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Klage der CS-Aktionäre
Haben die Finanzmarkt­aufsicht und die National­bank gelogen?

Axel Lehmann, Chairman Credit Suisse, Colm Kelleher, Chairman UBS, Swiss Finance Minister Karin Keller-Sutter, Swiss Federal President Alain Berset, Thomas J. Jordan, Chairman Swiss National Bank, Marlene Amstad, President FINMA, and Andre Simonazzi, chief communication Swiss government, from left, attend a press conference, on Sunday, 19 March 2023 in Bern. Switzerland's largest bank UBS agreed to take over Credit Suisse for 3 billion Swiss francs ($3.25 billion) in a government-brokered deal over the weekend following days of market upheaval over the health of the banking sector. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Am 15. März 2023 verschickten die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Nationalbank eine gemeinsame Mitteilung mit folgendem Inhalt: Die Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität.» Und weiter: «Die Regulierung in der Schweiz sieht vor, dass alle Banken Kapital- und Liquiditätspuffer vorhalten müssen, die den Mindestanforderungen des Basler Standards entsprechen oder darüber hinausgehen.» Basis für die Aussagen waren Zahlen, die von der Finma geprüft wurden.

Ausriss aus dem gemeinsamen Kommuniqué von Finma und Nationalbank vom 15. März 2023.

Einige Credit-Suisse-Aktionäre hatten darum das Gefühl, die UBS habe die Bank viel zu billig übernehmen können. Sie forderten eine Nachbesserung.

Nun tönt plötzlich alles ganz anders. Die Anwälte der UBS schreiben in ihrer Klageantwort, die der SonntagsZeitung vorliegt: «Die CSG (gemeint ist die Credit Suisse Group, die Red.) erfüllte die Kapitalanforderungen nur dank Ausnahmen.» Und das bereits zwei Jahre vor dem Kollaps.

Auch habe die Bank am Abend des 15. März 2023 keine Liquiditätspuffer mehr gehabt – im Gegenteil, die Credit Suisse musste für die Inanspruchnahme der Liquiditätshilfe gegenüber der Nationalbank bestätigen, «sich nicht mehr am Markt refinanzieren [zu] können».

Nur so konnte sie am frühen Morgen des 16. März vermelden, dass sie von der Nationalbank 50 Milliarden Franken bekommen hatte. Wenn das stimmt, dann wurde offensichtlich beschönigt – wenn nicht gar gelogen.

Ordentliches Recht wurde nicht angewendet

Seit der Finanzkrise 2009 ist umstritten, wie viel Eigenkapital die Banken haben sollten und wie sich dieses korrekt berechnet. Dazu findet sich in der Klageantwort der UBS Interessantes. So schreiben deren Anwälte: «Mit einer Änderung des Rechnungslegungsrechts im Jahr 2015» sei der Grundsatz der Einzelbewertung von Vermögenswerten wie Beteiligungen eingeführt worden. «Damit wurde der internationalen Standards widersprechenden Praxis ein Riegel geschoben, verschiedene Aktiven als ‹Portfolio› zu bewerten.»

Diese Änderung galt für alle Banken. Da aber absehbar war, dass diese strengeren Vorschriften zu Problemen bei der Einhaltung der Kapitalanforderungen der Credit Suisse führen würden, gewährte der Bundesrat in der Bankenverordnung «eine grosszügige Übergangsvorschrift von fünf Jahren», wie es in der UBS-Klageantwort heisst.

Doch die genügte im Fall der Credit Suisse und ihrer Tochtergesellschaften nicht. Sie ersuchte die Finma daher um eine «spezielle Erleichterung über die gesetzliche Übergangsfrist hinaus».

Die Finma gewährte 2019 der Credit Suisse eine weitere Ausnahmeregelung, obwohl «die Eigenmittelverordnung keine solche Ausnahme vorsieht». Anstatt die neuen Kapitalregeln anzuwenden, durfte die Berechnung der regulatorisch erforderlichen Kapitalbasis weiterhin nach der weniger strengen alten Praxis durchgeführt werden. Das nannte man einen «regulatorischer Filter», was gegen geltendes Recht verstossen hat.

Die Credit Suisse erfüllte bereits im ersten Quartal 2021 die Eigenkapitalvorschriften nicht mehr.

Als die Credit Suisse im ersten Quartal 2021 wegen des Archegos-Skandals einen Verlust von 5 Milliarden Franken verbuchen musste, sanken die Eigenmittel unter die gesetzlichen Vorschriften. Ein Zustand, der nicht ewig andauern konnte. «Vielmehr hätte die Finma über kurz oder lang wieder die Anwendung des ordentlichen Rechts auch für die CSG vorsehen müssen. Diese Anpassung hätte folglich zu einem Kapitalbedarf von ungefähr CHF 14,5 Milliarden geführt», heisst es in der Klageantwort.

Dann wurde die Liquidität knapp

Die Credit Suisse musste allein am 15. März 2023 eine Welle von Vermögensabflüssen im Wert von rund 13,2 Milliarden Franken hinnehmen. «Während die CSG im Herbst 2022 die hohen Abflüsse dank verordneten Liquiditätspuffern noch knapp decken konnte, hielt sie Mitte März 2023 nicht mehr genügend Liquidität, um die Abflüsse des erneut entflammten Bank Runs zu decken», heisst es dazu in der Klageantwort der UBS.

Statt der angeblichen «Kapital- und Liquiditätspuffer» hatte die CS Mitte März 2023 «nicht mehr genügend Liquidität».

Das widerspricht diametral dem gemeinsamen Statement von Finma und Nationalbank. Am 16. März zogen Kundinnen und Kunden der Credit Suisse weitere 17,1 Milliarden Franken ab, vor allem von der Credit Suisse Schweiz AG. Aufgrund der «massiven Liquiditätsprobleme» der Bank erliess der Bundesrat die am selben Tag in Kraft getretene Verordnung über zusätzliche Liquiditätshilfe-Darlehen und die Gewährung von Ausfallgarantien des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der Schweizerischen Nationalbank an systemrelevante Banken.

Doch das wurde nicht öffentlich bekannt gegeben. So musste die Credit Suisse zusehen, wie sich der enorme Kundengeldabfluss am Freitag fortsetzte. Weitere 10,1 Milliarden Franken flossen ab.

Insgesamt verzeichnete die CS im ersten Quartal 2023 bei den Kundengeldern Abflüsse von 67 Milliarden Franken. Um einen Kollaps am Nachmittag des 17. März zu verhindern, musste sie am gleichen Tag erneut 20 Milliarden Franken Liquiditätshilfe von der Nationalbank beantragen. In diesem Zusammenhang bestätigte die Bank ein weiteres Mal, nicht mehr ausreichend Liquidität auf dem Geld- und Kapitalmarkt beschaffen zu können, um ihren Liquiditätsbedarf zu decken.

«Das Ausmass dieser weiteren enormen Abflüsse wurde erst nachträglich öffentlich bekannt» schreiben die UBS-Anwälte. Was die Öffentlichkeit auch nicht wusste: Offenbar plante namentlich die Ratingagentur S & P, das Rating der Credit Suisse auf Ramsch-Niveau herabzustufen und zusätzlich die Bank auf «Negativen Ausblick» zu setzen. Das allein hätte der Bank wohl das Genick gebrochen, sagen die UBS-Anwälte.