Analyse zu SubventionenDer Bund fördert, was er gleichzeitig bekämpft – es ist sinnlos
Ob Mineralöl, Fleisch oder Tabak: Der Bund subventioniert mit Steuergeldern schädliche Produkte, deren negative Folgen er mit anderen Steuergeldern verhindern will.
Der Bund fördert mit jährlich 35 bis 38 Millionen Franken den Absatz von Fleisch, Milch und Eiern in der Schweiz. Gleichzeitig warnt die Eidgenössische Ernährungskommission vor «gesundheitlich negativen Langzeitwirkungen» des Fleischkonsums. Und die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft kritisiert die Subventionen als «biodiversitätsschädigend».
Doch der Bundesrat hat entschieden, trotzdem an den Absatzförderungen festzuhalten, wie diese Redaktion berichtete. Es sollen weiterhin mit Steuergeldern Produkte gefördert werden, die man gleichzeitig mit Steuergeldern bekämpft.
Die Widersprüchlichkeit hat System, nicht nur beim Fleisch.
So bekämpft der Bund mit Lenkungssteuern oder Präventionskampagnen den Konsum von Tabak und Alkohol sowie von salz-, zucker- und fetthaltigen Produkten. Gleichzeitig fördert er deren Herstellung und Vertrieb mit Subventionen.
Ein paar Beispiele: Die Tabakproduktion in der Schweiz wird mit jährlich 13 Millionen gefördert – und gleichzeitig wird der Konsum mit Steuern, Werbeverboten und Präventionskampagnen bekämpft.
Für die Förderung von Schweizer Weinen gibt der Bund 4 Millionen Franken pro Jahr aus. Weil die Schweizer offenbar zu wenig davon trinken, übernahm er 2019 die Hälfte der Kosten eines neuen Verkaufsförderprogramms. Im März dieses Jahres beschloss der Ständerat die Verlängerung der Absatzförderung in Höhe von 9 Millionen pro Jahr bis 2027.
Die Schweizer Bevölkerung konsumiert doppelt so viel Zucker, wie das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt. Aber der Bund zahlt den Bauern die höchsten Subventionen pro Hektar ausgerechnet für den Anbau von Zuckerrüben. 2022 machten sie 33 Millionen Franken aus.
Subventionen für verbotene Früchte
«Es ist, als ob die linke Hand, das Bundesamt für Gesundheit, für Enthaltsamkeit plädiert, während die rechte Hand, das Bundesamt für Landwirtschaft, den Verzehr verbotener Früchte fördert», sagt Jérôme Cosandey, Forschungsleiter bei der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse.
Fragwürdig ist auch die Verkaufsförderung für Fette und Öle sowie von Käse. Sie werden vom Bund mit je gut 20 Millionen Franken jährlich unterstützt.
Gemäss Berechnungen von Avenir Suisse belaufen sich die Subventionen allein für Produktion und Verkaufsförderung von Tabak, Zucker und Alkohol auf rund 60 Millionen Franken pro Jahr. Das sei ein Sparpotenzial, das man nutzen sollte.
Bereits 2020 hatten Wissenschaftlerinnen der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft sowie des Forums Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften in einer Studie mehr als 160 umweltschädliche Subventionen identifiziert.
Offensichtlich widersprüchlich ist beispielsweise die Befreiung von der Mineralölsteuer für Traktoren und Pistenfahrzeuge. Damit wird der klimaschädliche Diesel für Bauern, Berufsfischer und Skigebiete verbilligt.
Gemäss Verfassung muss sich der Bund für einen sparsamen Umgang mit Energie einsetzen. Doch im März fand eine Studie der Schweizerischen Energie-Stiftung nicht weniger als 112 Bestimmungen in der Bundesgesetzgebung, die den Energieverbrauch ankurbeln.
Lobbyisten setzen Partikularinteressen durch
Schwere Zielkonflikte zeigen sich auch bei der Tourismusförderung. An immer mehr Orten beginnt sich die Bevölkerung gegen zu viele Touristen zu wehren. Bereits ein Viertel der Bevölkerung fühlt sich durch sie gestört, wie eine repräsentative Umfrage der Marketingorganisation Schweiz Tourismus ergab.
Trotzdem unterstützt der Bund Schweiz Tourismus mit jährlich 58 Millionen Franken, damit diese noch mehr Touristen aus dem Ausland an die überfüllten Hotspots lockt. Für solche Werbung sollten nicht die Steuerzahler aufkommen, sondern die Branchen und Unternehmen, die direkt davon profitieren.
Zielkonflikte gehören zum politischen Alltag. In der einen Sessionswoche wird einer Interessengruppe eine neue Subvention zugesprochen, in der nächsten werden ein paar Millionen für eine Präventionskampagne bewilligt. Den Lobbyisten gelingt es regelmässig, ihre Einzelinteressen mithilfe kurzfristiger Koalitionen und befristeter Finanzierungen durchzusetzen. Aber einmal gesprochene Subventionen werden nie mehr gestrichen.
Ein wirksames Mittel gegen solche Widersprüchlichkeiten wäre die Ordnungspolitik. Sie sorgt für eine gewisse Prinzipientreue. Der Staat sollte demnach in erster Linie einen für alle gültigen Rahmen setzen und nicht dauernd zugunsten von einzelnen Gruppen intervenieren.
Doch Ordnungspolitik ist aus der Mode geraten. Selbst der Begriff verschwindet aus dem öffentlichen Diskurs. Vor zwanzig Jahren kam er zum Beispiel im «Tages-Anzeiger» noch in 37 Artikeln vor, 2013 noch in 14 und 2023 nur noch in sieben.
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