Wilde KandidaturenSie haben noch nie Politik gemacht, wollen aber in den Bundesrat
Die Mitte hat nur zwei offizielle Kandidaten für Viola Amherds Nachfolge. Dafür wollen 22 andere Schweizerinnen und Schweizer in die Regierung. Zwei von ihnen erzählen, was sie antreibt.
- Alexandre Brahier und Ebby Guirao kandidieren als wilde Bundesratskandidaten.
- Brahier verspürt den Drang, eine andere Perspektive einzubringen.
- Guirao betont ihre Lebenserfahrung als Qualifikation für das Amt.
Erst mal eine Korrektur: Es gibt gar keinen Kandidatenmangel für die Ersatzwahl von Viola Amherd. 22 Kandidaten haben die Parlamentsdienste bisher zugelassen – und jeden Tag tröpfeln ein paar mehr rein. Da sind die offiziellen Mitte-Kandidaten Markus Ritter und Martin Pfister noch nicht einmal mitgezählt.
Zu den «Wilden» gehören auch Alexandre Brahier und Ebby Guirao. Beide wollen Bundesrat beziehungsweise Bundesrätin werden, wie das Westschweizer Radio RTS als Erstes berichtete. Gebeten hat sie niemand darum. Ernst meinen es beide, wie sie versichern, auch wenn sie wissen, dass ihre Wahlchancen gleich null sind.
Brahier ist Sprecher der Kantonspolizei Genf und Leiter der Abteilung Kommunikation. Als bei der Mitte plötzlich eine Absage auf die andere folgte, da habe das etwas in ihm ausgelöst, erklärt er: «Ich habe in mich hineingehört und spürte einen starken Drang, zu kandidieren.» Er wolle eine andere Perspektive in den Bundesrat einbringen. «Ich habe das Gefühl, dass es zunehmend einen Graben zwischen den Erwartungen der Bevölkerung und der Trägheit der Politik gibt.»
«Ich habe mir das reiflich überlegt»
Ebby Guirao leitet im Kanton Freiburg ein kleines Familienunternehmen für Glasfolien. Sie habe die Idee erst mit ihrer Familie besprochen und sich dann bei den Parlamentsdiensten gemeldet: «Meine Kandidatur ist nicht aus dem Bauch heraus entstanden – ich habe mir das reiflich überlegt.» Sie habe vielleicht keine politische Erfahrung, aber: «Ich habe Lebenserfahrung. In meinem Unternehmen muss ich täglich Lösungen finden. Das zählt auch sehr viel. Ich habe Respekt vor der politischen Arbeit, und ich glaube, dass ich diese Arbeit mit dem gleichen Engagement wie Markus Ritter oder Martin Pfister machen kann.»
Guirao ist ihre eigene Chefin. Beruflich steht für sie nicht viel auf dem Spiel. Für Brahier schon. Seine Arbeitgeberin, die Polizei, beobachtet die Kandidatur genau. Der Sprecher des zuständigen Departements liess sich denn auch bereits in der Zeitung «24 Heures» zitieren, man sei von der Kandidatur überrascht worden – und habe Brahier klargemacht, dass er seine Kampagne nur in der Freizeit führen dürfe. Vorläufig nimmt er keine Sprecherfunktion für die Polizei wahr.
Was würden die beiden konkret ändern im Bundesrat? Brahier glaubt, dass das Handy in der Schweiz noch zu wenig zu Warnzwecken eingesetzt wird. Guirao weiss es noch nicht. Sie sagt: «Als Bürgerin sieht man nicht alle politischen Details der Dossiers, ich würde mir zuerst einen Überblick verschaffen – und dann entscheiden, was geändert werden muss.»
Keine Rückmeldung von der Mitte
Während viele Mitte-Politiker die Familie als Grund angaben, nicht zu kandidieren, sehen die wilden Kandidaten das locker: Ebby Guirao hat zwei Kinder. Alexandre Brahier drei. Für beide kein Hinderungsgrund für eine Kandidatur.
Guirao und Brahier haben beim Parlamentsdienst ihre Dokumente abgegeben und sind nun offiziell Bundesratskandidaten. Die Mitglieder der Vereinigten Bundesversammlung können ihre Dossiers einsehen – wenn sie denn wollen. Am Wahltag haben die wilden Kandidaten aber nicht dieselben Rechte wie diejenigen, welche die Mitte auf ihr Ticket setzt. Sie haben keinen Zugang zum Parlamentsgebäude, was beide bedauern.
Dass sie für einen Mitte-Sitz kandidieren, ist kein Zufall. Beide fühlen sich der Partei nahe und haben in den letzten Tagen eine Mitgliedschaft beantragt. Eine Antwort haben sie noch nicht erhalten.
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