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Nachlassende Teuerung
Warum zum Geier ist die Inflation schon wieder so tief?

Die Volg Filiale in Remigen AG am 07. Mai 2013.
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Kurz nach Beginn jedes Monats gibt das Bundesamt für Statistik jeweils bekannt, wie sich die Konsumentenpreise im abgelaufenen Monat verändert haben. Die verkündete Zahl wird jeweils an den Erwartungen gemessen: Fachleute geben zuvor in Umfragen an, wie hoch sie die Inflation einschätzen.

Mehrmals lagen diese Schätzungen in den letzten Monaten zu hoch. So stellte sich etwa im Dezember und im Februar heraus, dass die Inflation im Monat zuvor deutlich tiefer gewesen war, als Experten vorausgesagt hatten.

Diese Woche kam nun die nächste Überraschung. Das Statistikamt vermeldete für den Monat März eine Teuerung von 1,0 Prozent. Das ist nicht nur im Vergleich zur Vergangenheit ziemlich tief: Vor genau einem Jahr betrug die Teuerung noch rund 3 Prozent. Sondern – Surprise, Surprise – auch einiges niedriger, als die Fachwelt es gemäss ihren Prognosen vermutet hatte.

Warum bildet sich die Teuerung wieder dermassen schnell zurück? Warum sind Experten davon so überrascht? Und wie geht es im Jahresverlauf weiter?

Antworten darauf gibt eine Grafik, anhand deren man die Inflation auf eingängige Weise analysieren kann. Sie zeigt, wie stark drei Gruppen von Gütern, die im Warenkorb des Konsumentenpreisindex vertreten sind, zur Inflation beitragen.

Wie man sieht, hat sich die Teuerung der drei Gütergruppen über die Jahre sehr unterschiedlich entwickelt.

1. Mieten

Die Mietpreise haben im Warenkorb ein Gewicht von 18 Prozent. Sie verändern sich nur langsam, und deshalb schwankt auch ihr Beitrag zur Inflation wenig. In den 2010er-Jahren belief er sich auf 0 bis 0,25 Prozentpunkte.

In den 2020er-Jahren veränderte sich dies. Die Nationalbank begann, ihren Leitzins zu erhöhen. Und so stieg mit der Zeit auch der hypothekarische Referenzzinssatz, an den zahlreiche Mietverträge gekoppelt sind.

Im vergangenen Dezember erreichte der Referenzzinssatz seinen vorläufigen Höchstwert. Dies schlägt sich in den jüngsten Inflationszahlen nieder: Die Mieten tragen seit Februar ganze 0,5 Prozentpunkte zur Teuerung bei. Das bedeutet, dass die Mieten derzeit genau die Hälfte der Inflation ausmachen.

Experten hatten im Vorfeld gedacht, dass dieser Beitrag noch höher ausfallen könnte – das erklärt zum Teil, warum sie sich zuletzt verschätzt haben.

Nun wird gemutmasst, dass ein Teil der Mieterhöhungen erst mit Verzögerung in der Statistik auftauchen wird – also in den Inflationszahlen vom Mai, die Anfang Juni veröffentlicht werden. Die Inflation könnte also aufgrund der Mietpreisentwicklung im weiteren Jahresverlauf wieder etwas ansteigen.

Dieser Effekt hält aber nicht lange an. Denn im März hat die Nationalbank den Leitzins ein erstes Mal gesenkt. Weitere Abwärtsschritte könnten im Sommer und Herbst folgen. Das bedeutet, dass auch der hypothekarische Referenzzinssatz in absehbarer Zeit – gemäss einer UBS-Studie innerhalb von Jahresfrist – wieder sinkt.

In der Folge dürfte sich auch der Anstieg der Mieten verlangsamen. Und das heisst wiederum, dass die Mieten dann weniger zur Teuerung beitragen.

2. Dienstleistungen

Dienstleistungen sind der grösste Posten im Warenkorb. Sie haben ein Gewicht von 42 Prozent und beinhalten Dinge wie Sanitärinstallationen, Physiotherapie, Hotelübernachtungen und Finanzberatungen.

In der Regel leisten Dienstleistungen einen positiven Beitrag zur Inflation: 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte im Schnitt übers vergangene Jahrzehnt.

Während der Pandemie wurden Dienstleistungen zeitweise günstiger. Doch seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs wächst ihr Preis für hiesige Verhältnisse recht rasch. Zurzeit tragen Dienstleistungen rund 0,7 Prozentpunkte zur Gesamtinflation bei.

Grund dafür ist der globale Teuerungsschub. Weil ihre Kosten gestiegen sind, haben Dienstleister die Preise erhöht. Ein weiterer Faktor sind die Löhne: Sie werden mit einer gewissen Verzögerung an die Teuerung angepasst – und tragen so ihrerseits zu höheren Dienstleistungspreisen bei.

Wichtig zu wissen ist, dass diese sogenannten Zweitrundeneffekte niedriger als erwartet ausgefallen sind. Das räumte etwa die Nationalbank an ihrer jüngsten Lagebeurteilung ein.

Wichtig ist aber auch, dass diese Effekte nicht von einem Tag auf den anderen verschwinden. Es braucht wohl mehrere Jahre, bis der Inflationsbeitrag der Dienstleistungen wieder auf sein langjähriges Mittel zurückfällt.

3. Waren

Joghurt, Damenschuhe, Vorhänge, Tennisschläger: All das sind Waren, die man in der Schweiz kaufen kann. Im Warenkorb eines Durchschnittskonsumenten haben sie im Total ein Gewicht von 40 Prozent.

Auch Energieträger zählen zu den Waren. Die Preise dieser Güter schwanken stärker als jene von Dienstleistungen. Das hängt mit den Konjunkturzyklen der Wirtschaft zusammen und damit, dass viele Waren importiert werden. Ist der Franken stark, werden sie billiger – und umgekehrt.

Über die 2010er-Jahre hinweg trugen Waren negativ zur Teuerung bei, und zwar mit –0,25 Prozentpunkten. Das heisst: Waren sorgten dafür, dass die Inflation sank. Grund dafür war die Aufwertung des Frankens in dieser Zeit.

Während der Pandemie war das zunächst ähnlich. Doch dann ging ausgehend von den Energie- und Nahrungsmittelpreisen ein Teuerungsschub um die Welt, der auch die Schweiz erreichte. Der Beitrag der Waren zur Inflation kletterte über 2 Prozentpunkte.

So rasch er kam, so rasch ebbte dieser Schub wieder ab. In den jüngsten Inflationszahlen vom März tauchen Waren das erste Mal wieder mit einem negativen Teuerungsbeitrag auf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Franken in den Jahren 2022 und 2023 an Wert zugelegt hat. Importierte Waren wurden so zusätzlich vergünstigt.

Am Franken liegt es aber auch, dass die Warenteuerung im weiteren Jahresverlauf nicht noch viel deutlicher unter null sinken dürfte. Denn die Schweizer Währung ist seit Anfang Jahr etwas schwächer geworden. Das verteuert Importe wieder ein Stück weit.

Ausblick

Wie aus einer Umfrage von «Finanz und Wirtschaft» hervorgeht, rechnen Institute fürs Gesamtjahr 2024 im Schnitt mit einer Inflation von 1,4 Prozent. Das wäre ein merklich höherer Wert als die jüngst gemessenen 1,0 Prozent.

Frederik Ducrozet, Chefökonom bei Pictet Wealth Management, hält es angesichts dieser Diskrepanz für möglich, dass die Prognosen bald nach unten korrigiert werden. «Wenn die Inflation schon zu Jahresbeginn schwächer ist, dann steigt die Chance, dass sie auch übers ganze Jahr hinweg schwächer ausfallen wird.»

Alexander Rathke, Ökonom bei der Konjunkturforschungsstelle (KOF), findet es dagegen noch zu früh für solche Aussagen. «Risiken bestehen in beide Richtungen», sagt er. «Wir sollten mit einer Revision noch abwarten.»

So oder so wird das Bundesamt für Statistik in einem Monat die nächsten Inflationszahlen veröffentlichen. Ist die Fachwelt dannzumal erneut von einer schwachen Inflation überrascht, so wäre das nach allem Gesagten aber doch – überraschend.