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Hoteliers und Glühweinverkäufer profitieren
Touristen fluten die Schweizer Weihnachtsmärkte

Der Weihnachtsbaum auf dem Zuercher Wienachtsdorf am Bellevue , fotografiert am Dientsag, 10. Dezember 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Til Buergy)
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In Kürze:
  • Schweizer Weihnachtsmärkte ziehen derzeit besonders viele Besucher und Touristen an.
  • Hoteliers melden zweistellige Wachstumsraten bei Übernachtungen im Dezember.
  • Basel, Zürich und die Genfersee-Region profitieren von langjähriger Weihnachtsmarkt-Werbung.

Von Chur bis Genf und von Kreuzlingen bis Lugano – die Schweiz ist derzeit ein einziger grosser Weihnachtsmarkt. Einige dieser Märkte ziehen besonders viel Publikum an. In Basel war der Ansturm in den vergangenen Tagen so gross, dass es zeitweise fast kein Durchkommen mehr gab.

Peter Howald sieht darin kein Problem, im Gegenteil: Für den Glühweinverkäufer kann die Schlange an seinem Stand nicht lang genug sein. Seine Kundschaft hat sich jedoch deutlich gewandelt in den bald 20 Jahren, in denen er Glühwein anbietet. Heute bedient er vor allem Touristinnen und Touristen. «Die meisten sind Amerikaner, das sehen wir an den Kreditkartenabrechnungen», sagt der 70-Jährige.

Auf dem Basler Münsterplatz verkauft er pro Tag im Schnitt 35 Liter des heissen Gewürzgetränks – das macht rund 1000 Franken Umsatz. Dazu kommen Einnahmen für Extraschuss Gin, Kaffee, Punsch und Fleisch vom Grill.

Glühwein-Standbetreiber Peter Howald auf dem Weihnachtsmark Münsterplatz, am Mittwoch, 11. Dezember 2024 in Basel. © Photo Dominik Plüss

Die gelb leuchtende Krone über dem «Glühwein»-Schriftzug hat Howald wohl nicht ohne Grund angebracht, zumindest deutet sie sein Selbstverständnis an: «Die Leute wissen, dass es bei uns den besten Glühwein gibt», sagt er, während sein Mitarbeiter den Grill mit Alufolie auskleidet, um später darauf Rindsspiesse zu braten.

Howald betreibt daneben Stände an diversen Orten in der Schweiz – etwa in Chur oder Luzern. Er ist rechtzeitig eingestiegen, als ab 2010 in der Schweiz die ersten Weihnachtsmärkte aufkamen. Inzwischen gehört ein solcher zum guten Ton in jeder Stadt und jedem Dorf.

Reisten früher Schweizerinnen in der Adventszeit ins Elsass oder nach Stuttgart oder Köln an Christkindlmärkte, ist es nun umgekehrt. Im grossen Stil strömen Touristen in der Adventszeit in die Schweiz, um in Weihnachtsstimmung zu kommen.

Kreuzfahrtschiffe bringen Amerikaner nach Basel

Je tiefer die Temperaturen, desto grösser die Freude bei jenen aus warmen Ländern. «Somos de Mallorca», sagt eine der beiden Frauen, die vor einer bunt dekorierten Tanne für ein Selfie posieren. «Wir lieben diese Atmosphäre, es ist so richtig weihnachtlich.» Der Flug von Palma sei derzeit relativ günstig.

Nach Basel kommen die Touristinnen häufig per Kreuzfahrtschiff auf dem Rhein von Amsterdam oder Rotterdam via Mainz. «An Spitzentagen landen bei uns vier Schiffe, auf jedem hat es 200 Passagiere – fast alle Amerikaner», sagt Manuel Staub, Märkte-Chef des Kantons Basel-Stadt. Fix zum Programm gehört die Tour über den Basler Weihnachtsmarkt.

So werden die Weihnachtsmärkte zur Wertschöpfungsquelle für ganze Regionen. Der Markt am Quai von Montreux (VD) zog in den vergangenen Jahren solche Menschenmassen an, dass er dieses Jahr auf die Orte Vevey und Villeneuve ausgedehnt wurde. Bremgarten, wo vergangenes Wochenende der weitherum bekannte Christchindli-Märt stattfand, verzeichnet jeweils 100’000 Besucher. Einen Rekord gab es dieses Jahr in Einsiedeln – 75’000 Weihnachtsfans waren da.

Hoteliers verzeichnen zweistellige Wachstumsraten

Davon profitieren die Hoteliers. Im Dezember verzeichneten die Schweizer Hotels laut Zahlen des Bundes vom vergangenen Jahr zweistellige Wachstumsraten bei den Übernachtungen im Vergleich zu vor der Pandemie.

Stark angestiegen ist vor allem die Zahl der Gäste aus den USA. 2019 wurden 155’000 Übernachtungen von Amerikanern registriert, 2023 waren es bereits 202’000. Das entspricht einem Anstieg von 30 Prozent. Weil auch mehr Italiener, Französinnen und Engländer kommen, konnte der Rückgang bei den Gästen aus Deutschland kompensiert werden.

«Rein auf die Logiernächte bezogen sind das extrem starke Zahlen», sagt Markus Berger, Mediensprecher von Schweiz Tourismus. Er weist darauf hin, dass sie nicht automatisch bedeuten, dass es der Branche gut gehe. «Die Auslastung, die schweizweit noch immer klar unter 50 Prozent liegt, zeigt, dass der Schweizer Tourismus noch viel Potenzial hat.» 

Das starke Wachstum zeigt bereits negative Effekte. In Basel musste das Münster am Wochenende schliessen, weil es von Besuchern regelrecht geflutet wurde und es einigen an Anstand mangelte, wie Prime News berichtete. In Wil (SG) gab es Kritik wegen zu viel Glühwein und zu wenig Kunsthandwerk. Der Marktchef verteidigte sich: Die meisten Menschen gingen eben nicht an den Weihnachtsmarkt, um sich mit Christbaumkugeln und Holzschnitzereien einzudecken, sagte er dem «St. Galler Tagblatt»

Und nicht überall laufen die Märkte gleich gut. In Regensdorf (ZH) etwa harzt es dieses Jahr. «Am Donnerstag habe ich unseren Stand zusammengepackt», erklärt Glühwein-Unternehmer Howald. «Wenn ich pro Tag nur noch zwei Tassen Glühwein verkaufe, reisst mir das ein zu grosses Loch in die Kasse.»

Nur Glühwein zu verkaufen, reicht nicht

Mit allen Märkten, auf denen er in der Adventszeit vor Ort ist, setzt Howald gegen 400’000 Franken um – ein Viertel seines Jahresumsatzes. Den übrigen Umsatz erwirtschaftet er in den wärmeren Monaten mit Imbissbuden sowie Ständen zum Büchsenwerfen und Luftgewehrschiessen an Jahrmärkten.

Dieses Jahr sollen ihm die Einnahmen an den Weihnachtsmärkten helfen, das schlechte Geschäft im Frühsommer zu kompensieren. Gleichzeitig muss er Löhne für seine derzeit 15 Angestellten zahlen und ständig investieren.

Allein auf Glühwein zu setzen, reicht schon lange nicht mehr. Denn auch seine Standnachbarn links und rechts sowie diejenigen gegenüber haben ihn im Angebot. Deshalb gibt es bei Howald inzwischen ein 200-Gramm-Rindsspiessli für 19.90 Franken.

Glühweinstände zahlen mehr als Engelsverkäufer

Für Weihnachtsmarkt-Fans steht Geselligkeit vor weihnachtlicher Kulisse im Vordergrund. Mit gerade einmal 679 Unternehmen und 1445 Beschäftigten handelt es sich bei den Marktstandbetreibern um eine Mikrobranche. Die Zahl der Firmen ist laut den Zahlen des Bundesamts für Statistik in den letzten zehn Jahren zurückgegangen, jedoch beschäftigen sie mehr Angestellte. An den Verkaufsständen werden deutlich mehr Nahrungs- und Genussmittel, Getränke und Tabakwaren verkauft als früher. Textilien sind stark rückläufig.

Das heisst: An den Märkten wird vor allem mit Getränken und Essen viel umgesetzt. Diese Stände zahlen eine höhere Miete als die anderen. Besonders hoch sind die Preise in der Hauptbahnhofshalle in Zürich – 12’000 Franken beträgt dort die Miete pro Häuschen. In Basel kostet ein solches pauschal 2594 Franken, hinzu kommen die Energiekosten.

Verpflegungsverkäufer wie Peter Howald jedoch zahlen deutlich mehr: Mit den Ausgaben für zusätzliche Quadratmeter für Stehtische, Strom und Wasser eingerechnet, koste ihn der Stand 10’000 Franken, sagt er. «Wir subventionieren sozusagen die Engelsverkäufer.» Dabei müsse man aber berücksichtigen, dass diese Händler ebenfalls hohe Auslagen haben und ein hartes Geschäft mit hohem Risiko betreiben. «Wenn es zu warm ist oder regnet, ist der gesamte Umsatz dahin.»

Jahrelange Werbeoffensive trägt jetzt Früchte

Der enorme Zustrom an Weihnachtsmarkt-Touristen ist das Resultat jahrelanger Werbeoffensiven. Wie Basel haben diverse Schweizer Städte viel Geld in die Vermarktung investiert.

Auch Schweiz Tourismus hilft mit. Zusammen mit den SBB und Trenitalia führt die Vermarktungsorganisation des Bundes bereits seit 15 Jahren spezielle Weihnachtsmärkte-Kampagnen durch – besonders in den Städten, die mit dem Eurocity verbunden sind.

Un Pere Noel dans un traineau volant, circule sur un cable au-dessus des stands lors du Montreux Noel le jeudi 24 novembre 2022 a Montreux. Le Marche de Noel de Montreux accueil entre les chalets illumines, marchands, artisans et restaurateurs au bord du lac Leman lors de la periode du 18 novembre au 24 decembre. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

In London wirbt Schweiz Tourismus seit drei Jahren mit Adventsreisen in die Schweiz. «Es hat einige Zeit gedauert, bis wir das Bewusstsein dafür wecken konnten, weil sie noch viel weniger bekannt sind als diejenigen in Deutschland, Frankreich oder Österreich», sagt Berger von Schweiz Tourismus.

Die Tatsache, dass die «New York Times», CNN oder andere internationale Medien über Schweizer Märkte berichten, sei eine Folge davon, dass sie immer auf der Suche seien, neue Ziele ins Rampenlicht zu rücken. In diversen Ranglisten sind denn auch immer andere Märkte vorne klassiert – zunehmend solche aus der Schweiz.