Ticker zur Machtübernahme in Afghanistan+++ Taliban: Frauen dürfen getrennt von Männern Uni besuchen +++ Taliban sollen Bruder von Ex-Vizepräsident getötet haben
Die Taliban haben ihre Zusage erneuert, Frauen in Afghanistan auch weiterhin Hochschulbildung zu ermöglichen. News und Entwicklungen im Ticker.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen. Hochrangige Führer der Islamisten sind aus dem Exil zurückgekehrt.
Die USA, Deutschland und andere Staaten haben seit Mitte August Zehntausende Schutzsuchende aus Kabul evakuiert.
Der von US-Präsident Joe Biden per Ende August gewollte Truppenabzug ist vollzogen.
Vergangene Woche sorgten zwei Bombenanschläge für dutzende Todesopfer und Verletzte, dabei kamen auch 13 US-Soldaten ums Leben. Die USA haben mit einem Drohnenangriff reagiert.
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Peking begrüsst Regierungsbildung der Taliban
Peking hat die Bildung der Übergangsregierung in Afghanistan durch die radikalislamischen Taliban begrüsst. Damit ende eine Phase der «dreiwöchigen Anarchie», sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums am Mittwoch. China rief die Taliban auf, die Ordnung im Land wiederherzustellen.
«China misst der Ankündigung der Taliban, eine Übergangsregierung einzusetzen und einige wichtige personelle Vereinbarungen zu treffen, grosse Bedeutung bei», sagte Aussenamtssprecher Wang Wenbin bei einer Pressekonferenz.
Während ein Grossteil der Welt den Taliban skeptisch gegenübersteht, hat Peking bereits seine Absichten für eine freundschaftliche Beziehung zu den Taliban erklärt. Experten zufolge würde eine stabile und kooperative Regierung in Kabul China wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen und die Ausweitung seines Projekts Neue Seidenstrasse ermöglichen.
Frauen protestieren in Kabul gegen Taliban-Regierung
In Afghanistan kommt es weiter zu Protesten, trotz der Versuche der militant-islamistischen Taliban, diese teils mit Gewalt zu unterdrücken.
Am Mittwoch demonstrierten rund 20 Frauen im Stadtteil Dascht-e Bartschi im Westen der Hauptstadt Kabul, wie auf Videos in sozialen Medien zu sehen war und lokale Journalisten berichteten. Die Frauen riefen «Ein Kabinett ohne Frauen wird versagen» und kritisierten damit die am Dienstag verkündete Übergangsregierung der Taliban, die ein reines Männerkabinett ist.
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Sie hielten auch Schilder mit den Worten «Arbeit, Bildung, Freiheit» und «Wieso sieht die Welt stillschweigend zu?» hoch. Ein kleinerer Frauenprotest wurde auch aus der Stadt Faisabad im Norden berichtet, der lokalen Medienberichten zufolge aber schnell aufgelöst wurde.
Mutmassliche Einmischung Pakistans
In Kabul finden den dritten Tag in Folge Proteste statt. Die Demonstrationen richteten sich bisher teils gegen eine mutmassliche Einmischung Pakistans in Afghanistan, forderten teils mehr Frauenrechte oder kritisierten die gewaltsame Übernahme der Provinz Pandschir durch die Taliban am Montag.
In den Provinzen Gasni und Ghor verhinderten die Islamisten am Dienstag laut Einwohnern Demonstrationen. In der Stadt Herat im Westen kam es am Dienstag zu gewaltsamen Zusammenstössen. Ein Aktivist aus der Stadt sagte am Mittwoch, es seien mindestens zwei Demonstranten getötet und sieben verwundet worden, nachdem Taliban Schüsse abfeuerten, um die Demonstranten auseinanderzutreiben.
TV-Sender stellen Berichterstattung zu Protesten ein
Die grössten lokalen TV-Sender haben am Mittwoch offensichtlich die Berichterstattung über die Proteste eingestellt. Am Dienstag hatten Taliban eine Gruppe von Reportern und Kameramännern für mehrere Stunden festgenommen, nachdem sie über den Protest in Kabul berichteten.
Auch am Mittwoch kam es offenbar erneut zu Zusammenstössen mit Medienvertretern. Ein Reporter der «Los Angeles Times» schrieb auf Twitter, er und sein Fotograf seien von Taliban herumgeschubst worden, als sie versuchten, über einen Frauenprotest in Kabul zu berichten.
Katar attestiert radikalislamischen Taliban «Pragmatismus»
Die Regierung in Katar hat die internationale Gemeinschaft zu einer Würdigung des «pragmatischen» Verhaltens der radikalislamischen Taliban in Afghanistan aufgerufen. «Sie sind die De-facto-Machthaber, keine Frage», sagte die Sprecherin des katarischen Aussenministeriums, Lolwah al-Chater, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Regierungen weltweit forderte sie auf, die «Gelegenheit zu ergreifen» und die Taliban anhand ihres «öffentlichen Handelns» zu beurteilen.
Al-Chater verwies auf «einige gute Gesten» der Taliban. So hätten im Rahmen der internationalen Evakuierungsmission viele Menschen, darunter auch Studentinnen, Afghanistan verlassen können. Ohne die Kooperation der Taliban wäre dies «nicht möglich gewesen», unterstrich die katarische Top-Diplomatin.
Laut Al-Chater können zudem Angestellte im afghanischen Gesundheitssystem – darunter weibliche – auch nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August weitgehend ungestört ihrer Arbeit im Kampf gegen die Corona-Pandemie nachgehen.
Regierung in Doha anerkennt Taliban nicht offiziell
Die Regierung in Doha hat die Taliban bisher nicht offiziell anerkannt. Dies werde auch nicht sofort geschehen, sagte Al-Chater. Zugleich wolle Katar sich «nicht vollständig» einer Zusammenarbeit mit den Islamisten verweigern. «Wir gehen einen Mittelweg.»
Die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht anmassen, «das Schicksal der Afghanen kontrollieren» zu wollen, sagte Al-Chater. «Afghanistan ist ein souveräner Staat.» Es sei an den Afghanen selbst, über ihre Zukunft zu bestimmen.
Katar gehört zu den wichtigen Verbündeten der US-Regierung in der Golfregion. Über den US-Luftstützpunkt in Doha wurden im Rahmen der internationalen Evakuierungsaktion rund 60.000 Menschen aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Derzeit sind katarische Kräfte auch am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul im Einsatz, um eine Wiedereröffnung des schwer beschädigten Flughafens vorzubereiten.
USA besorgt über Übergangsregierung
Die USA zeigen sich besorgt über einzelne Mitglieder der Übergangsregierung der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan.
Angesichts der Verbindungen und der Vorgeschichte einiger Personen, die Spitzenpositionen in der neuen afghanischen Regierung besetzen sollen, sei die Regierung in Washington beunruhigt, sagte ein Sprecher des Aussenministeriums am Dienstag.
«Wir bekräftigen auch unsere klare Erwartung, dass die Taliban sicherstellen, dass afghanischer Boden nicht dazu benutzt wird, andere Länder zu bedrohen und dass der Zugang zur Unterstützung des afghanischen Volkes weiterhin gewährt wird», hiess es in der Erklärung weiter.
US-Regierung: Milliarden für Versorgung evakuierter Afghanen benötigt
Die US-Regierung fordert den Kongress zur Bewilligung von 6,4 Milliarden Dollar für die Versorgung und die Integration evakuierter Afghanen auf. Es gehe darum, ihnen zu helfen, in den USA «neue und erfolgreiche Leben aufzubauen», sagte ein leitender Mitarbeiter des Haushaltsamtes (OMB) am Dienstag. Die Mittel sollten über einen Nachtragshaushalt für das Aussen- und das Verteidigungsministerium bereitgestellt werden. Die Gelder sollen demnach auch für humanitäre Hilfe für Afghanen sowie für die Versorgung von Flüchtlingen auf US-Militärstützpunkten im Ausland, etwa im deutschen Ramstein, genutzt werden.
Ob und in welchem Umfang der Kongress dem Antrag der Regierung zustimmen wird, ist noch offen. Präsident Joe Bidens Demokraten kontrollieren das Repräsentantenhaus, im Senat dürften sie jedoch auch auf die Zustimmung einiger Republikaner angewiesen sein. Die Unterstützung für evakuierte Afghanen erfreut sich in den USA aber allgemein gesprochen breiter Unterstützung beider Parteien.
Taliban stellen erste Regierungsmitglieder vor
Die militant-islamistischen Taliban haben einen Teil ihrer Übergangsregierung in Afghanistan bekanntgegeben. Demnach wird der wenig bekannte Mullah Mohammed Hassan Achund amtierender Vorsitzender der Minister, was einem Premierminister gleichkommt. Das erklärte der Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kabul.
Mudschahid sagte, man habe sich darauf geeinigt, ein Übergangskabinett zu ernennen und bekanntzugeben, «um die notwendigen Regierungsarbeiten durchführen zu können».
Zu einem von zwei Stellvertretern Achunds wurde Mullah Abdul Ghani Baradar ernannt, der bisherige Vizechef der Taliban, der 2020 für die Taliban das Abkommen mit den USA unter anderem über ein Ende des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan unterzeichnet hatte. Zweiter Stellvertreter ist Maulawi Abdul Salam Hanafi, der zuletzt im politischen Büro der Taliban in Doha tätig war.
Die beiden bisherigen Taliban-Vizechefs Mullah Jakub und Siradschuddin Hakkani werden Verteidigungsminister beziehungsweise Innenminister.
Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Ernennung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man nach «langer Überlegung» sukzessive bekanntgeben, sagte Mudschahid.
Die Ernennung von Achund zeige, «wie wenig wir im Westen über die Taliban wissen und ihre Entscheidungen voraussagen können», sagt der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Vor der Bekanntgabe waren die allermeisten Beobachter davon ausgegangen, dass Mullah Baradar Premierminister wird.
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Hat Pakistan die Taliban unterstützt?
Sicherheitskräfte der militant-islamistischen Taliban versuchten, die Demonstranten zu kontrollieren. Die Demonstranten hielten Schilder, auf denen «Pakistan – Pakistan – raus aus Afghanistan» oder «Freiheit» stand.
Einem BBC-Reporter zufolge behaupteten die Demonstranten, Pakistan habe den Taliban bei ihrer Eroberung der Provinz Panjshir geholfen, die am Montag nach tagelangen Gefechten an die Islamisten gefallen war. Viele erwähnten zudem den Besuch des Chefs des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Faeez Hamid, der sich Sonntag und Montag mit der Taliban-Führung in Kabul traf.
Viele Afghanen, auch bisherige Regierungsvertreter, äussern die Überzeugung, dass Pakistan die Taliban unterstützt und ihnen bei ihrer jüngsten Militärkampagne geholfen hat, mit der sie das Land gewaltsam übernommen haben. Islamabad bestreitet dies.
In einem auf Twitter geteilten Video des Protests sagt ein Mann: «Das ist Kabul, Männer und Frauen sind auf den Strassen und skandieren gegen Pakistan und gegen die Taliban». Erneut sind «Freiheit»-Rufe zu hören.
Diese sind wohl ein Hinweis auf die Unterstützung für Achmad Massud, der die bewaffnete Nationale Widerstandsfront in Panjshir anführte und sich seit der gewaltsamen Übernahme der Provinz durch die Taliban versteckt hält. Er hatte am Montag in einer Audiobotschaft alle Afghanen zu einem nationalen Aufstand aufgerufen und kurz darauf nur das Wort «Freiheit» getwittert.
Der lokale TV-Sender ToloNews teilte auf Twitter mit, die Taliban hätten einen TOLOnews-Kameramann festgenommen und seine Kamera beschlagnahmt. Ein ausländischer Journalist twitterte ein Video, auf dem Taliban in die Luft schiessen, um Demonstranten zu vertreiben.
Erstmals nach Truppenabzug wieder US-Bürger aus Afghanistan ausgereist
Erstmals nach dem vollständigen US-Truppenabzug aus Afghanistan und dem Ende der internationalen Evakuierungsmissionen haben mehrere US-Bürger wieder offiziell das Land verlassen können. Vier US-Bürger reisten am Montag über den Landweg aus Afghanistan aus, wie ein US-Regierungsvertreter mitteilte. Die Ausreisen waren demnach von Washington organisiert worden und erfolgten mit Wissen der Taliban, die seit Mitte August wieder die Macht in Afghanistan haben.
Die Taliban hätten die Ausreise der vier US-Bürger «nicht behindert», sagte der US-Regierungsvertreter, der sich an Bord eines Fluges von US-Aussenminister Antony Blinken nach Doha vor Journalisten äusserte. In der katarischen Hauptstadt sind inzwischen die für Afghanistan zuständigen US-Diplomaten stationiert.
Aus US-Regierungskreisen hiess es, es sei möglich, dass weitere US-Bürger Afghanistan inzwischen verlassen hätten. Diese Ausreisen seien dann aber privat organisiert gewesen.
Massud ruft zu Aufstand gegen Taliban auf
Der Anführer der Widerstandsgruppe im afghanischen Panjshir-Tal hat zu einem nationalen Aufstand gegen die militant-islamistischen Taliban aufgerufen.
«Wir rufen Sie auf, einen allgemeinen Aufstand zu beginnen, um der Ehre, Freiheit und dem Stolz unserer Heimat willen», sagte Achmad Massud, der Führer der Nationalen Widerstandsfront (NRF) in Panjshir, in einer am Montag veröffentlichten Audiobotschaft.
Massud äusserte sich nicht zur aktuellen Situation in Panjshir. Er sagte lediglich weiter, dass die Menschen in jeder möglichen Form kämpfen könnten, sei es durch bewaffneten Kampf oder durch Proteste. Die Nationale Widerstandsfront stünde bis zum letzten Moment an ihrer Seite.
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Deutschland: 20 «sicherheitsrelevante Personen» unter den Evakuierten
Mit den Evakuierungsflügen aus Afghanistan sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums insgesamt 20 «sicherheitsrelevante Personen» nach Deutschland gekommen. Dabei handle es sich beispielsweise um Menschen, zu denen in Deutschland bereits polizeiliche Erkenntnisse vorlägen, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag in Berlin. Sie seien bei der Sicherheitskontrolle nach der Ankunft in Deutschland aufgefallen.
Die «erforderlichen Massnahmen» seien durch die «zuständigen Behörden» ergriffen worden, sagte die Sprecherin. Informationen zu Einzelfällen wollte sie nicht nennen.
Nach aktuellem Stand seien im Zuge der westlichen Evakuierungsmissionen insgesamt 4921 Menschen aus Afghanistan in Deutschland eingereist, sagte die Ministeriumssprecherin. Unter ihnen seien 4129 afghanische Staatsbürger sowie 469 Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Unter den Ausgeflogenen seien insgesamt 248 Ortskräfte, die früher für deutsche Stellen in Afghanistan tätig gewesen seien; mit ihnen seien 916 Familienangehörige nach Deutschland gekommen.
Taliban: Arbeiten an Wiedereröffnung des Flughafens Kabul
Die militant-islamistischen Taliban arbeiten an der Wiedereröffnung des Flughafens in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Es seien «ernsthafte Schritte» für den Wiederaufbau unternommen worden, sagte der Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid während einer Pressekonferenz am Montag.
Technische Teams aus Katar, der Türkei und einem in den Vereinigten Arabischen Emiraten ansässigen Unternehmen arbeiteten vor Ort. Auch Pakistan stelle Hilfe bereit.
Inlandsflüge sind demnach bereits wieder aufgenommen worden. Derzeit arbeite man auch am Radar. Dieses sowie andere Teile des Flughafens sind nach Darstellung von Mujahid von US-Kräften mutwillig zerstört worden. Die Reparatur brauche Zeit.
Zur Regierungsbildung sagte Mujahid weiter, dass alle Entscheidungen getroffen worden seien. Nun gehe es noch um technische Fragen. «Wir hoffen, dass wir die Ankündigung der Regierung in den nächsten Nächten hören, auch wenn das genaue Datum noch nicht klar ist», sagte Mujahid weiter.
Er deutete auch an, dass es sich möglicherweise um eine Übergangsregierung handeln könnte. Diese habe die Möglichkeit für Veränderungen und Reformen. Man habe zudem mehrere Länder eingeladen, an der Zeremonie zur Verkündung der Regierung teilzunehmen.
Taliban: «Panjshir-Tal «vollständig» unter Kontrolle»
Die radikalislamischen Taliban haben nach eigenen Angaben die letzte Bastion des Widerstands in Afghanistan eingenommen. Das Panjshir-Tal sei «vollständig erobert», erklärte der Taliban-Sprecher Sabihullah Mujahid am Montag. «Mit diesem Sieg ist unser Land vollständig aus dem Sumpf des Krieges befreit.» Kurz zuvor hatten die Widerstandskämpfer noch einen Waffenstillstand vorgeschlagen.
Die Taliban waren am Wochenende weiter im Panjshir-Tal vorgerückt. Sie meldeten schwere Kämpfe und Gebietsgewinn in der Provinz nördlich von Kabul. Wie die Nationale Widerstandsfront (NRF) am Sonntagabend mitteilte, wurden bei den Kämpfen auch ein bekannter Sprecher sowie ein General der Widerstandsgruppe getötet.
Widerstandsführer zu Verhandlungen bereit
Der Anführer einer Widerstandsfraktion gegen die Taliban in Afghanistan hat sich zu einer Verhandlungslösung bereit gezeigt, um die Kämpfe mit den militanten Islamisten zu beenden. Achmad Massud erklärte am Sonntag, die Nationale Widerstandsfront (NRF) sei bereit, den Krieg sofort zu beenden, falls die Taliban ihre Angriffe in Panjshir beenden. Die NRF sei bestrebt, Konflikte mit den Taliban friedlich beizulegen. Man strebe eine politische Einigung an, bei der alle sozialen Gruppen vertreten seien.
Seit Tagen gibt es Gefechte zwischen Taliban und Kämpfern der Nationalen Widerstandsfront um Panjshir, die einzige Provinz im Land, die die Taliban bisher nicht kontrollieren. Eine Reaktion der Taliban-Gruppe, die den Angriff auf Panjshir durchführt, auf Massuds Erklärung gab es zunächst nicht.
Viele Angaben beider Seiten widersprechen sich und können nicht unabhängig überprüft werden. Offenkundig waren die Taliban zuletzt weiter in das Panjshir-Tal vorgedrungen. Die italienische Hilfsorganisation Emergency, die ein Krankenhaus und eine Geburtenstation im Tal betreibt, teilte auf Twitter mit, dass die Islamisten in der Nacht zum Samstag das Dorf Anabah erreicht hätten, das rund 30 Minuten von der Provinzhauptstadt Basarak entfernt ist.
Taliban garantieren Sicherheit von humanitären Helfern
Die Taliban haben sich nach Uno-Angaben verpflichtet, für die Sicherheit von humanitären Helfern in Afghanistan zu sorgen. Die Islamisten hätten in Gesprächen zugesichert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sich im Land frei und sicher bewegen könnten, erklärte ein Uno-Sprecher am Sonntag.
Nach der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ist Afghanistan nach Einschätzung der UNO von einer humanitären Katastrophe bedroht. Afghanistan war bereits zuvor in hohem Masse von humanitärer Hilfe abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert.
Von den 38 Millionen Einwohnern Afghanistans sind nach Uno-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht.
IKRK-Präsident Peter Maurer in Afghanistan eingetroffen
IKRK-Präsident Peter Maurer ist zu einem dreitägigen Besuch in Afghanistan eingetroffen. Er will medizinische Zentren besichtigen und mit Behördenvertretern im Land sprechen, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Sonntag mitteilte.
Maurer wolle medizinische Einrichtungen und Rehabilitationszentren besuchen, die vom IKRK unterstützt oder geleitet werden, teilte dieses am Sonntag in einer Erklärung mit. In diesen Zentren werde Kranken und Opfern von Gewalt geholfen.
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Das IKRK kann in Afghanistan seine Arbeit auch nach dem Abzug der internationalen Truppen fortsetzen. Dominik Stillhart, Direktor Operationen, sagte im August, dass das IKRK die Kontakte zu den Taliban nie abgebrochen habe und diese Kanäle weiterhin nutze. Das IKRK hat rund 1800 Mitarbeiter in Afghanistan, davon 100 Delegierte.
Das afghanische Volk habe 40 Jahre Konflikt hinter sich und stehe vor einem langen Prozess der Heilung und des Wiederaufbaus, liess sich Maurer zitieren. Das IKRK wolle bei der Genesung helfen. Die Zukunft aller Afghanen hänge vom Mitgefühl, der Empathie und kontinuierlichen Investitionen der internationalen Gemeinschaft ab.
Taliban machen Verhüllung mit Niqab an Hochschulen zur Pflicht für Frauen
Die Taliban haben nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan strenge Regeln für Frauen an privaten Hochschulen erlassen. In einem langen Regelwerk der für höhere Bildung zuständigen Behörde der Islamisten wird Frauen ein Besuch privater Universitäten nur mit Gesichtsverhüllung, dem Niqab, sowie getrennt von Männern gestattet. Ist eine räumliche Trennung nicht möglich, müssen Männer und Frauen demnach durch einen Vorhang getrennt werden.
Klassen mit Frauen sollen dem Dokument zufolge nur von Frauen unterrichtet werden. Ist dies nicht möglich, sei auch Unterricht durch einen «alten Mann» mit gutem Charakter möglich. Die Vorschriften sehen zwar keine Burka-Pflicht vor, aber auch der Niqab, eine Kopf- und Gesichtsbedeckung, lässt nur einen schmalen Schlitz für die Augen frei.
Während der ersten Herrschaft der Taliban in den 1990er Jahren waren Frauen und Mädchen von Bildung weitgehend ausgeschlossen. Nach deren Ende im Jahr 2001 entstanden in vielen Städten Afghanistans private Hochschulen und Universitäten. Diese sollten am Montag wieder öffnen. In den vergangenen 20 Jahren war die Zahl von Frauen an Universitäten stark gestiegen.
«Das ist praktisch ein schwieriger Plan, wir haben nicht genug weibliches Lehrpersonal», sagte ein Universitätsprofessor der Nachrichtenagentur AFP. «Aber die Tatsache, dass sie Mädchen erlauben, Schulen und Universitäten zu besuchen, ist ein positiver Schritt.»
Die Regeln sehen weiter vor, dass Frauen die Unterrichtsräume fünf Minuten vorher verlassen und in speziellen Räumen warten müssen, bis alle Männer das Gebäude verlassen haben. So sollen Begegnungen vermieden werden.
Zusammenstösse bei Frauen-Demo in Kabul
In Afghanistan regt sich Widerstand gegen die Herrschaft der militant-islamistischen Taliban. Bei einer Demonstration für Frauenrechte in der afghanischen Hauptstadt Kabul kam es zu Zusammenstössen. Mindestens eine Frau sei dabei verletzt worden, berichteten lokale Journalisten am Samstag.
Videos von lokalen TV-Sendern und Aktivistinnen zufolge kam es bei der Demonstration zu chaotischen Szenen. Rund zwei Dutzend Frauen hatten zunächst friedlich in der Nähe des Präsidentenpalastes demonstriert, wie auf Bildern, die in sozialen Medien geteilt wurden, zu sehen war. Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen etwa stand: «Wir sind nicht die Frauen von vor 20 Jahren» oder «Gleichheit – Gerechtigkeit – Demokratie!».
Auf Videos ist zu sehen, wie die Frauen von 50 oder mehr Sicherheitskräften der Taliban umzingelt sind und sich Schreiduelle mit Taliban liefern. Mehrere von ihnen husten. Ein Taliban-Kommandeur fragt über einen Lautsprecher «... wartet, was ist das Problem, was wollt Ihr, es gibt kein Problem Mädchen, okay?», während im Hintergrund eine junge Frauenstimme zu hören ist, die fragt: «Warum schlagt ihr uns?» Lokale Journalisten teilten das Video einer Frau, der Blut vom Kopf läuft.
In einem Video von Aktivistinnen, etwas abseits der Demo aufgenommen, sagt eine Frau, Frauen hätten sich gebildet, um in hochrangigen Regierungspositionen zu arbeiten. «Was ist unsere Schuld, dass sie uns heute ins Abseits drängen?», fragt sie. Die Frau, die das Video aufnimmt, sagt weiter, der friedliche Protest von Frauen sei wieder von den Taliban unterdrückt worden. Diese hätten Warnschüsse abgegeben und Tränengas eingesetzt.
Eine Teilnehmerin, Taranum Sajidi, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, sie seien angesichts der Situation gezwungen, auf die Strasse zu gehen und ihre Rechte einzufordern. Sie habe drei Universitätsabschlüsse und nun wolle man von ihr, dass sie zuhause bleibe. Die Taliban wollten Frauen nur in niedrigen Positionen.
Taliban verschieben Bekanntgabe von neuer Regierung erneut
Die Taliban haben die Bekanntgabe ihrer neuen Regierung für Afghanistan erneut verschoben. Wie die Nachrichtenagentur AFP von zwei Taliban-Quellen erfuhr, soll auch am Samstag keine Ankündigung zum künftigen Kabinett gemacht werden.
Zunächst war die Bekanntgabe der Regierung für Freitag erwartet worden. Grund für die Verzögerung könnte der anhaltende militärische Widerstand gegen die Islamisten im Panjshir-Tal unweit der Hauptstadt Kabul sein.
In der Nacht zum Samstag hatten Kämpfer der Taliban in Kabul in die Luft geschossen und gefeiert, nachdem Gerüchte die Runde gemacht hatten, der Widerstand der Nationalen Widerstandsfront sei gebrochen. Die Gerüchte erwiesen sich jedoch als falsch.
Die Talibanführung forderte ihre Kämpfer im Onlinedienst Twitter auf, das Abgeben von Schüssen zu unterlassen. «Die Waffen und Kugeln sind öffentliches Eigentum. Niemand hat das Recht, sie zu verschwenden», schrieb Sprecher Sabihullah Mudschahid. «Die Kugeln können Zivilisten verletzen, schiesst nicht umsonst.» Nach Krankenhausangaben wurden durch die Schüsse zwei Menschen getötet und 20 weitere verletzt.
Afghanischer Widerstandsführer: Werden Kampf nicht aufgeben
Der Anführer einer Widerstandsfraktion gegen die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan will weiter kämpfen. «Wir werden den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben», teilte Achmad Massud am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit. Seit mittlerweile fünf Tagen gibt es Gefechte zwischen Taliban und Kämpfern der Nationalen Widerstandsfront um Panjshir, die einzige Provinz im Land, die die Taliban bisher nicht kontrollieren.
Ursprünglich hatte es von beiden Seiten geheissen, man wolle die offene Machtfrage durch Verhandlungen lösen. Ein Sprecher der Nationalen Widerstandsfront schrieb diese Woche auf Twitter, die Taliban hätten Massud einen Posten in der künftigen Regierung angeboten und den Schutz seines Eigentums. Dieser habe aber abgelehnt und dies damit begründet, dass er keine persönlichen Interessen verfolge. Von Taliban gab es dazu bisher keine Aussagen.
Die Kämpfe begannen einem Sprecher der Widerstandsfront zufolge am Dienstag mit Taliban-Angriffen auf Kontrollposten am Eingang zum Panjshir-Tal. Zuletzt dürften sich die Gefechte verstärkt haben. Beide Seiten gaben an, das sie der jeweils anderen Seite heftige Verluste zugefügt hätten. In der Nacht zu Samstag verbreiteten Taliban-Unterstützer auf Twitter Gerüchte, Panjshir sei gefallen und die Führung des Widerstands geflohen.
Dies dementierte der bisherige Vizepräsident Amrullah Saleh, der selbst in Panjshir sein soll, umgehend. Die Situation sei schwierig, aber «wir haben unser Land verteidigt», sagte er in einer Videonachricht, die der lokale TV-Sender ToloNews auf Twitter teilte. Auch Massud schrieb auf Facebook, das Panjshir-Tal sei «bisher standhaft geblieben».
Berichte über schwere Kämpfe zwischen Taliban und Gegnern im Panjshir-Tal
Die radikalislamischen Taliban und ihre Gegner haben sich am Freitag Berichten zufolge heftige Gefechte im Panjshir-Tal geliefert. Ein Sprecher der Widerstandsbewegung gegen die Islamisten sagte, die Truppen unter dem Taliban-Gegner Ahmed Massud seien in «schwere» Kämpfe mit den Taliban verwickelt.
In Kabul waren am Freitagabend Freudenschüsse zu hören, als sich das Gerücht verbreitete, die Taliban hätten das Panjshir-Tal erobert. Ein Bewohner des Tals dementierte dies gegenüber AFP telefonisch.
Auf Taliban-treuen Twitter-Accounts wurden Videos verbreitet, die offenbar durch die Taliban eroberte Panzer und anderes schweres militärisches Gerät in dem Tal zeigten. Beide Seiten berichteten auf Twitter, der wichtige Bezirk Parjan sei vorübergehend von den Taliban eingenommen worden. Von unabhängiger Seite liessen sich diese Berichte nicht überprüfen.
Das Panjshir-Tal war in den 90er Jahren eine Hochburg des Widerstands gegen die Taliban und fiel nie unter die Kontrolle der Islamisten. Nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban vor drei Wochen formierte sich in dem Tal erneut eine Widerstandsbewegung unter Führung des Sohnes des legendären afghanischen Kriegsherrn und Taliban-Gegners Ahmed Schah Massud.
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//red
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