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Meinung

Analyse zu Thomas Jordans Abgang
Der erfolgreichste Noten­banker der Welt tritt ab

Swiss National Bank's (SNB) Chairman of the Governing Board Thomas Jordan leaves the end-of-year press conference of Swiss National Bank (SNB BNS), in Bern, Switzerland, Thursday, December 14, 2023. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Wenn es noch einen Beleg für die Bedeutung von Thomas Jordan für die Schweizerische Nationalbank gebraucht hätte, dann hat diesen heute Morgen der Franken geliefert. Er schwächte sich gegenüber dem Euro und dem Dollar ab, als bekannt wurde, dass Jordan seinen Abschied auf Ende September gibt. Denn Jordan stand immer für einen starken Franken ein.

Der Nationalbankpräsident prägte zwölf Jahre lang die Politik der SNB. Zwar ist die SNB-Spitze offiziell ein Dreiergremium, doch gab der 61-Jährige den Kurs der Institution vor. Die wichtigsten Entscheide wie der Negativzins und die Bilanzausweitung werden im ersten Departement getroffen – und das führt Präsident Jordan. Er führte die Schweizer Wirtschaft durch die Stürme der letzten Jahre. Und davon gab es einige. Eurokrise, Frankenstärke, Negativzinsen oder CS-Untergang – die SNB und damit Jordan waren gefordert.

Jordan war anerkannter Theoretiker – mit Erfolg in der Praxis

Unter Notenbankern geniesst Jordan höchsten Respekt. Er ist ein anerkannter Geldtheoretiker – und er war in der Praxis erfolgreich. Es gibt wohl kein anderes Land, das derart unbeschadet durch alle Stürme gekommen ist. Der Franken gilt als wertstabilste Währung und sicherer Hafen in allen Krisen. Die Exportindustrie und der Tourismus haben die Frankenaufwertung gut überstanden. Die Nationalbank unter Thomas Jordan hat ihren Teil zum guten wirtschaftlichen Zustand der Schweiz beigetragen.

Die Dominanz brachte ihm auch Kritik ein. Beim Abgang anderer Führungskräfte wurde jeweils auch sein Führungsanspruch als Grund dafür angeführt. So etwa, als Andréa Maechler, die einzige Frau an der SNB-Spitze, die Nationalbank vor einem Jahr verliess. Statt Maechler wurde Martin Schlegel zum Vizepräsidenten gewählt – der im Gegensatz zu Maechler als enger Vertrauter Jordans gilt.

Jordans Rücktritt bei der SNB überrascht

Sein Abgang kommt überraschend, und er ist vorzeitig. Vom Bundesrat wurde Jordan 2021 für eine nächste Amtszeit bestätigt, daher wäre er bis ins Jahr 2027 gewählt. Dann wäre er mit 64 Jahren im Pensionsalter. Spekuliert wird über gesundheitliche Probleme, die sich bei jeder Krise – und davon meisterte er einige – verstärkten. 2021 liess er wegen einer Herzoperation kurzzeitig sein Amt ruhen. Er selbst hat bei einem Mediengespräch am Freitagnachmittag auf seine gute Gesundheit verwiesen. Da nun eine wirtschaftspolitisch ruhigere Phase anstehen könnte, scheint ein guter Zeitpunkt für Jordan gekommen zu sein, um seinen Abschied zu nehmen.

Die Präsidentin des Bankrats, Barbara Janom Steiner, sagt: «Mit Thomas Jordan tritt eine herausragende Persönlichkeit zurück. Ich bedaure seinen Entscheid zutiefst.» Er habe die Nationalbank und ihre Geldpolitik über ein Vierteljahrhundert stark geprägt. Er selbst wird in der Mitteilung der SNB so zitiert: «Nach der Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen der letzten Jahre ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, von meinem Amt zurückzutreten.»

Das Urteil über seine Amtszeit fällt geteilt aus. Das zeigt sich an den wichtigsten Meilensteinen seiner Ära: 

Folgen der Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015: Daniel Lampart, der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, anerkennt, dass die Nationalbank unter Jordan in einer schwierigen Zeit eine aktive Rolle spielte. Als Problem sieht er die Entwicklung des Wechselkurses. Nach der Aufhebung des Mindestkurses habe es keine wirksame Strategie gegeben. «Jordan hat den Kurs nicht unter Kontrolle gebracht», sagt Lampart. Er hofft, dass der Nachfolger oder die Nachfolgerin in diesem Punkt anders vorgehen wird.

Eingeführt wurden die Negativzinsen, um den Franken zu schwächen. Sie erreichten zwar ihre Wirkung. Doch wurde die Kritik der Banken mit der Zeit immer lauter. Herbert Scheidt, der damalige Präsident der Bankiervereinigung, warnte 2019 vor «massiven strukturellen Schäden». Dies, weil dadurch die wichtigste Ertragsquelle der Banken wegzufallen drohte. Die Margen der Banken kamen zusehends unter Druck. Die Aufhebung der Negativzinsen hat nun zum genauen Gegenteil geführt: Den Banken geht es blendend. Die Erträge der Banken aus dem Zinsgeschäft waren in den letzten beiden Jahren ausserordentlich hoch. 

Zum Wachstum der Bilanz: Schon 2018 sagte der damalige Finanzminister Ueli Maurer, die Bilanz sei «an der Grenze des Erträglichen». Weil die Investoren den Franken als sicheren Hafen bevorzugten, bedrohte die Frankenstärke die Schweizer Exportwirtschaft. Die Nationalbank kaufte Euro und Dollar, um den Franken zu schwächen. Ihre Bilanz stieg in der Folge auf gegen 1000 Milliarden Franken an. Das Problem der grossen Bilanz sind die massiven Gewinne und Verluste, die durch Bewertungsänderungen einzelner Positionen anfallen können. Das hat der SNB den Ruf eingebracht, der grösste Hedgefonds der Welt zu sein. Wie stark die Schwankungen sind, wird sich am Montag zeigen. Dann wird die SNB ihr Ergebnis für das Jahr 2023 vorlegen. Die Grundzüge sind schon bekannt. Nach dem gigantischen Verlust von 132 Milliarden Franken im Vorjahr sind es dieses Jahr noch 3 Milliarden Franken. 

Kritik erntete die SNB auch für ihre Rolle beim Untergang der Credit Suisse. Noch ist das Ende der Grossbank nicht restlos aufgearbeitet. Die SNB, und damit auch Jordan, wird dafür kritisiert, dass sie bei der CS nicht früher eingeschritten ist. Zwar soll sich Jordan schon 2022 ernsthaft um den Zustand der CS Sorgen gemacht haben, doch gelang es ihm nicht, damals schon einen Rettungsplan umzusetzen. Die Pläne verschwanden wieder in der Schublade. Wenige Monate später war das Ende der CS besiegelt. Als einziger Ausweg blieb der Notverkauf an die UBS. 

Erfolgreicher Kampf gegen Teuerung

Gelungen ist es der SNB hingegen, die Inflation in der Schweiz im Griff zu behalten. Sie stieg sie nie über 3,5 Prozent, zurzeit liegt sie bei 1,3 Prozent. Sie liegt also da, wo Jordan sie haben will – unter 2 Prozent. Zum Vergleich: In Europa und den USA kletterte sie zeitweise über 10 Prozent. Die Schweiz wurde daher für ihre Preisstabilität im Ausland bewundert. Ein Erfolg Jordans. Weitere Zinserhöhungen, um die Inflation zu bekämpfen, sind daher nicht zu erwarten. 

Kritik kam in letzter Zeit vom SNB-Observatorium. Dessen Ziel ist es, die Politik der Schweizerischen Nationalbank mit kritischen Diskussionsbeiträgen zu hinterfragen. Es besteht aus den Ökonomen Stefan Gerlach, Yvan Lengwiler und Charles Wyplosz. 

Das oberste Führungsgremium der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sei sehr einseitig zusammengesetzt, es gebe zu wenig Berufserfahrung von ausserhalb der SNB. Das dreiköpfige Direktorium sei zu klein, die Entscheide müssten breiter abgestützt und diskutiert werden. Auch die Transparenz und die Rechenschaftspflicht der SNB und ihres Aufsichtsgremiums, des Bankrats, sollten verbessert werden, fordert das Observatorium. 

Bekannt ist etwa, dass Gewerkschaftsbund-Chefökonom Lampart Kritik aus der SNB-Spitze einstecken musste, weil er sich zu seiner Zeit als SNB-Bankrat öffentlich zur Politik der SNB geäussert hatte. 

Die Präsidentin der nationalrätlichen Finanzkommission, Sarah Wyss (SP), hat den Austausch mit Jordan als angenehm und transparent erlebt. Jordan habe in einer schwierigen Zeit gute Arbeit geleistet, sagt sie. Ein enger Austausch sei wichtig, da die Fiskal- und die Geldpolitik zusammenhingen. Gleichzeitig müsse aus Sicht der Kommissionsmehrheit aber die Unabhängigkeit der Nationalbank gewahrt werden. Für Diskussionen hätten jeweils die Ausschüttungen der Nationalbank und die Frage der Ausschüttungsreserve gesorgt. Auch die Zusammensetzung des SNB-Direktoriums und die fehlende Diversität seien ein Thema gewesen.

Thomas Aeschi bedauert Jordans Rücktritt. «Er war ein Garant für die Stabilität der SNB», sagt der SVP-Fraktionschef und Präsident der nationalrätlichen Wirtschaftskommission. In der SVP habe Jordan mit seiner ruhigen, kompetenten und soliden Art fast blindes Vertrauen genossen. Für die Nachfolge wünscht sich Aeschi eine ähnliche Persönlichkeit.