen angeschlossen, was sich auch auf ihre Rolle im UNO-Sicherheitsrat auswirken werde. 

«Man unterschätzt die weitreichende Desillusionierung eines grossen Teils der russischen Öffentlichkeit gegenüber dem Westen.»

Eric Hoesli, Russland-Kenner und Verwaltungsratspräsident von «Le Temps»

In einem Meinungsartikel in der Zeitung «Le Temps» betonte Hoesli am Tag nach Beginn der Invasion zudem: «Man unterschätzt die weitreichende Desillusionierung eines grossen Teils der russischen Öffentlichkeit gegenüber dem Westen. Ganz abgesehen von der flammenden Rede einiger Propagandisten ist der Eindruck weit verbreitet, absichtlich getäuscht, übergangen, geschwächt oder sogar gedemütigt worden zu sein, sobald man die städtischen Eliten in Moskau oder St. Petersburg verlässt.» 

Doch sind die von Hoesli beschriebenen Gefühle keine Folge der gezielten Desinformationskampagne der vom Kreml kontrollierten Medien, zu denen der TV-Sender Russia Today gehört? Was sagt Hoesli angesichts der staatlichen Desinformation zur Tatsache, dass er und das russische Honorarkonsulat 2018 die stellvertretende Chefredaktorin von Russia Today für eine Konferenz an den Genfersee nach Coppet einluden und sie ihr Konzept des «disruptiven Journalismus» präsentieren liess? Die russische Journalistin sagte damals: «Information ist nichts Objektives, sie war es nie, und heute weniger denn je.» Auf Fragen dieser Zeitung hat Eric Hoesli nicht reagiert.

Putins Kriegsrede als Inserat

Auch ein anderer Fall im Zusammenhang mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gab diese Woche in West- und Deutschschweizer Medien zu reden. Die Freiburger Zeitung «La Liberté» hatte entschieden, Putins Rechtfertigungsrede für den Einmarsch in die Ukraine als Inserat abzudrucken. In der Rede sprach Russlands Präsident unter anderem davon, die Ukraine entnazifizieren zu wollen. Bezahlt wurde das Inserat von einem Freiburger Anwalt. Der Inserent wurde auch bei den Zeitungen «Tribune de Genève», «Arc info» und «Le Nouvelliste» vorstellig, die sich angeblich jedoch weigerten, die Rede abzudrucken. 

François Mauron, Chefredaktor von «La Liberté», rechtfertigte die Publikation des Inserats mit dem Argument der freien Meinungsäusserung, die auch für Putin gelte. Putins Monolog lasse einen zwar «sprachlos» zurück, aber verstosse nicht gegen Schweizer Recht, so Mauron. Zudem habe die «Liberté»-Redaktion den russischen Krieg gegen die Ukraine längst klar verurteilt.

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