Ticker zur Machtübernahme in Afghanistan+++ Taliban: Frauen dürfen getrennt von Männern Uni besuchen +++ Taliban sollen Bruder von Ex-Vizepräsident getötet haben
Die Taliban haben ihre Zusage erneuert, Frauen in Afghanistan auch weiterhin Hochschulbildung zu ermöglichen. News und Entwicklungen im Ticker.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen. Hochrangige Führer der Islamisten sind aus dem Exil zurückgekehrt.
Die USA, Deutschland und andere Staaten haben seit Mitte August Zehntausende Schutzsuchende aus Kabul evakuiert.
Der von US-Präsident Joe Biden per Ende August gewollte Truppenabzug ist vollzogen.
Vergangene Woche sorgten zwei Bombenanschläge für dutzende Todesopfer und Verletzte, dabei kamen auch 13 US-Soldaten ums Leben. Die USA haben mit einem Drohnenangriff reagiert.
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Taliban suchen Annäherung an Peking
Im Streben nach internationaler Anerkennung suchen die Taliban nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan den Schulterschluss mit China. Peking wolle, dass die Botschaft in Kabul weiter betrieben wird und «unsere Beziehungen im Vergleich zur Vergangenheit gestärkt werden», erklärte ein Sprecher der Taliban am Freitag auf Twitter. Die chinesische Regierung bestätigte die Aussagen.
China signalisiert den neuen Machthabern in Afghanistan als erste Grossmacht Entgegenkommen. Peking werde seine Botschaft in Kabul weiter betreiben, teilte Taliban-Sprecher Suhail Schahin am Freitag auf Twitter mit, nachdem Abdul Salam Hanafi, Mitglied des politischen Büros der Taliban in Katars Hauptstadt Doha, offenbar mit dem chinesischen Vize-Aussenminister Wu Jianghao telefoniert hatte.
Die Volksrepublik wolle ausserdem ihre humanitäre Hilfe für Afghanistan, insbesondere im Kampf gegen die Corona-Pandemie, «fortsetzen und verstärken», versicherte der Taliban-Sprecher.
Aussenamts-Sprecher Wang Wenbin bestätigte die Angaben. Neben dem Aufbau von «offenen und integrativen politischen Strukturen» und einer «gemässigten und stabilen Innen- und Aussenpolitik» hoffe China auf einen «klaren Bruch der Taliban mit allen terroristischen Gruppen», sagte er.
Taliban sollen nicht die Uiguren unterstützen
China hatte den USA einen übereilten und schlecht geplanten Abzug aus Afghanistan vorgeworfen und sich zu «freundlichen und kooperativen» Beziehungen zu den Taliban bereit erklärt. Peking hat verschiedene Interessen in Afghanistan: Zum Einen will die Regierung vermeiden, dass die Islamisten Rebellen der muslimischen Minderheit der Uiguren dabei unterstützen, in der an Afghanistan grenzenden Region Xinjiang gegen die chinesische Führung aufzubegehren.
Zum Anderen sieht Peking Experten zufolge in Afghanistan neue Möglichkeiten für Investitionen und die Sicherung wichtiger Rohstoffe wie Kupfer und Lithium. Die Taliban wiederum erhoffen sich von China wirtschaftliche Unterstützung, die von westlichen Ländern vorerst nicht zu erwarten ist.
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EU stellt Taliban Bedingungen für Hilfszahlungen und Kontakte
Die Europäische Union hat den Taliban Bedingungen für weitere Hilfszahlungen für Afghanistan und diplomatische Kontakte gestellt. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sagte am Freitag im slowenischen Kranj, die Aussenminister der 27 Mitgliedsländer hätten sich im Grundsatz auf gemeinsame «Prüfsteine» für die erwartete Taliban-Regierung in Kabul geeinigt. Dazu zähle die freie Ausreise für europäische Staatsbürger und Afghanen sowie freier Zugang für humanitäre Helferinnen und Helfer.
Als weitere Bedingungen nannte Borrell die Achtung von Frauenrechten und der Pressefreiheit, die Bildung einer «inklusiven und repräsentativen Regierung» sowie eine Zusage der Taliban, dass Afghanistan nicht erneut Zufluchtsort für Terroristen werden dürfe. Der EU-Aussenbeauftragte betonte, die Kontakte zu den Taliban kämen aber nicht einer offiziellen «Anerkennung» gleich.
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Biden besucht verwundete Soldaten
Drei Tage nach dem Abzug der letzten US-Truppen aus Afghanistan hat Präsident Joe Biden verwundete US-Soldaten im Walter-Reed-Militärkrankenhaus bei Washington besucht. Der Präsident wurde bei der Visite am Donnerstagabend von First Lady Jill Biden begleitet, wie das Weisse Haus mitteilte. Biden hatte den umstrittenen Abzug der USA aus Afghanistan unter anderem damit begründet, dass er nicht weitere Generationen von Amerikanern dorthin in den Krieg schicken wolle.
Biden hat eine besondere Beziehung zu Soldaten und dem Militär. Sein Sohn Beau war 2008/2009 als Offizier im Irak im Einsatz, starb schliesslich 2015 an einem Hirntumor. Als Biden im April den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan ankündigte, sagte er: «Ich bin der erste Präsident seit 40 Jahren, der weiss, was es bedeutet, ein Kind zu haben, das in einem Kriegsgebiet dient.»
Bidens Fahrt in das Militärkrankenhaus in Bethesda – einem Vorort von Washington – stand nicht auf seinem öffentlichen Terminkalender. Das Weisse Haus informierte über den Besuch erst mit der Ankunft.
Rund 17'000 Afghanen warten in Deutschland auf Weiterreise in USA
Rund 17'000 Afghaninnen und Afghanen warten in Deutschland auf US-Stützpunkten auf ihre Weiterreise in die USA. Auf dem US-Drehkreuz Ramstein in Rheinland-Pfalz werden aktuell 12'000 Menschen überprüft, wie der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, General Tod Wolters, am Donnerstagnachmittag bei einer Videoschalte im Pentagon sagte. Weitere 5000 hielten sich in der US-Militäranlage Rhine Ordnance Barracks in Kaiserslautern auf. Rund 4300 Afghanen befänden sich auf weiteren Drehkreuzen in Italien und Spanien.
Die Menschen werden nach seinen Worten vor der Weiterreise in die USA zweimal überprüft – einmal bei der Ankunft und ein weiteres Mal kurz vor der Abreise. Man habe bisher eine verdächtige Person aufgespürt, die sich nun in Gewahrsam befinde, sagte Wolters weiter. Er konnte keine weiteren Details zu dem Verdächtigen nennen – lediglich dass dieser keine «grosse Bedrohung» sei. Die Zusammenarbeit mit Deutschland sei in diesem Fall sehr kooperativ gewesen – man untersuche nun weiter den Hintergrund der Person.
Wolters lobte generell die «hundertprozentige Unterstützung» der Behörden Deutschlands, Italiens und Spaniens bei der Mission. Schutzsuchende wie etwa ehemalige Ortskräfte der USA in Afghanistan und ihre Familien, die aus Angst vor den Taliban ihre Heimat verlassen, kommen in Ramstein oder etwa auf anderen Stützpunkten der USA zunächst in Zelten und Flugzeughangars unter. Sie werden registriert und bei Bedarf medizinisch behandelt.
UNO nehmen humanitären Flugdienst in Afghanistan wieder auf
Die Vereinten Nationen nehmen nach eigenen Angaben ihren humanitären Flugdienst in Afghanistan wieder auf. Das ermögliche es 160 Hilfsorganisationen, ihre Arbeit in den Provinzen des Landes fortzusetzen. UNO-Sprecher Stéphane Dujarric sagte am Donnerstag, der vom Welternährungsprogramm (WFP) organisierte Flugdienst für Passagiere verbinde die pakistanische Hauptstadt Islamabad in Afghanistan mit den Städten Masar-i-Scharif im Norden und Kandahar im Südosten.
Das WFP habe berichte, dass seit Sonntag drei Flüge nach Masar-i-Scharif stattgefunden hätten. Man arbeite daran, diese Einsätze wo schnell wie möglich auszuweiten. Zusätzliche werde eine Frachtluftbrücke errichtet für medizinische und andere Güter dorthin, wo sie am dringendsten benötigt würden. «Von 2002 bis 2021 hat der UN Humanitarian Air Service in Afghanistan mehr als 20 Zielorte in dem Land angeflogen», sagte Dujarric. «Er wird sich bemühen, zu diesen Orten zurückzukehren, sobald die Sicherheitslage und Finanzierung es erlauben.» Für die Frachtluftbrücke würden 12 und den Passagierdienst 18 Millionen Dollar (10 und 15 Millionen Euro) benötigt.
EU-Länder halten Gespräche mit Taliban für unausweichlich
An Gesprächen mit den radikalislamischen Taliban führt kein Weg vorbei – das haben die Aussenminister Deutschlands und anderer EU-Staaten bei einem informellen Treffen in Slowenien am Donnerstag deutlich gemacht. Bundesaussenminister Heiko Maas warnte am Donnerstagabend in Kranj, es drohe eine «humanitäre Katastrophe in Afghanistan». Um den Menschen zu helfen, müsse man «mit den Taliban sprechen». Auch eine diplomatische Präsenz vor Ort sei dafür nötig.
Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn sagte, es gehe «nicht um eine Anerkennung der Taliban». Zentral sei nun die Frage, wie Millionen von Menschen geholfen werden könne.
Der österreichische Aussenminister Alexander Schallenberg sprach von einem massiven «Misstrauensvorschuss», den die EU den Taliban entgegenbringe. Dennoch seien Gespräche nötig, um Terror-Gefahren abzuwenden. «Afghanistan darf nicht zu einem schwarzen Loch der Sicherheitspolitik werden», betonte er.
Nach ihren Beratungen über Afghanistan am Donnerstagabend wollten die Aussenminister ihr Treffen am Freitag fortsetzen. Weitere Themen sind die Beziehungen zu China und zu den Golfstaaten.
Western Union nimmt Geldtransfers nach Afghanistan wieder auf
Der Finanzdienstleister Western Union hat wieder mit Geldtransfers nach Afghanistan begonnen. Auslandsüberweisungen in das Land seien ab Donnerstag wieder möglich, sagte eine Sprecherin des US-Unternehmens. «Wir verstehen die dringenden Bedürfnisse unserer Kunden und ihrer Familien und sind entschlossen, sie zu unterstützen.» Bis zum 17. September werde Western Union deshalb auf die Überweisungsgebühren verzichten.
Geldsendungen von im Ausland lebenden Afghanen sind für die Wirtschaft des verarmten Landes von grosser Bedeutung. Nach Angaben der Weltbank beliefen sie sich im vergangenen Jahr auf knapp 789 Millionen Dollar.
Die Entwicklungsbank selbst hatte erst vergangene Woche angekündigt, ihre Afghanistan-Hilfen auszusetzen und verwies auf «die Entwicklungsaussichten des Landes, insbesondere für Frauen» infolge der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban. Auch der Internationale Währungsfonds IWF hatte vor zwei Wochen angekündigt, seine Hilfe für das Land auszusetzen.
Draghi kritisiert EU für Umgang mit Flüchtlingen aus Afghanistan
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat das Verhalten einiger EU-Staaten bei der Aufnahme afghanischer Flüchtlinge kritisiert. Die Rettung von Afghanen habe ein weiteres Mal die Armseligkeit der EU beim Thema Migration gezeigt, sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Rom. Bei Afghanistan handle es sich um ein weltweites Problem. Die EU, die sich hinter so vielen Prinzipien vereine, schaffe es aber nicht, das anzugehen.
«Das ist ein Stachel in der Existenz der Union», erklärte Draghi weiter. Es gebe Länder, die bis zum heutigen Tag trotz der Attentate und der jüngsten Tragödie in Afghanistan sagen: Wir wollen keine afghanischen Flüchtlinge. «Wie kann man nur...?», fragte der 73-Jährige. Am Abend wolle er mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Marseille auch über Afghanistan sprechen.
Draghi nannte keine Namen von Staaten, die er bei seiner Kritik meinte. Zuletzt hatte sich die Regierung in Österreich gegen die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen ausgesprochen. Sie will stattdessen auf Hilfe vor Ort setzen.
In Italien sorgt das Thema Flüchtlinge und Migration seit Jahren für Streit in der Politik. Viele Menschen versuchen auf ihrer Flucht von den Küsten Nordafrikas Italien und damit die EU zu erreichen. Das Mittelmeerland fordert schon länger von der EU, die Umverteilung von Migranten und Flüchtlingen innerhalb der Gemeinschaft anzupassen.
«Reporter ohne Grenzen» fordert Aufnahme von gefährdeten Journalisten aus Afghanistan
Die Schweizer Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert den Bundesrat auf, bedrohte Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan aufzunehmen. Die Schweiz habe eine Uno-Erklärung unterschrieben, die verlange, dass Medienschaffende, die zu Recht um ihr Sicherheit fürchten, das Land verlassen dürften.
Das sei aber nur möglich, wenn Drittländer sich verpflichteten, diese Menschen aufzunehmen, teilte RSF Schweiz am Donnerstag mit. Sie hätten dem Aussendepartement (EDA) und dem Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) letzte Woche eine Liste mit afghanischen Medienschaffenden übermittelt, die in Gefahr seien.
Die Schweiz habe jedoch nach der Rückführung ihrer Mitarbeitenden und deren Familien keine weiteren Aufnahmemassnahmen angekündigt. Nun aber müsse das Land seinen Worten auch Taten folgen lassen, um vor allem den bedrohten Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan einen sicheren Aufenthaltsort zu bieten.
Britische Minister streiten über die Lage
Wegen des überhasteten Abzugs aus Afghanistan ist in der britischen Regierung ein offener Streit entbrannt. Verteidigungsminister Ben Wallace wies in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview Aussagen von Aussenminister Dominic Raab zurück, dass Geheimdienste und Militär falsche Prognosen zur Lage in Afghanistan gegeben hätten. «Es war unwahrscheinlich, dass Kabul dieses Jahr fallen würde», hatte Raab am Mittwoch vor Parlamentariern die «zentrale Einschätzung» wiedergegeben.
Nun sagte Wallace der Zeitschrift «Spectator»: «Die Geschichte zeigt uns, dass es nicht um das Versagen der Geheimdienstes geht, sondern um die Grenzen der Geheimdienste. Als die Sowjetunion zusammenbrach, als Libyen zusammenbrach, als es in Afghanistan Spitz auf Knopf stand, haben die Geheimdienst nicht versagt. Sie waren nur begrenzt, wie immer ganz am Ende.»
Eine Breitseite gegen Raab
Wallace betonte, er habe bereits im Juli gesagt, das Spiel sei aus und gefordert, die britischen Evakuierungsbemühungen zu beschleunigen. Dies gilt als Breitseite gegen Raab, der während des Vormarschs der militant-islamischen Taliban im Urlaub auf Kreta weilte und erst nach Tagen zurückkehrte. Premierminister Boris Johnson hat nach Angaben eines Sprechers volles Vertrauen in Raab.
Die oppositionelle Labour-Partei forderte ein Ende des kabinettsinternen Streits. Labour-Sicherheitsexperte Conor McGinn sagte, die Konzentration müsse der Rettung der Briten und afghanischen Ortskräfte gelten, die noch immer in Afghanistan sind. «Während britische Staatsangehörige und Afghanen, die uns geholfen haben, um ihr Leben kämpfen, sind die Kabinettsmitglieder mehr daran interessiert, um ihre Jobs zu kämpfen», sagte McGinn.
Katar arbeitet an Wiederöffnung am Flughafen
Der Golf-Staat Katar arbeitet mit den Taliban zusammen an einer Wiedereröffnung des Flughafens in Afghanistans Hauptstadt Kabul. «Wir sind zuversichtlich, dass wir ihn so bald wie möglich in Betrieb nehmen können», sagte der katarische Aussenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani am Donnerstag in Doha. Die nun in Afghanistan regierenden Islamisten rief er auf, sichere Ausreisen zu ermöglichen.
«Es ist sehr wichtig, dass die Taliban sich verpflichten, der afghanischen Bevölkerung sicheres Geleit und Freizügigkeit zu gewähren», sagte al-Thani. Katar arbeite mit den Islamisten und auch mit der Türkei zusammen. «Hoffentlich werden wir in den nächsten Tagen gute Nachrichten erhalten.»
Taliban: Regierungsbildung steht kurz bevor
Die Taliban wollen nach ihrer Machtübernahme Mitte August in Kürze ihre neue Regierung für Afghanistan vorstellen. Ein möglicher Termin für die Bekanntgabe des Kabinetts ist demnach das Ende des Freitagsgebetes, wie die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag von zwei Taliban-Mitgliedern erfuhr. In der Provinzhauptstadt Herat gingen derweil rund 50 Frauen für ihre Rechte unter den neuen Machthabern und für die Beteiligung von Frauen an der Regierung auf die Strasse.
Ein hochrangiger Taliban-Anführer hatte dem Sender BBC am Mittwoch gesagt, dass Frauen wahrscheinlich nicht an der Regierung beteiligt würden. Scher Mohammed Abbas Staniksai, der sich bereits während der ersten Taliban-Regierung in den 1990er Jahren einen Namen als Hardliner gemacht hatte, sagte, Frauen könnten zwar weiter arbeiten, es gebe aber wahrscheinlich keinen Platz für sie in künftigen Regierungen oder Spitzenpositionen.
In der Stadt Herat im Westen des Landes protestierten rund 50 Frauen. «Wir haben das Recht auf Bildung, Arbeit und Sicherheit», riefen die Teilnehmerinnen laut einem AFP-Reporter vor Ort. «Wir haben keine Angst, wir sind geeint», lautete eine andere Parole.
Herat an der antiken Seidenstrasse nahe der iranischen Grenze gilt als relativ kosmopolitisch. Mädchen sind hier bereits wieder in die Schulen zurückgekehrt. Eine der Organisatorinnen der Proteste, Basira Taheri, sagte AFP, sie fordere eine Einbindung von Frauen in die neue Regierung. «Wir sehen überhaupt keine Frauen bei ihren Treffen und Versammlungen», kritisierte sie.
Britischer Aussenminister reist in Nachbarländer Afghanistans
Nach massiver Kritik an der Luftbrücke aus Kabul hat der britische Aussenminister Dominic Raab eine Reise in die Nachbarländer Afghanistans angekündigt. Raab sagte am Mittwoch im Parlament, er werde noch am Abend in die Region aufbrechen, um weitere Ausreisemöglichkeiten für britische Staatsbürger und schutzbedürftige Afghanen auszuloten.
Wie Raab bei einer fast zweistündigen Befragung im Aussenausschuss sagte, führt London bereits Gespräche mit den radikalislamischen Taliban, um die in Afghanistan zurückgebliebenen Briten sowie ehemalige Ortskräfte der britischen Armee möglichst bald ausser Landes bringen zu können. Der ranghohe Diplomat Simon Gass reiste bereits nach Doha, um Vertreter der Taliban zu treffen.
Raab will bei seiner Reise nach eigenen Angaben nun auch «Vereinbarungen» mit Nachbarländern Afghanistans treffen. Er stellte den Ländern auch Unterstützung in Aussicht. «Wir müssen die Grenzen offen halten», sagte der Minister.
Die britische Regierung steht wegen der chaotischen Evakuierungsaktion aus Kabul massiv in der Kritik. London wird vorgeworfen, nicht genügend Menschen aus Afghanistan gerettet zu haben. Auch an Raab selbst gab es heftige Kritik, weil der Aussenminister nach der Machtübernahme der Taliban nicht sofort seinen Urlaub abgebrochen hatte.
Premierminister Boris Johnson hatte bereits vor Raabs Auftritt im Parlament angekündigt, die afghanischen Ortskräfte und ihre Familien so zu unterstützen, dass sie sich «ein Leben hier im Vereinigten Königreich aufbauen können». «Wir sind den Mitarbeitern unserer Armee in Afghanistan zu ausserordentlichem Dank verpflichtet», sagte Johnson.
Die Regierung kündigte an, den 8000 Ortskräften, die Afghanistan bereits verlassen konnten, unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen. Ausserdem gebe es für die Menschen «in der Zukunft die Möglichkeit, die britische Staatsbürgerschaft zu beantragen».
Katarisches Flugzeug mit technischem Team in Kabul gelandet
Ein katarisches Flugzeug mit einem technischen Team an Bord ist am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul gelandet. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus gut informierten Kreisen. Den Angaben zufolge geht es darum, «die Wiederaufnahme des Flughafenbetriebs zu besprechen».
Es gebe «noch keine endgültige Einigung über die Bereitstellung technischer Hilfe», hiess es weiter. Die Techniker wurden demnach auf Ersuchen der Taliban nach Afghanistan entsandt. In der Nacht zum Dienstag übernahmen nach dem Abzug der US-Truppen die Islamisten die Kontrolle über den Flughafen.
Katar unterhält enge Beziehungen zu der radikalislamischen Miliz. Das Golf-Emirat spielt eine zentrale Rolle bei den Verhandlungen zwischen den Islamisten und der internationalen Gemeinschaft.
Al-Qaida gratuliert Taliban zum «historischen Sieg»
Das Terrornetzwerk al-Qaida hat den Taliban zur Machtübernahme in Afghanistan gratuliert und mit Blick auf den US-Abzug aus dem Land von einem «historischen Sieg» gesprochen. Das «Generalkommando» al-Qaidas verbreitete über seinen Propagandaflügel al-Sahab am Dienstagabend eine zweiseitige Mitteilung. «Das afghanische Debakel Amerikas und der Nato markiert den Anfang vom Ende einer dunklen Ära westlicher Vorherrschaft und militärischer Besatzung islamischer Länder», heisst es darin. Das afghanische Volk sei aufgerufen, den Taliban zu vertrauen und sie zu unterstützen.
Amerikanische Truppen hatten die Taliban 2001 aus Kabul vertrieben, die Mitgliedern des Terrornetzwerks Unterschlupf gewährt hatten. Heute ist al-Kaida laut einem UNO-Bericht vom Mai 2020 etwa in einem Drittel der afghanischen Provinzen aktiv. Die Beziehungen mit den militant-islamistischen Taliban sind demnach weiter eng. Die Taliban hatten sich im Februar 2020 in einem Abkommen mit den USA eigentlich dazu verpflichtet, ihre Zusammenarbeit mit al-Kaida zu kappen.
«Zu diesem historischen Ereignis möchten wir das islamische Emirat beglückwünschen, besonders (Taliban-Führer) Haibatullah Achundsada», teilte al-Kaida mit. «Gott hat uns den Sieg versprochen und Bush die Niederlage, wir werden sehen, welches Versprechen erfüllt wird», schreiben die Autoren mit Verweis auf den früheren US-Präsidenten George W. Bush, der den Einmarsch der USA in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angeordnet hatte.
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Kommission fordert stärkeren Schweizer Einsatz
Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK-N) ist nicht zufrieden mit dem bisherigen Beitrag der Schweiz, für Stabilität und Frieden in Afghanistan zu sorgen. Sie fordert den Bundesrat auf, mehr zu tun.
Die APK-N verabschiedete eine entsprechende Motion, wie die Parlamentsdienste am Mittwoch mitteilten. Damit soll der Bundesrat beauftragt werden, seine Bemühungen für Stabilität in der Region und zur Stärkung der Menschenrechte zu intensivieren – «im Sinne der humanitären Tradition der Schweiz».
Weiter soll dem Parlament, falls nötig, ein Nachtragskredit für die humanitäre Hilfe in Afghanistan unterbreitet werden. Dieser solle sich am jährlichen Volumen für die Hilfe in Syrien orientieren.
Johnson kündigt Hilfen für aufgenommene Afghanen an
Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson sieht sein Land nach dem chaotischen Ende des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan in der Schuld der ehemaligen afghanischen Ortskräfte. «Wir sind den Mitarbeitern unserer Armee in Afghanistan zu ausserordentlichem Dank verpflichtet», sagte Johnson am Mittwoch. Er sei entschlossen, die Ortskräfte und ihre Familien so zu unterstützen, dass sie «ein Leben hier im Vereinigten Königreich aufbauen können».
Johnsons Regierung kündigte die Erteilung unbefristeter Aufenthaltsgenehmigungen für jene 8000 afghanischen Ortskräfte der britischen Armee an, die Afghanistan bereits verlassen konnten. Zudem sollen 15 Millionen Pfund (Franken) für zusätzliche Plätze an Schulen sowie für den verbesserten Zugang zum Gesundheitssystem bereitgestellt werden.
Die Massnahmen würden den von Grossbritannien aufgenommenen Afghanen «die Gewissheit und Stabilität geben», sich ein Leben in Grossbritannien aufzubauen, erklärte die Regierung. Dabei gelte ein «uneingeschränktes» Recht zu arbeiten, ausserdem gebe es für die Menschen «in der Zukunft die Möglichkeit, die britische Staatsbürgerschaft zu beantragen».
Auch massive Kritik
An der britischen Evakuierungsaktion für Afghanen gibt es allerdings auch Kritik. Die Zeitung «Sunday Times» zitierte ein nicht genanntes Regierungsmitglied, das London vorwarf, nicht genügend Menschen aus Afghanistan gerettet zu haben. «Ich denke, wir hätten 800 bis tausend Menschen mehr rausholen können», sagte das Kabinettsmitglied demnach.
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Zuvor hatte es bereits heftige Kritik an Aussenminister Dominic Raab gegeben, der seine Ferien nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban nicht sofort abgebrochen hatte. Raab muss sich heute einer Befragung des Aussenausschusses im Parlament stellen.
Erneut Gefechte im Panjshir-Tal
In der Nacht lieferten sich Widerstandskämpfer nahe dem Panjshir-Tal nach Angaben der Taliban erneut Gefechte mit den Islamisten. Die Provinz Panjshir ist die einzige von 34 Provinzen des Landes, die nach den Eroberungen der Taliban noch nicht unter Kontrolle der Islamisten steht. Verhandlungen hätten bisher keine «positiven Ergebnisse» gezeigt, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid.
Warten auf Taliban-Regierung
Nach dem US-Truppenabzug lassen die militant-islamistischen Taliban mit einer Regierungsbildung weiter auf sich warten. Es gebe noch keine exakten Informationen über den Zeitpunkt, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Auch ob Talibanführer Haibatullah Achundsada erstmals nach der Machtübernahme der Islamisten öffentlich auftreten werde, liess er offen. «Wir warten», so Mujahid.
Taliban eskortierten offenbar US-Bürger zum Flughafen
Die letzten Tage des US-Militäreinsatzes in Afghanistan verliefen chaotisch – und für ausländische Staatsbürgerinnen und -bürger war es hochgefährlich zum Flughafen von Kabul zu gelangen. Tausende Menschen belagerten die Tore, das Anschlagsrisiko war gross. Nun wurde bekannt, dass es zwischen dem US-Militär und den Taliban einen geheimen Deal gab, wie CNN berichtet.
Für US-Bürgerinnen und -Bürger sollte eine sichere Passage zum Hamid Karzai Flughafen in Kabul ermöglicht werden. Die Taliban sorgten für Eskorte von Sammelpunkten durch die Stadt, bevor die US-Armee die Ausländer in Empfang nahm. Das will CNN von unbenannten US-Offiziellen erfahren haben. Aus Angst vor Anschlägen durch die Terrorgruppe Islamischer Staat wurde das Abkommen geheim gehalten. Die Transfers seien mehrmals täglich durchgeführt worden.
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//red
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