Afghanische Widerstandsbastion Panjshir angegriffenTaliban stossen in die letzten Täler vor
Die Taliban erobern nach eigenen Angaben Panjshir, die letzte afghanische Provinz, die bislang noch nicht unter ihrer Kontrolle stand. Ein Milizenführer ruft weiter zum Widerstand gegen die Islamisten auf.
Der Krieg in Afghanistan ist beendet, zumindest behaupten das die neuen Machthaber. In den vergangenen Tagen war zwischen Kämpfern der Taliban und der «Nationalen Widerstandsfront» um den ehemaligen Vizepräsidenten Amrullah Saleh und den Milizenführer Ahmed Massud mit aller Härte um die Provinz Panjshir gekämpft worden. Es war die letzte Region des Landes, die sich noch nicht in den Händen der Taliban befand. «Panjshir ist unter unserer Kontrolle», erwiderte Talibansprecher Suhail Shaheen auf Anfrage am Montag in einer Textnachricht.
Sowohl während der sowjetischen Besatzung Afghanistans in den 1980er-Jahren als auch während des Talibanregimes (1996–2001) war die Provinz Panjshir nicht von den jeweiligen Kabuler Machthabern eingenommen worden. Ahmed Shah Massud, der Vater des heutigen Milizenchefs, hatte die von hier aus operierenden Mujahedin angeführt. Zwei Tage vor den Anschlägen des 11. September 2001 hatte ihn ein Al-Qaida-Terrorist getötet. Den Anschlag damals überlebt hatte Fahim Dashty, ein enger Vertrauter Massuds und Sprecher seines Sohnes. Bei Gefechten mit den Taliban ist er nun ums Leben gekommen, wie ein Weggefährte Dashtys am Montag bestätigte. Die Taliban hätten weite Teile der Panjshir-Provinz eingenommen, räumte er ein.
«Für die Ehre und die Freiheit»
In einer am Montag verbreiteten Ansprache wollte Massud die Niederlage aber noch nicht eingestehen. Den Angehörigen der Opfer aus der Widerstandsbewegung sprach er sein Beileid aus. «Die Taliban haben gestern eine umfassende Offensive gegen unsere Stellungen begonnen», sagte Massud. Zahlreiche Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Er rief dazu auf, den bewaffneten Widerstand gegen die Taliban fortzusetzen: «Wo immer ihr auch seid, im Land oder ausserhalb, erhebt euch für die Ehre und die Freiheit unseres Landes. Unser Widerstand wird fortgeführt.»
Massud macht keine Angaben dazu, ob er sich zum Zeitpunkt der Aufnahme noch in Panjshir aufhielt oder nicht. «Wir werden bis zum Ende für die Freiheit kämpfen», betonte er und kritisierte die internationale Gemeinschaft für ihre Bereitschaft, mit den Islamisten zu kooperieren: «Sie haben sich nicht geändert, sondern sind brutaler und extremistischer geworden.»
Um den ramponierten Airport wieder funktionsfähig zu machen, sind katarische und türkische Spezialisten in der afghanischen Hauptstadt.
Nach der Ankündigung der USA im Frühjahr, die Truppen bis Ende August ganz aus dem Land abzuziehen, hatten die Taliban einen beispiellosen Vormarsch zu verzeichnen. Vor drei Wochen nahmen die Islamisten auch Kabul ein. Die Regierung des Präsidenten Ashraf Ghani kollabierte, der Staatschef und viele Minister flohen ins Ausland. Die USA und ihre Verbündeten hatten Ende August nach einer Evakuierungsmission für Tausende ehemalige afghanische Mitarbeiter das Land verlassen, zahlreiche Ortskräfte sind aber noch immer im Land. Sie sollen ausgeflogen werden, wenn der Flughafen Kabul wieder in vollem Betrieb ist, wobei Beobachter bezweifeln, dass alle die Gelegenheit bekommen werden, das Land zu verlassen. Um den ramponierten Airport wieder funktionsfähig zu machen, sind katarische und türkische Spezialisten in der afghanischen Hauptstadt.
In Kabul trat am Montag der Talibansprecher Zabihullah Mujahid auf, er wird als möglicher Informationsminister der neuen Talibanregierung gehandelt. «Der Krieg ist beendet», sagte er. Eigentlich habe man versucht, mit der Widerstandsbewegung in Panjshir den Konflikt über Verhandlungen zu lösen, aber die Gespräche seien kollabiert. Er rief alle afghanischen Sicherheitskräfte auf, sich nun in die Taliban-Streitkräfte zu integrieren. Die Taliban wollten gute Beziehungen zu allen Ländern der Welt, sagte Mujahid, vor allem aber zu China, das eine wichtige Rolle spielen könne bei der Entwicklung des Landes.
Schon bevor die Taliban Kabul erobert hatten, war eine hochrangige Delegation der Islamisten in Peking auf höchster Ebene empfangen worden. Westliche Regierungen haben zwar durchblicken lassen, dass sie zu einer Kooperation bereit seien, die von den Taliban geforderte diplomatische Anerkennung ist im Moment aber noch kein Thema.
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