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Ticker zur Machtübernahme in Afghanistan
+++ Taliban: Frauen dürfen getrennt von Männern Uni besuchen +++ Taliban sollen Bruder von Ex-Vizepräsident getötet haben

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Taliban haben in Afghanistan die Macht übernommen. Hochrangige Führer der Islamisten sind aus dem Exil zurückgekehrt.

  • Die USA, Deutschland und andere Staaten haben seit Mitte August Zehntausende Schutzsuchende aus Kabul evakuiert.

  • Der von US-Präsident Joe Biden per Ende August gewollte Truppenabzug ist vollzogen.

  • Vergangene Woche sorgten zwei Bombenanschläge für dutzende Todesopfer und Verletzte, dabei kamen auch 13 US-Soldaten ums Leben. Die USA haben mit einem Drohnenangriff reagiert.

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Taliban: Frauen dürfen getrennt von Männern Universitäten besuchen

Die Taliban haben ihre Zusage erneuert, Frauen in Afghanistan auch weiterhin Hochschulbildung zu ermöglichen. Allerdings müsse die universitäre Lehre nach Geschlechtern getrennt erfolgen, sagte Bildungsminister Abdul Baki Hakkani am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Kabul. «Wir haben keine Probleme damit, das gemischte Bildungssystem abzuschaffen. Die Menschen sind Muslime und werden es akzeptieren.»

epa09461020 Afghan students listen to women speakers prior to their pro-Taliban rally outside the Shaheed Rabbani Education University in Kabul, Afghanistan, 11 September 2021. The United States envoy for peace in Afghanistan, Zalmay Khalilzad, on 11 September, thanked the Taliban and the Government of Qatar for their cooperation in the evacuation of some 250 foreigners from Afghanistan. The Taliban took control of Kabul on 15 August, marking the conclusion of the takeover of the country by the Islamist group. EPA/STRINGER

Anfang des Monats hatten die Taliban bereits angekündigt, dass Frauen weiterhin an Universitäten studieren können. Neben der Geschlechtertrennung gelten dabei auch Kleidervorschriften: Frauen müssen an der Universität eine Abaya, ein islamisches Überkleid, tragen und ihr Gesicht mit einem Nikab verschleiern.

Sie dürfen zudem nur von Dozentinnen und getrennt von Männern unterrichtet werden – notfalls durch einen Vorhang. Beobachter befürchten, dass Frauen damit de facto von der Hochschulbildung ausgeschlossen werden, weil die Universitäten nicht über genügend Personal und finanzielle Mittel für getrennten Unterricht verfügen.

Minister Hakkani beharrte darauf, dass es ausreichend Dozentinnen gebe. Falls dies nicht der Fall sei, könnten Alternativen gefunden werden. «Wir können auch männliche Lehrkräfte einsetzen, die hinter einem Vorhang unterrichten, oder Technologie verwenden.»

Frauen in Kabul demonstrieren verschleiert für Taliban

In Afghanistans Hauptstadt Kabul haben Dutzende Frauen bei einer Demonstration ihre Unterstützung für die Regierung der militant-islamistischen Taliban ausgedrückt.

Sie zogen am Samstag über das Gelände einer Universität und versammelten sich dann in einem Hörsaal, wie in Videos zu sehen ist. Auf Bannern, die sie mit sich trugen, stand: «Wir sind mit der islamischen Einstellung und dem Verhalten der Mujaheddin zufrieden.» Die Frauen waren praktisch von Kopf bis Fuss schwarz verschleiert.

Der Marsch wurde von Sicherheitskräften der Taliban begleitet. Journalisten waren offiziell eingeladen, über die Demonstration zu berichten. Nach mehreren Protesten diese Woche in Kabul und anderen Städten – gegen Pakistan und indirekt auch gegen die Herrschaft der Taliban – hatte das Innenministerium Demonstrationen verboten und erklärt, Proteste müssten künftig vorab angemeldet werden. Journalisten, die von den Protesten berichteten, wurden teils für mehrere Stunden festgenommen und dabei schwer misshandelt.

Viele der Frauen der Demonstration in der Universität waren auf eine Weise verschleiert, wie das in Afghanistan in den vergangenen Jahren nie zu sehen war: Sie trugen bodenlange schwarze Gewänder und auch schwarze, kapuzenähnliche Kopfbedeckungen. Auch ihre Gesichter waren komplett schwarz verhüllt. Eine derartige Verschleierung sei nicht Teil der Kultur Afghanistans, kommentierte die ehemalige Bürgermeisterin der Stadt Maidan Shahr, Sarifa Ghafari, die Bilder auf Twitter. Man solle den Frauen des Landes nicht die Kultur des Islamischen Staates (IS) aufdrängen.

Viele der Demonstrantinnen waren auf eine Weise verschleiert, wie das in Afghanistan in den vergangenen Jahren nie zu sehen war.

Taliban sollen Bruder von Ex-Vizepräsident Saleh getötet haben

Die militant-islamistischen Taliban sollen den Bruder des ehemaligen Vizepräsidenten Amrullah Saleh getötet haben.

Das teilte sein Neffe Shuresh Saleh am Samstag der Deutschen Presse-Agentur mit. Demnach holten Taliban-Kämpfer den Bruder namens Rohullah Asisi bei einem Kontrollpunkt in der Provinz Panjshir, die diese Woche von den Islamisten erobert wurde, aus dem Auto und erschossen ihn. Von den Taliban gab es zunächst keine Stellungnahme.

Saleh hatte sich im vergangenen Monat nach der Flucht von Präsident Ashraf Ghani ins Ausland zum rechtmässigen amtierenden Staatschef erklärt. Nach dem Fall der Hauptstadt Kabul und der Machtübernahme der Taliban Mitte August baute er im Panjshir-Tal Widerstand auf. Sein genauer aktueller Aufenthaltsort ist nicht bekannt.

Amrullah Saleh, ehemaliger Vizepräsident von Afghanistan, hört Präsident Ghani zu, der bei einer Einweihungszeremonie im Präsidentenpalast eine Rede hält.

In den vergangenen Tagen gab es aus dem Panjshir-Tal Videos, die zeigten, dass Hunderte Familien versuchten, mit ihrem Hab und Gut das Tal zu verlassen. Es war zunächst unklar, wieso. Die Telefonverbindungen funktionieren nicht. Die humanitäre Situation hatte sich unter anderem zugespitzt, weil die Taliban seit Beginn ihrer militärischen Offensive keine Lebensmittellieferungen mehr zulassen. Am Samstag kursierte zudem ein Video, das zeigen soll, wie Taliban das Feuer auf eine festgenommene Person eröffnen.

Nato leitet Untersuchung ein

Die Nato hat nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg «eine umfassende Untersuchung» zum desaströs geendeten Afghanistan-Einsatz eingeleitet. «Die Ereignisse der letzten Wochen waren tragisch für die Afghanen und erschütternd für alle, die sie unterstützen», schrieb Stoltenberg in einem Gastbeitrag für die «Welt am Sonntag». Es gebe viele schwierige Fragen bezüglich des Nato-Engagements, die man sich nun ehrlich stellen müsse. «Wir müssen Lehren daraus ziehen.»

Zugleich machte Stoltenberg deutlich, dass sich das Militärbündnis nicht vollständig zurückziehen will. «Afghanistan wird nicht die letzte Krise sein, in der Nordamerika und Europa gemeinsam, mithilfe der Nato, handeln müssen», erklärte der frühere norwegische Regierungschef. «Es wird immer jemanden geben, der uns schaden will. Das haben wir am 11. September (2001) und seitdem noch bei vielen anderen Terroranschlägen gesehen.»

Masern-Fälle bei ausgeflogenen Afghanen

Nach dem Auftreten mehrerer Masern-Fälle lässt die US-Regierung die aus Afghanistan ausgeflogenen Menschen vorerst nicht ins Land. Bei den kürzlich angekommenen Afghanen seien vier Fälle von Masern festgestellt worden, sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, am Freitag in Washington. Die Betroffenen seien in Quarantäne. Als «Vorsichtsmassnahme» und auf Empfehlung der Gesundheitsbehörden seien die Flüge mit den Afghanen in die USA vorerst ausgesetzt worden.

«Alle jetzt ankommenden Afghanen werden gebeten, sich gegen Masern impfen zu lassen», fügte Psaki hinzu. Afghanische Flüchtlinge, die auf Militärstützpunkten in den USA eingetroffen seien, würden nun unter anderem gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft.

Die US-Regierung prüft laut Psaki zudem die Möglichkeit, auch jene zu impfen, die sich noch auf Militärstützpunkten in anderen Ländern befinden. Die USA nutzen unter anderem den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz als Transitort für tausende Afghanen, die nach der Evakuierungsmission am Hindukusch in die USA umgesiedelt werden sollen.

US-Regierung setzt wegen Masern Flüge mit Afghanen in die USA aus

Die US-Regierung hat Evakuierungsflüge mit afghanischen Schutzbedürftigen in die USA wegen mehrerer Masernfälle vorerst gestoppt. Unter in den USA gelandeten Afghanen habe es «vier Fälle von Masern» gegeben, sagte die Sprecherin des Weissen Hauses, Jen Psaki, am Freitag. Die betroffenen Personen seien in Quarantäne. Die Gesundheitsbehörde CDC habe aber empfohlen, die Flüge vorerst auszusetzen.

Die USA nutzen unter anderem die US-Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz als eins von mehreren Drehkreuzen für ihre Evakuierungsmission aus Afghanistan. Von dort aus wird die Weiterreise der zahlreichen Menschen organisiert, die die US-Armee nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban ausgeflogen hat.

Psaki machte keine weiteren Angaben dazu, wie lange der vorläufige Stopp andauern werde. Eine Impfung gegen Masern sei Voraussetzung für die Einreise von Afghanen in die USA, so Psaki weiter. Man schaue nun, ob man auch an den Stützpunkten ausserhalb der USA, an denen die Afghanen untergebracht seien, Impfungen verabreichen könne.

Afghaninnen und Afghanen protestieren in Bern gegen Taliban-Regime

Über hundert Personen haben am Freitagabend auf dem Berner Bahnhofplatz gegen die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan protestiert. Eine Rednerin wünschte sich für Afghanistan eine «Demokratie wie in der Schweiz».

Mit der neuerlichen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan würden Frauen- und Menschenrechte missachtet. Frauen dürften nicht mehr studieren, Partner selber auswählen, ja selbst Kleidervorschriften würden ihnen gemacht, betonten verschiedene Wortführende an der Kundgebung.

Teilnehmer einer Kundgebung auf dem Berner Bahnhofplatz haben am frühen Freitagabend gegen die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan protestiert.

Die Kundgebungsteilnehmenden forderten Frieden und Freiheit für Afghanistan und wandten sich gegen Unterdrückung. Viele schwenkten Fahnen oder trugen Transparente mit sich. Kurz vor 18 Uhr machte sich die die Kundgebung auf einen Marsch durch die Berner Innenstadt.

Zweiter ziviler Evakuierungsflug von Kabul aus gestartet

In Kabul ist am Freitag ein zweiter ziviler Evakuierungsflug – unter anderem mit Deutschen an Bord – in Richtung Katar gestartet. Nach Angaben eines katarischen Offiziellen flog die Maschine 158 Ausländer und Afghanen aus. Neben Deutschen seien US-Bürger, Franzosen, Kanadier, Briten sowie Niederlänger und Belgier an Bord. Eine Bestätigung des Auswärtigen Amtes auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP stand am Abend noch aus.

Unter den Passagieren seien 49 französische Staatsbürger und ihre Angehörigen, erklärte das französische Aussenministerium. Es dankte den katarischen Behörden für ihre «entscheidende Hilfe». Die französischen Staatsbürger und ihre Familien würden von Doha aus nach Frankreich geflogen.

Die Passagiere wurden mit einem Bus zum Flugzeug am Flughafen in Kabul gebracht. (10. September 2021)

Bericht: Zweiter Passagierflug am Flughafen Kabul gelandet

Ein zweiter Passagierflug von Qatar Airways ist am Freitag in der afghanischen Hauptstadt Kabul gelandet. Das berichtete der TV-Sender CNN unter Berufung auf Fernsehbilder des arabischen Senders Al-Jazeera.

Nach der Landung seien Hilfsgüter entladen worden, hiess es weiter. Es sei unklar, ob Passagiere mit dem selben Flug das Land verlassen könnten. Am Donnerstag hob der erste internationale Passagierflug aus Kabul ab seit dem Ende der chaotisch verlaufenen militärischen Evakuierungsflüge für Ausländer und schutzbedürftige Afghanen Ende August.

Immer mehr Berichte über Gräueltaten der Taliban

Entgegen aller Versprechen einer integrativen und sich von den 90er Jahren unterscheidenden Herrschaft werden immer mehr Berichte über Gräueltaten der Taliban seit ihrer Machtübernahme bekannt. Die Vereinten Nationen verurteilten am Freitag die zunehmenden gewalttätigen Reaktionen der neuen Machthaber auf friedliche Proteste. Zwei afghanische Journalisten berichteten von Misshandlungen mit Schlagstöcken und Peitschen nach einer Demonstration in Kabul.

Nach einer Demonstration in Kabul wurden unter anderem Journalisten misshandelt. Blick auf die afghanische Hauptstadt. (Archivbild)

«Wir fordern die Taliban auf, Gewalt gegen die unverzüglich einzustellen, die ihr Recht auf friedliche Versammlung wahrnehmen», sagte Ravina Shamdasani, Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros. Auch Journalisten würden ins Visier genommen, die versuchten, «einfach nur ihrer Arbeit nachzugehen». Bei den Protesten seien von bewaffneten Kämpfern scharfe Munition und Peitschen eingesetzt worden, um die Menschenmenge auseinander zu treiben.

Nach UN-Angaben wurden seit Mitte August vier Menschen bei Protesten getötet. Die Islamisten hatten am Mittwoch ein Demonstrationsverbot verhängt, nachdem es in den Tagen zuvor in mehreren Städten einzelne Demonstrationen gegen die neuen Herrscher gegeben hatte.

«So grosse Schmerzen, dass wir uns nicht bewegen konnten»

Zwei afghanische Journalisten sagten der Nachrichtenagentur AFP, wie sie nach Protesten, über die sie berichtet hatten, abgeführt und stundenlang festgehalten und geschlagen wurden. «Einer der Taliban stellte seinen Fuss auf meinen Kopf und drückte mein Gesicht gegen den Beton. Sie traten mir gegen den Kopf. Ich dachte, sie würden mich umbringen», sagte der Fotograf Nematullah Nakdi der Nachrichtenagentur AFP. Auf die Frage, warum er geschlagen werde, sei ihm gesagt worden: «Du hast Glück, dass du nicht geköpft wurdest.»

Nakdi wurde schliesslich in eine überfüllte Zelle gebracht, wo er seinen Kollegen Taki Darjabi fand, der ebenfalls festgenommen und geschlagen worden war. «Wir hatten so grosse Schmerzen, dass wir uns nicht bewegen konnten», sagte Darjabi.

Der Widerstand lebt vorerst nur vom Mythos

Der afghanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ghulam Isacsai, forderte bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die Taliban-Regierung in Kabul nicht anzuerkennen und die bestehenden Sanktionen zu verschärfen. Die jüngsten Demonstrationen in Kabul seien eine «starke Botschaft», dass die Bevölkerung das «totalitäre System» nicht akzeptiere, das ihr von den Taliban «aufgezwungen» werde.

Er warf den Taliban ausserdem «Gräueltaten in grossem Umfang» im Pandschir-Tal vor. Isacsai, der zum Kabinett des früheren Präsidenten Aschraf Ghani zählte, ist weiterhin der afghanische Vertreter bei der UNO.

Guterres: Wirtschaftlichen Kollaps Afghanistans verhindern

UN-Generalsekretär Antonio Guterres sprach sich dennoch für einen «Dialog» mit den radikalislamischen Taliban aus. Es gehe dabei um die «Solidarität mit dem afghanischen Volk». Auf alle Fälle müsse ein wirtschaftlicher Kollaps Afghanistans verhindert werden. Die Bevölkerung leide jetzt bereits enorm, «Millionen und Abermillionen sind vom Hungertod bedroht», warnte der Portugiese.

Erster ziviler Evakuierungsflug: Mehr als hundert Ausländer ausgeflogen

An Bord des ersten zivilen Evakuierungsflugs aus Afghanistan seit dem Abzug der US-Truppen sind rund 110 Ausländer ausser Landes gebracht worden. An Bord des Flugzeugs der Qatar Airways waren unter anderem Deutsche, US-Bürger, Kanadier und Ukrainer, wie die Nachrichtenagentur AFP von einer mit der Mission vertrauten Quelle erfuhr.

Die Passagiere verliessen am Donnerstag in Doha die in Kabul gestartete Maschine, wie AFP-Reporter beobachteten. Sie würden dort in einem Zentrum für afghanische Flüchtlinge untergebracht, wie AFP erfuhr. Zunächst war von rund 200 Passagieren die Rede gewesen. Später wurde in mit dem Vorgang vertrauten Kreisen von «etwa 113» Passagieren gesprochen.

Sicherheitspersonal aus Katar bewachte das Flugzeug auf dem Rollfeld des Flughafens in Kabul. (9. September 2021)

«Ich habe meiner Familie nicht gesagt, dass ich gehe, aber ich habe ihnen heute Morgen um 7 Uhr eine Nachricht hinterlassen», sagte die 45-Jährige Leena Asisi bei ihrer Ankunft in Doha. «Es tut mir nicht nur für meine Familie leid, sondern für viele Menschen. Wir müssen hoffnungsvoll bleiben», fügte sie hinzu.

Ein afghanisch-amerikanischer Doppelbürger, der mit seiner Familie an den Kabuler Flughafen gekommen war, sagte AFP-Reportern in der afghanischen Hauptstadt, er sei erst wenige Stunden zuvor über die Ausreisemöglichkeit informiert worden. «Wir hatten Kontakt mit dem Aussenministerium, das mich heute Morgen anrief und mir sagte, ich solle mich zum Flughafen begeben.»

Dank aus Berlin und London

Die deutsche Regierung bedankte sich bei jener von Katar dafür, dass 15 Deutsche ausgeflogen werden konnten. Auch der britische Aussenminister Dominic Raab dankte Doha «für die Ermöglichung eines Fluges mit 13 britischen Staatsangehörigen». Die niederländische Aussenministerin Sigrid Kaag erklärte, 13 Staatsangehörige seien ausgeflogen worden.

Katar und die Türkei arbeiten seit kurzem an einer Sanierung der Infrastruktur des Kabuler Flughafens. Der katarische Sondergesandte für Afghanistan, Mutlak al-Kahtani, sprach von einem «historischen Tag» für den Airport. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur «Wiedereröffnung des Flughafens für internationale Flüge».

Washington: Taliban in diesem Fall «flexibel und professionell»

Nach der Landung in Doha dankte Aussenminister Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani den Taliban für ihre «Kooperation». Das Weisse Haus in Washington nannte das Verhalten der Taliban in diesem Fall «flexibel und professionell».

Katar ist in der Afghanistan-Krise ein Schlüssel-Akteur. In dem Golf-Staat fanden 2020 die Verhandlungen zwischen den Taliban und der US-Regierung über einen Truppenabzug aus Afghanistan statt. Später wurden in Katar die Verhandlungen zwischen der Miliz und der damaligen afghanischen Regierung geführt. Am Donnerstag beriet sich der katarische Aussenminister auch mit seinem iranischen Kollegen.

Flug soll 200 Ausländer von Kabul ausser Landes bringen

Erstmals nach dem endgültigen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan sollen Ausländer aus Kabul ausgeflogen werden. Der Flug bringe rund 200 Ausländer, darunter auch US-Bürger, nach Doha, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag von einer mit dem Vorgang vertrauten Quelle in der katarischen Hauptstadt.

Die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban gestarteten Evakuierungsflüge aus Kabul waren Ende August eingestellt worden. Am Montag reisten nach Angaben eines US-Regierungsvertreters vier US-Bürger auf dem Landweg aus Afghanistan aus. Die EU hat die ungehinderte Ausreise ihrer Staatsbürger aus Afghanistan zu einer der Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit den Taliban und weitere Hilfen für das Land gemacht.

Über die internationale Luftbrücke waren binnen weniger Wochen etwa 123'000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen worden. Aber nicht alle ausreisewillige Ausländer schafften es rechtzeitig ausser Landes. Zurückgelassen wurden auch zahlreiche Dolmetscher und andere afghanische Ortskräfte der ausländischen Truppen. Viele von ihnen fürchten nun Rache-Aktionen der Taliban.

Pandschir-Tal: Offenbar Massoud-Grab teils zerstört

Das Grab des legendären Anführers der Nordallianz und Taliban-Gegners Achmad Schah Massud im afghanischen Pandschir-Tal ist offenbar teils zerstört worden. In sozialen Netzwerken kursierten am Donnerstag Fotos und Videos vom beschädigten Grab Massouds.

Auf diesen ist zu sehen, dass die Glasplatte über dem Grab kaputt ist und der Stein am oberen Ende des Grabes umgefallen und in drei Stücke zerbrochen ist.

Achmad Schah Massud, besser bekannt als der «Löwe von Pandschir», hatte in den 1990er Jahren erbitterten Widerstand gegen die militant-islamistischen Taliban geleistet, bis er bei einem Selbstmordattentat zwei Tage vor dem 11. September 2001 getötet wurde. Er wird von vielen Afghanen als Nationalheld gefeiert, von anderen aber auch kritisiert.

Afghan men walk at Ahmad Shah Massoud's grave during the 10th anniversarry of Massoud's assassinate in Saricha hilltop of Panjshir province on September 9, 2011. Amid heightened security Afghanistan on Friday marked a decade since the death of an iconic anti-Taliban commander two days before 9/11, with President Hamid Karzai absent from a memorial event. Ahmad Shah Massoud helped repel the 1980s Soviet invasion and led the last bastion of resistance to the Taliban in the 1990s before being killed by an Al-Qaeda bomb on September 9, 2001. AFP PHOTO / Massoud HOSSAINI (Photo by MASSOUD HOSSAINI / AFP)

Sein Grab liegt auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe von Basarak, der Provinzhauptstadt Pandschirs. Vor allem an Freitagen fuhren in der Vergangenheit oft mehr als hundert Anhänger zu der Grabstelle, um Massoud zu gedenken und zu beten.

Es ist unklar, wie das Grab zerstört wurde. Die Taliban haben nach rund einer Woche schwerer Gefechte mit Widerstandskämpfern in dem Tal am Montag erklärt, die Provinz stünde unter ihrer Kontrolle. Nutzer in sozialen Medien beschuldigten die Islamisten. Auf einem der Videos ist zu sehen, dass ein Taliban-Kämpfer vorschlägt, den Stein nach Kabul zur Reparatur zu bringen.

Der Widerstand lebt vorerst nur vom Mythos

Menschenrechtler fordern Fortsetzung der Evakuierung aus Afghanistan

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Pro Asyl haben die Bundesregierung aufgefordert, die Evakuierung gefährdeter Menschen aus Afghanistan fortzusetzen. «Es ist vordringlich, dass besonders gefährdete Menschen die Nachbarstaaten erreichen können, um von dort evakuiert zu werden», erklärte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Markus Beeko am Donnerstag. Die Bundesregierung müsse jetzt auf eine schnelle Einigung drängen, damit Schutzbedürftige in die Nachbarländer Afghanistans einreisen könnten, um von dort nach Deutschland gebracht zu werden.

Zu den Gefährdeten gehörten Mitarbeitende lokaler Partnerorganisationen und deutscher Organisationen, Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsaktivisten, hiess es in der von mehr als 20 Organisationen mitgetragenen Erklärung. Verwiesen wird darin auf bei Subunternehmen beschäftigte Ortskräfte und Regierungsangestellte, die für einen demokratischen Staat und eine unabhängige Justiz eingetreten sind.

Zusätzlich müssten die Nachbarstaaten Afghanistans unterstützt werden. Dabei gehe es um humanitäre Hilfe, aber auch darum, dass Deutschland gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedsstaaten Flüchtlinge aufnimmt. «Es braucht jetzt zügig Aufnahmeprogramme auf Bundes- und Landesebene, um einem angemessenen Kontingent afghanischer Flüchtlinge einen sicheren Zugangsweg nach Deutschland zu gewähren», erklärten die Organisationen.

ARCHIV - 16.09.2018, Berlin: Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. (zu dpa: "Amnesty International beklagt «Angriff auf die Menschenrechte»") Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Arne Immanuel Bänsch)

Taliban untersagen vorerst weitere Proteste in Afghanistan

Die militant-islamistischen Taliban haben am Mittwoch vorerst alle weiteren Proteste in Afghanistan verboten. In der ersten offiziellen Erklärung des Innenministeriums nach der Regierungsbildung heisst es, niemand solle derzeit unter allen Umständen versuchen, Proteste zu organisieren. Bei Verstössen wird mit ernsthafter Strafverfolgung gedroht. Als Grund führten die Taliban an, dass in den vergangenen Tagen einige Menschen die öffentliche Ordnung gestört und Menschen belästigt hätten.

Zugleich gaben die Islamisten die Bedingungen für Proteste in der Zukunft vor. Demnach müssen Organisatoren vorab eine Genehmigung des Justizministeriums einholen. Mindestens 24 Stunden vorher müssten der Grund der Demonstration, Ort, Zeit und Slogans Justiz und Sicherheitsbehörden mitgeteilt werden.

Taliban-Kämpfer versuchen in Kabul eine Gruppe Demonstanten im Schach zu halten. (7. September 2021)

Die Taliban hatten in den vergangenen Tagen Demonstrationen mit Gewalt unterdrückt. Ausserdem untersagten sie die Berichterstattung über die Proteste in den Medien. Frauen und Männer waren in der Hauptstadt Kabul und mehreren Provinzen unter anderem für Frauenrechte und Freiheit auf die Strasse gegangen.

US-Aussenminister trifft afghanische Flüchtlinge in Ramstein

US-Aussenminister Antony Blinken ist am Mittwoch bei einem Besuch auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein in Deutschland mit afghanischen Flüchtlingen zusammengetroffen. Der Minister zeigte dem Sohn eines ehemaligen afghanischen Mitarbeiters der US-Botschaft auf seinem Smartphone Bilder seiner eigenen Kinder. In Ramstein sind derzeit rund 11'000 Afghanen untergebracht, die auf ihren Weiterflug in die USA warten.

Blinken ist selbst Stiefsohn eines Holocaust-Überlebenden und setzt sich seit langer Zeit für die Recht von Geflüchteten ein. Er besuchte in Ramstein auch eine provisorische Unterkunft für Kinder, die ihre Eltern verloren haben. «Viele, viele Amerikaner freuen sich wirklich sehr darauf, euch willkommen zu heissen und dass ihr in die USA kommt», sagte Blinken.

US-Aussenminister Antony Blinken zeigte in Ramstein dem Sohn eines ehemaligen afghanischen Mitarbeiters der US-Botschaft auf seinem Smartphone Bilder seiner eigenen Kinder. (8. September 2021)

An den Wänden der Unterkunft hingen Bilder von Kindern, darunter das Bild eines Mädchens mit gebrochenem Herzen unter blauem Himmel und der Botschaft: «Sagt meiner Mama, dass ich sie vermisse.» Blinken erhielt von einem Jungen ein T-Shirt mit den Namen der Kinder, einer afghanischen Flagge und der Aufschrift: «Für Sir Blinken». Er sagte zu, es in Washington tragen zu wollen.

Pakistan schiebt Hunderte afghanische Flüchtlinge ohne Papiere ab

Pakistan hat Hunderte afghanische Flüchtlinge abgeschoben, die seit der Machtübernahme der Taliban ohne gültige Reisedokumente ins Land gelangt waren. Das teilten die Behörden am Mittwoch mit.

Die Zahl der Abgeschobenen soll sich nach Informationen der Nachrichtenagentur DPA auf mehr als 700 Personen belaufen. Die Regierung der Provinz Baluchistan, in der ein für die Abschiebungen benutzter Grenzübergang liegt, und die Grenzbehörden haben die Zahl zunächst nicht bestätigt.

Zuvor hatte Aussenminister Shah Mahmood Qureshi erklärt, Pakistan habe nicht die Kapazitäten, die Last zusätzlicher Flüchtlinge zu tragen. In einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen aus der Region forderte er die internationale Gemeinschaft auf, sich weiterhin zu engagieren. In Afghanistan müsse ein Umfeld geschaffen werden, das einen weiteren Exodus verhindere, sagte er. An der von Islamabad organisierten Konferenz nahmen auch die Aussenminister von China, dem Iran, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan teil.

Taliban schlagen Journalisten in Kabul mit Kabeln und Peitschen

Die militant-islamistischen Taliban haben mindestens zwei Journalisten in der afghanischen Hauptstadt schwer körperlich misshandelt.

Im Gesicht und am Kopf von zwei Mitarbeitern der bekannten Tageszeitung «Etilatrus» seien Dutzende Abdrücke von Kabeln und Peitschen zu sehen, schrieb der Herausgeber von «Etilatrus», Saki Darjabai, am Mittwoch auf Twitter. Man habe die Kollegen schwach und in einem Zustand der Lethargie ins Büro gebracht.

Er teilte zudem ein Bild, auf dem ein Rücken mit schweren Verletzungen zu sehen ist und kommentierte es mit den Worten: «Das ist nur ein kleiner Teil dessen, was Taliban Journalisten von Etilatrus antaten.» Auf einem Video ist zu sehen, dass ein Journalist nicht mehr selbst laufen kann, auf einem anderen ein weiterer, der zwar alleine steht, aber kaum sprechen kann.

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Rund zwei Stunden davor hatte Darjabi auf Twitter mitgeteilt, dass fünf seiner Mitarbeiter, darunter der Chefredakteur, von der Taliban festgenommen worden seien, als sie in den nebeneinander liegenden Stadtteilen Pul-e Sorch und Kart-e Tschar über einen Frauenprotest berichten wollten.

Die grössten lokalen TV-Sender haben am Mittwoch offensichtlich bereits die Berichterstattung über die seit drei Tagen infolge andauernden Proteste in Kabul eingestellt. Am Dienstag hatten die Taliban eine Gruppe von Reportern und Kameramännern für mehrere Stunden festgenommen, nachdem sie über den Protest in Kabul berichteten. Die Journalisten äusserten sich nicht öffentlich dazu, was während ihrer Festnahme passiert war.

Am Mittwoch schrieb zudem ein Reporter der «Los Angeles Times» auf Twitter, er und sein Fotograf seien von der Taliban herumgeschubst worden, als sie versuchten, über einen Frauenprotest in Kabul zu berichten. Man habe auch versucht, dass Aufnahmen gelöscht würden. Die Taliban äusserten sich bisher nicht zu den Vorfällen.

Kreml: Keine Gespräche mit Übergangsregierung in Afghanistan geplant

Der Kreml plant vorerst keine direkten Gespräche mit der neuen Übergangsregierung der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan.

«Die Kontakte werden über unsere Botschaft in Kabul abgewickelt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Dabei gehe es etwa darum, die Sicherheit der russischen Diplomaten in Afghanistan zu gewährleisten. «Weitere Gespräche sind nicht geplant», sagte Peskow. Moskau werde wie andere Länder auch die weiteren Schritte der Taliban beobachten. Sie sind in Russland als terroristische Organisation verboten.

Die Taliban hatten nach ihrer gewaltsamen Machtübernahme vor rund drei Wochen am Dienstag ihre Übergangsregierung vorgestellt und 33 Kabinettsmitglieder bekanntgegeben.

Derweil begrüsste Afghanistans Nachbarland Usbekistan das Übergangskabinett. «Wir hoffen, dass diese Entscheidung der Anfang sein wird, einen breiten nationalen Konsens zu erreichen und dauerhaften Frieden und Stabilität in diesem Land zu schaffen», teilte das Aussenministerium der ehemaligen Sowjetrepublik in Zentralasien mit. Usbekistan sei zu einem «konstruktiven Dialog bereit».

Russland verhandelt zwar mit den Taliban, sieht aber deren Siegeszug durchaus mit Sorge. Moskau warnt seit langem vor Kämpfern, die in ehemals sowjetisches Gebiet eindringen könnten, sowie vor zunehmendem Drogenschmuggel. «Die Lage in Afghanistan wirkt sich direkt auf die Lage in den Ländern Zentralasiens aus», sagte Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon. Er rief die internationale Gemeinschaft zu mehr Anstrengungen auf, um die Probleme in Afghanistan zu lösen.

EU kritisiert Zusammensetzung der Taliban-Regierung scharf

Die Europäische Union hat scharfe Kritik an der Zusammensetzung der neuen Taliban-Regierung geübt. Sie spiegle nicht die «ethnische und religiöse Vielfalt Afghanistans» wieder, sagte ein EU-Sprecher am Mittwoch in Brüssel in einer ersten Reaktion. Damit würden die Taliban ihrem Versprechen nicht gerecht, möglichst breite Teile der Bevölkerung zu repräsentieren.

Die EU-Länder hatten den Taliban vergangene Woche bei einem Aussenministertreffen in Slowenien eine Reihe von Bedingungen für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und weitere Finanzhilfen gestellt. Dazu gehöre eine «inklusive und repräsentative» Regierung, betonte der EU-Sprecher.

Der Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell, Peter Stano, sprach im Kurzbotschaftendienst Twitter zudem von «beunruhigenden Berichten, dass die Taliban internationale Menschenrechtsverpflichtungen nicht einhalten». Er reagierte damit auf Berichte über die gewaltsame Auflösung einer Demonstration in der afghanischen Hauptstadt Kabul mit vielen Frauen unter den Teilnehmern.

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Kämpfer der radikalislamischen Taliban hatten am Dienstag Warnschüsse abgegeben, um die Menschen auseinanderzutreiben. Sie demonstrierten gegen die aus ihrer Sicht zu grosse Einmischung Pakistans in afghanische Belange.

//red